Donnerstag, 10. November 2011

The benefit of public transportation- revisited.



Morgens in aller Herrgottsfrühe stehe ich mit ein paar anderen Schlaflosen an der Bushaltestelle und warte auf meine Verbindung um 6.26 Uhr.
Die Busfahrer sind noch relativ schweigsam, scheinen sich aber über ein „Guten Morgen“ zu freuen, also kriegen sie eins. Nach ein paar Wochen weiß man in etwa, wer an welcher Haltestelle zusteigt- um diese Uhrzeit ist der Fahrgast nur dann unterwegs, wenn er das wirklich muss.
Die junge Frau mit dem Kissen auf dem Kopf (mag sein, dass es kein Kissen ist, aber es sieht so aus. Vielleicht handelt es sich aber auch um einen Medizinball. Wer weiß das schon) steigt zwei Haltestellen nach mir ein und setzt sich stets mir gegenüber hin. Da die Höflichkeit verbietet, auf ihren seltsamen Kopfputz zu starren, bringt mich das jedes Mal in Verlegenheit. Die Lösung für dieses Dilemma ist, die Entspannung zu nutzen, die eine Busfahrt im Dunkeln bietet (sowie die Tatsache, dass noch keine Schüler an Bord sind) und so zu tun, als schliefe man noch, wenigstens oberflächlich. Ich schließe also die Augen, lasse die Gesichtsmuskeln erschlaffen und lehne den Kopf an die Scheibe.
Die Vibrationen des Dieselmotors und das Ruckeln beim Fahren über Unebenheiten schläfern tatsächlich ein bisschen ein. Ein wenig ist das so, als stecke man zur Gänze in so einem Massageanzug, der einen ordentlich durchschüttelt.
Im Bus ist es warm und dunkel, und wenn ich Glück habe, gibt es keine Ansage der nächsten Haltestelle, sondern nur eine Laufschrift über dem Durchgang zur Fahrerkabine.
Die Medizinballfrau hört Musik über ihr Handy, und obwohl reichlich Stoff ihre Ohren bedeckt, sind die Melodien als flaches Plärren für ihre Umgebung noch hörbar.
Warum setzt sie sich mir gegenüber hin?  Ich riskiere einen Blick, und finde mich, wie immer, fasziniert von dem Gewickel und Gewackel auf ihrem Schädel. Offenbar sind mehrere Schichten Stoff verarbeitet, was man an den unterschiedlichen Farben sehen kann, die in schmalen Streifen über der Stirn zu erkennen sind. Warum sie diesen unglaublichen Aufbau auch noch mit einem schwarzen Tuch mit silbernen Glitterschleifchen und –Streifchen geschmückt hat, bleibt ein Rätsel. Aber vielleicht möchte sie nur nicht frieren. Viele nicht sehr schmeichelhafte Bezeichnungen für dieses Kopfding fallen mir ein.
Ich erwische mich dabei, dass ich mich frage, wie lang man braucht, um morgens so einen Haufen Stoff um seinen Kopf zu wickeln, und welchen Teil von der Menge ihr Haar ausmacht. Vielleicht hat sie ja keines? Vielleicht versteckt sie tatsächlich ihr Kopfkissen in dem Aufbau, damit ihr kleiner Bruder es nicht dem Dackel gibt oder der Katze?
Der Rest von ihr ist unauffällig. Schwarze Jacke, schwarze Strümpfe, Ankle Boots, eine von diesen Taschen, die frau jetzt trägt, in denen man außer Handy und Portemonnaie noch einen Sextanten, ein Paar Duellpistolen und einen praktischen Rasenmäher verstauen kann.
Ihre Hände, ein wenig rundlich im Gegensatz zu ihrer sonstigen Erscheinung, halten die Tasche und das Musik spielende Handy. Die Fingernägel sind kurz und man kann noch Reste von Henna erkennen.
Die Hände sind die einer Achtjährigen.
Und auf einmal hab ich keine Lust mehr, über diesen Turban zu lästern.

2 Kommentare:

Paula hat gesagt…

Zuviel Nähe zu Fremden in Bus und Bahn mag ich auch nicht,ich kann zum Glück mit dem Fahrrad fahren.

Wenn Du ihr auch ein "Guten Morgen" schenken würdest, kämt ihr vielleicht sogar ins Gespräch. Ja, ich weiß, nach den bestehenden Regeln sagt der, der kommt, einen Gruß und nicht der, der schon da ist.

Oder Du setzt Dich einfach woanders hin, sobald sie kommt, das ist dann unmissverständlich.

Meise hat gesagt…

Na, mal sehen, ob mich solche Erfahrungen nicht demnächst auch erwarten. Ab Januar bin ich, zumindest für die Wintermonate, auch per Bus zur Arbeit unterwegs.
*seufz*