Sonntag, 16. Dezember 2007

Mütter brauchen Töchter

Katzen hin oder her, manchmal müssen es Menschen sein. Oder?

Ein Eremitendasein hat vielleicht seine Berechtigung, wenn man gerne auf Pfählen oder in Höhlen wohnt, aber auf die Dauer geht sich der Durchschnittseremit doch bestimmt auch selbst auf den Keks.
Um so mehr gilt das sicher für EremitINNEN.
Gab es sowas eigentlich? Ich bin jetzt grad mal zu faul, um die alte Tante Google zu konsultieren,bin aber auch sicher, davon noch nicht gehört zu haben. Wobei meine persönliche Unfähigkeit, mir eine Eremitin vorzustellen, nicht nur daran liegt, dass meine Rechtschreibkontrolle das Wort nicht kennt, sondern auch davon geprägt ist, dass ich mir ein Leben ohne Worte, gesprochen oder geschrieben, nicht vorstellen kann. Und immer nur mit sich selbst oder den Vöglein in den Zweigen reden? Was soll denn dabei herauskommen?

"Morgen, ihr Flatterviecher."
"Piep."
"Gut geschlafen?"
"Piep."
"Habt ihr heute Nacht auch den Lärm gehört?"
"ZWITSCHER!!!"

Ihr versteht.

Dank der magischen Eigenschaften meiner befellten Sopran-Gruppe bilde ich mir ein, aus ihrem schlecht gelaunten Raunzen und Maunzen (keins der Viecher kann tatsächlich sowas wie ein "Miau" produzieren) Meinungsäußerungen zu entnehmen. Gut, meist von der "Gib mal das Futter rüber, Alte"-Sorte. Aber dennoch.

Für richtiges Reden, stundenlang, und mit einer Kanne Tee zwischen den Kontrahenten, sowie einigen gut gefüllten Aschenbechern auf dem Tisch und einem verheißungsvollen Auflauf im Ofen, braucht Frau Eremitin jemanden zum Reden. Und da man das ja angeblich mit Männern nicht kann, braucht man dazu ein weibliches Gegenüber.

Warum muss das nun eine Tochter sein, und was macht die geneigte, mitlesende Eremitin, wenn sie keine hat?

Also, es muss eine Tochter sein. Freundinnen, Mütter, Tanten, Schwestern kann man einfach nicht so beeindrucken.
Söhne, Väter, Ehemänner, Brüder- s. o. Nach allem, was durch die "Frauenbuchreihen" der populären Verlage geistert, mögen die nicht nur nicht mitquatschen, sie können auch angeblich keine Datenverarbeitung in der gebotenen Gigabit-Menge pro Zeiteinheit durchführen. Dafür reicht, so sagt Frau, die Busbreite nicht aus. Das sage nicht ich, ich zitiere nur! Kein Breitband-Laber-Anschluss für die Herren, meine Herren!

Also, nur mal zur Erinnerung, das Setting: Zwei Frauen mit dem gebotenen Generationen-Altersunterschied (plusminus 5 Jahre), ähnlichen Überzeugungen (nicht gleich, das ist zu langweilig), einer Teekanne mit Anschluss an eine 100°-C-Druckwasserleitung und eine 200 g Dose Tabak, sowie der ein oder anderen Tafel Schokolade, damit während des Wartens auf den Auflauf die gute Stimmung nicht allzusehr absackt. Für Leute, deren Redelust auch unter dem Einfluss von Winzererzeugnissen nicht nachlässt, darf auch ein Fässchen Rotwein her.
Dazu gehört vorzugsweise eine Küche. Bzw. ein Küchentisch, nicht ganz so helle Beleuchtung und bequeme Sitzmöbel. Tisch und Lampe dürfen gern von diesem skandinavischen Möbelhaus sein, auf deren Stühlen man nicht sitzen kann.
Ein paar Katzen runden das Dekor ab, sind aber nicht obligatorisch.
Nun denn, the game is afoot, um mal Conan Doyle zu zitieren: Es kann also losgehen.
Und bevor noch die Morgendämmerung ihre rosenfingrigen Aktivitäten auf dem Garagenhof startet, kann frau sich sicher sein, dass
a) die Probleme der Welt, wenn auch nicht unbedingt gelöst, so zumindest sämtlich angesprochen wurden;
b) man gegen drei Uhr morgens die Teesorte wechseln musste;
c) jeder Entschluss, mit dem Rauchen aufzuhören, in weite Ferne gerückt ist;
d) wirklich kein Mann, den beide kennen, nicht erwähnt wurde;
und
e) sowohl diese Männer, als auch einige nur einer der Beteiligten bekannte Exemplare einer gründlichen Untersuchung in Bezug auf ihre Eignung oder Nichteignung für verschiedene Zwecke unterworfen wurden.

Das ist das, was man unter einem gelungenen Abend versteht.

Natürlich ist für die Themenwahl und auch die zu konsumierenden Getränke, mögen sie heiß oder kalt sein, die Tochtereigenschaft nicht zwingend. Diese fügt zu dem ohnehin erfolgreichen Rezept die eine, entscheidende Zutat hinzu: Das Element der gegenseitigen Bewunderung.

Die Jüngere lauscht atemlos den Beschreibungen der Älteren, wie das Leben in grauer Vorzeit war, die Ältere bewundert die Jüngere für ihr erreichtes Niveau an politischem Bewusstsein und Selbsterkenntnis, sowie ihre beziehungstechnische Reife.
Kurz und gut: Beide haben was davon.
Was haben Eremitinnen, außer einem immer lauter werdenden Rauschen in den Ohren? Ihre Ruhe? Nicht wirklich. Wer je früh um fünf von brüllenden Amseln geweckt wurde, weiß, wovon ich rede.

Also, Eremitin sein ist nicht der Burner, ihr Lieben.


Wie immer im Leben kommt jetzt aber das große Aber. Der Einwand schlechthin.
In wie vielen Familien, in wie vielen Mütter/Töchter-Beziehungen hat es solche Nächte schon gegeben? Welche Mutter ist in der Lage, ihre Tochter für ihre Lebensführung zu bewundern? Welche Tochter lässt sich bei dem einen oder anderen Liter Rotwein von ihrer Mutter Schwänke aus deren Jugend erzählen?

Das ist einfach zu selten, meine Damen.

Dafür ist vermutlich viel zuviel Geschichte zwischen den beiden Beteiligten passiert. Gemeinsame Geschichte, mit allem Potenzial, solche Abende unmöglich zu machen.

Vielleicht war das früher mal anders, als man sich gemeinsam bei Kerzenlicht die Augen über dem Strickzeug verdorben hat, aber ich fürchte eher, dass das in den Bereich Grimm'scher Märchen zu verweisen ist. Idyllisch, aber trotzdem gelogen.

Außerdem: Was macht frau, wenn sie drei Söhne hat, aber keine Tochter? Oder keine Kinder?

Es müssen also Ersatztöchter und Aushilfsmütter her.

Dringend.


Edit
um hinzuzufügen:
Es gab Eremitinnen. Und es gibt sie. Googelt selbst.

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