Samstag, 24. August 2013

Tierischer Content

Ihr habt ja bereits beim letzten Posting gemerkt, dass ich so langsam die Kamera warm laufen lasse, um für künftige, spektakuläre Fotos jederzeit in Bereitschaft zu sein. Macht euch also gefasst (zumindest auf Verweise zum Flickr-Account und anderen Spielwiesen der Pixeltechnik).
Mein Wohnzimmerfenster samt Balkontür haben einen Blick nach Osten, und damit auf den Sonnenaufgang. Wenn ich aus dem Haus gehe, liegt rechts die Straße runter ein Feuchtgebiet (dollerweise auch noch Naturschutzgebiet), über dem jeden Morgen zu dieser Jahreszeit ein sehr dekorativer Nebel aufsteigt. Und obwohl es auf meinem Rechner Hunderte von Sonnenaufgangs- und Nebel-über-den-Wiesen-Bildern gibt, wird mir das nicht langweilig. Und heute werden Freundin Nicole und ich Gelsenkirchen heimsuchen. Nicht wegen der idyllischen, altertümlichen Innenstadt, denn die kann man nur genießen, wenn man auf Bausünden steht (sorry, Gelsenkirchener, aber ich krieg Alpträume in der eurer City), sondern wegen des Zoos.
Ich steh auf Zoos, obwohl ich weiß, dass die durchaus kritisch gesehen werden können. Sämtliche im Fernsehen ausgestrahlte Zoo-Soaps stehen auf meiner Programmliste und werden täglich als erste angeschaut, sofern ich Zeit zum Fernsehen hab. Klar ist das alles hübsch geschönt, und sehr vermenschlicht, aber egal, ich steh drauf. Außerdem bieten die Tiergärten und Zoos eine Gelegenheit zum Fotografieren, die man sonst nicht ohne weiteres hier findet. Vor allem Aquarien sind da sehr dankbar, und wer immer die Geduld hat, mit mir dorthin zu pilgern, verdient höchste Anerkennung und tierische Lobpreisung, weil es ätzend ist, alle zwanzig Meter stehen bleiben zu müssen, während ich vor mich hin murmele und das gleiche Bild fünf Mal mache, damit es so ist, wie ich das will. 

Heute geht es also in den Zoom-Erlebnispark, wie der Laden heutzutage heißt. Früher war dieser Zoo mit das abschreckendste Beispiel dafür, wie man es nicht macht- Großkatzen in Käfigen, die nicht größer waren als mein Badezimmer, also so drei Quadratmeter, vielleicht auch vier. Der Besucher konnte die Tiere sehen, das war aber auch alles. Gruselige Beispiele von Hospitalismus in jeder Betonzelle, deprimierende Gestalten, voller stereotyper Bewegungen und ritualisierter Übersprungshandlungen. Schrecklich.
Ich hab immer noch Bedenken, vor allem bei Arten, die man als Wildtiere durchgehen lassen könnte, und bei Bewegungstieren mit großen Revieren in ihrer Heimat. Elefanten zum Beispiel werden bereits seit Jahrhunderten als Haustiere domestiziert, trotzdem bin ich nicht sicher, ob diese ja nomadisch lebenden Tiere in Zoos zufrieden sind. 

Große Primaten sind ein anderes Beispiel. Die Dichte der Tierhaltung ist in Zoos bestimmt grenzwertig- trotzdem leben gerade gefährdete Arten dort sicherlich besser als vielerorts, wo sie als Haustiere gehalten, geschlachtet und gegessen werden. 
Die Erhaltungszuchtprogramme tun anscheinend viel Gutes. Nur: Wozu erhalten wir die Arten? Ist damit zu rechnen, dass die Tiere irgendwann als Art zurück kehren können in ihre Habitate? Geschieht das alles nur, um einen lebendigen Aufbewahrungsort für die Genome der Arten zu behalten? Nach dem Motto: Schaut mal, da ist unser Gen-Vorrat, sieht doch nett aus, zahlt bitte Eintritt? 
Ich glaube, da sollten wir uns nix vormachen. Die Tiere werden in Zoos aufbewahrt, weil sie ansonsten umgebracht würden, da dem Menschen im Weg. Es befriedigt das ästhetische und wissenschaftliche Interesse der Menschen, sie dort zu halten. Man konnte damit auch mal Geld machen und auch bedrohte und bereits nicht mehr in der Natur vorhandene Tiere besichtigen. 

Ein reines naturschützerisches Interesse kann ich aber nur dort erkennen, wo auch die unscheinbaren, nicht spektakulären Arten gehegt und gepflegt werden, auch und vor allem in den „Backstage“-Bereichen, wo kein Besucher vor einem Gitter steht. Diese Bereiche gibt es, wie alle Zuschauer der Serien „Tiername, noch 'n Tiername und Co“ wissen.
Auffallend ist für mich, dass die Umgebung der Tiere dort wesentlich schlichter und anregungsärmer ist als in den Schauen. Mir ist schon bewusst, dass es viel Geld kostet, einen kleinen Dschungel vorrätig zu halten, damit sich ein Nasenbär drin verstecken kann. Das Geld spart man sich in den Boxen hinter der Bühne. 
Da beschleicht mich dann aber der Verdacht, dass die „Naturnähe“ der Schaugehege vorrangig das Bedürfnis der Besucher bedient und nur am Rande die Ansprüche der Tiere. Abgesehen davon, sind viele der scheueren Arten trotz aller „natürlich“ eingerichteten Gehege nicht in der Lage, dort die Deckung zu suchen, die sie vielleicht haben möchten. Wäre das anders, bekäme kein Besucher sie zu sehen.
Dass Quarantäne- und Eingewöhnungsräume anregungsarm und eher schlicht ausgestattet sind, versteht sich von selbst, derartige Zimmer sind auch für Menschen nicht anders eingerichtet, weil ihr Hauptziel eben ein praktisches ist, und Quellen für Infektionen und solche Dinge ausgeschaltet werden müssen.
Als regelmäßige Zuschauerin der Zoo-Soaps meint man, das Dilemma der Beschäftigten dort zu erkennen: Der Respekt vor dem Tier als wildem Geschöpf gegen die Bedürfnisse, sich die Arbeit beherrschbar zu gestalten, und auch gegen die eigenen Bedürfnisse nach Kontakt und einer Beziehung zu den Wesen, mit denen ihr Arbeitsalltag sich befasst.
 Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass alles andere, also die emotionslose Versorgung eines scheuen, wilden Tieres und damit die Respektierung seiner Verschiedenheit von uns schwer aushaltbar wäre- ich käme mir vor wie ein Sklave einer fremden Spezies. Futter zugänglich machen, Kot wegräumen, damit wäre alles getan. Ziemlich stumpf- und keiner von den im Fernsehen vertretenen Pflegern macht den Eindruck, als wäre er oder sie stumpf. Im Gegenteil. Sie alle haben eine Beziehung zu ihren Tieren, viele Tiere tragen Namen, kennen ihre Pfleger, oder diese gehören sogar zu ihrer Herde, wie bei Elefanten. Trauer herrscht, wenn eines stirbt, und jede Lebensäußerung wird liebevoll betrachtet und kommentiert. Der Tapirmann bemüht sich um seine Frau, und die Pfleger schauen von ferne zu, immer auch ein bisschen vermittelnd, dass sie sich fast wie Voyeure fühlen.
Der einsame Schildkrötenmann kriegt einen Gefährten, und da geht es nicht um die Fortpflanzung, sondern um Gesellschaft.
Damit ist alle Distanz zum „Wilden“ dahin- oder?

Ich glaube, Zoos dienen im Wesentlichen dazu, uns immer wieder zu zeigen, dass wir eben nicht alleine hier sind. Dazu kommt, dass viele Arten einfach atemberaubend schön sind, und dass das ein Reichtum ist, den wir uns auf diese Weise in unsere Nähe holen. Wenn wir uns und unsere Bedürfnisse auf diesem Gebiet ernst nehmen, dann sind Arterhaltungsprogramme und die Rolle der Zoos als Schutzräume nur ein weiterer, durchaus ehrenwerter Aspekt. 
Sofern den Bedürfnissen der Tiere weitestmöglich Anerkennung gezollt wird (und es wird sich sicherlich vieles ändern in den nächsten Jahren- vielleicht trägt eine Spezialisierung der Zoos auf bestimmte Arten, Gebiete oder Ökosysteme da gute Früchte) können Zoos sicherlich auf eine Weise Nähe zu unseren Mitgeschöpfen vermitteln, die heutzutage sonst schwer zu erreichen ist. Und deshalb mag ich sie, unsere Zoos. Und auch die Pfleger, vor allem die aus Leipzig :)

Ach ja: Fotos kommen, bestimmt :)))


Schönes Wochenende

vonne Lily.

8 Kommentare:

Georg hat gesagt…

Ich mag die Leipziger auch.

Paula hat gesagt…

"Geh'n wir mal zu Hagenbeck, Hagenbeck, Hagenbeck...", da geht es ziemlich artgerecht zu. Du bist eingeladen, nach Hamburg zu kommen. Das Gästezimmer ist jetzt fertig. Echt jetzt!

Lily hat gesagt…

@Georg: An zweiter Stelle stehen München und Berlin.
@Paula: Echt? Cool :)

Paula hat gesagt…

Ja echt, guck mal in Deine mailbox!

Georg hat gesagt…

Hafenbecken ist klasse.

Georg hat gesagt…

Was für ein Scheiß. Soll natürlich Hagenbeck heißen.

Lily hat gesagt…

Gibt auch nette Hafenbecken. Frag mal die Mafia :)))

Georg hat gesagt…

Geeignetes Schuhwerk vorausgesetzt...