Donnerstag, 14. Oktober 2010

Abgründe!


Keilrahmenspannholzkeilchen hat jeder schon mal gesehen, der jemals einen Keilrahmen irgendwo gekauft hat. Sie sind zu acht Stück in einem kleinen Ziploc-Tütchen an den Rahmen getackert, von hinten. Durch das Getacker sind die schönen Ziploc-Tütchen nicht weiter verwendbar, was mein geiziges kleines schwarzes Herz nicht entzückt.
Sie sehen aus wie ein flaches Rechteck aus Holz, dem jemand die eine Ecke schräg abgesägt hat.
Keilrahmenspannholzkeilchenhersteller in aller Welt müssen sich bemühen, jemanden zu finden, der sach- und fachgerecht die Keilrahmenspannholzkeilchenecken absägen kann, sonst ist das Keilrahmenspannholzkeilchen nicht einmal mehr zu dem Zweck nützlich, zu dem es in kleinen Ziploc-Tütchen dem Keilrahmen beigelegt wird. Dem unschuldigen, erstmaligen Erwerber eines Keilrahmens ist ohnehin in der Regel schleierhaft, welches dieser Zweck sein könnte. Befragt man zum Behuf des Sich-Belehren-Lassens einen versierten Häufig-Keilrahmenerwerber, so wird dieser, je nach Naturell und Stadium, entweder zu einem längeren Monolog ansetzen, nur kurz „Spannen!“ brummen oder aber in haltloses Gelächter ausbrechen.
Im letzteren Fall empfehle ich, das Weite zu suchen, da erfahrungsgemäß dieses Gelächter erst abklingt, wenn sich Männer in weißen Kitteln nähern, die unter Vorlage eines richterlichen Entscheids den Lachenden fürsorglich zwischen sich abführen.
Diese Variante stellt lediglich die Endstufe eines Krankheitsbildes dar, welches sich in die folgenden Stadien einteilen lässt:

a) Freundliche Neugier. Besonders häufig anzutreffen bei Erstkäufern, die über einen gewissen Spiel- und Entdecker-Trieb verfügen. Diese fragen vielleicht noch nach, was man mit diesen Holzdingern machen soll, lassen sich aber nicht davon beirren, die Antwort „Spannen!“ zu bekommen. Vielmehr findet ihr verspieltes Wesen Anlass genug, über alternative Verwendungen dieser Stücke nachzudenken. „Natur-Tangram spielen“, ist einer der Einfälle, die beinahe mit 100-prozentiger Sicherheit über die Beobachter hereinbrechen. Des weiteren hört man auch „Parkettselbstbastelbausatz“, „ Wegwerfspachtel“, oder aber Schwärmereien über Materialcollagen.

b) Ignorantes Ignorieren. Der Befallene rupft die Tütchen vom Keilrahmen und lässt den lieben Gott einen guten Mann sein. Nach dem Abrupfen wird der Abrupfer die Keilrahmenspannholzkeilchen in ihrer Keilrahmenspannholzkeilchenziploc-Tüte in einen Behälter werfen. In einen ihr-wisst-schon-Keil-undsoweiter-Behälter.
Davon werden sich mit der Zeit einige ansammeln, zunächst in Form von flachen Hügeln, später dann, wenn die Aufnahmekapazität des Keilrahmenundsoweiter-Behälters erschöpft ist, häufen sich zuerst kleinere, dann größere Berge an. In diesem Stadium kann von ignorantem Ignorieren nicht mehr die Rede sein!

c) Ehrgeiz. Der Keilrahmenkäufer, konfrontiert mit dem doppelten Dilemma der überschrittenen Kapazität seiner Keilrahmenspannholzkeilchenaufbewahrungsmöglichkeit und der zunehmenden, weiteren Zufuhr an K. (natürlich nur, sofern er bis dato nicht das Malen aufgegeben und, zum Beispiel, das Puzzeln begonnen hat), denkt erstmalig über die tatsächlichen Verwendungsmöglichkeiten der K. nach.
Sei es, dass er im Grunde bereits ein etwas grüner Geselle ist, sei es, dass ihn die zunehmend engeren Wohnbedingungen zu derartigen Spielchen treiben- er ist es leid, vollkommen nutzlose Tütchen mit jeweils acht Keilrahmenspannholzkeilchen in ihren Ziplocs vom Rahmen zu reißen und eine Deponie damit anzulegen, nur um sie später weg zu werfen oder in allen möglichen Taschen, Körben oder Malutensiliensammelstellen wieder zu finden.
Der Käufer beginnt, sich Gedanken darüber zu machen, wieviel Bäume für die Produktion der Keilrahmenspannholzkeilchen ihr arboretisches Leben ließen, und fragt sich, ob er diesen weltweiten Ausverkauf von Biomasse für die Produktion derart bedeutungsloser Zubehörteile weiter tolerieren kann. Kurze Zeit später dann berichtet die Aktuelle Stunde über den verrückten Maler aus G., der es sich zum Lebensziel gemacht hat, aus Keilrahmenspannholzkeilchen unter Zuhilfenahme von Klebstoff eine Skulptur gegen die Verschwendung von unschuldigem Holz zu erstellen.
Zermürbt und süchtig von Klebstoff, wird der Ehrgeizige nach Ablauf aller Einspruchsfristen in eine geschlossene Psychiatrie eingewiesen. Zum Zwecke der diesbezüglichen Unterbringung wird es eines Morgens an seiner Tür klingeln. Nachdem sich der Ehrgeizige seine taumelnde Bahn durch Berge kleiner Ziploc-Tütchen mit ihr-wisst-schon-was-drin gebahnt und dem vermeintlichen Boten des Malbedarfgroßhändlers die Tür geöffnet hat, werden freundliche junge Männer in sauberen weißen Kitteln ihn in eine beruhigende Zwangsjacke verpacken und unter beruhigendem Auf-ihn-ein-Reden in einem beruhigend unauffälligen Lieferwagen parken. Kopfschüttelnd werden diese jungen Männer in ihrer Mittagspause den Kollegen von der Wohnung berichten, in der es nach Klebstoffen stank, und in der überall kleine Holzstückchen herumlagen.

Nachdem im obigen Falle die Volkswirtschaft des betreffenden Bundeslandes bereits ordentlich strapaziert und die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen an ihrem Limit angekommen waren, musste die Krankenversicherung des Ehrgeizigen kurz nach Aufnahme des Patienten in der geschlossenen Psychiatrie ihren Konkurs erklären.
Der Malbedarfsgroßhandel, schwer ächzend unter den Bedingungen eines angespannten Marktes, geriet ins Trudeln und in der Folge in die Pleite, weil der Ehrgeizige seine Rechnung nicht mehr zahlen konnte.
Die Banken, die bis dato in der Hoffnung auf die fortgesetzte Produktion von Keilrahmenspannholzkeilen die holzverarbeitende Industrie gestützt und mit immer neuen Krediten die Beschaffung von Ziploc-Tütchen erst ermöglicht hatten, wurden innerhalb kürzester Zeit in diesen Abwärts-Strudel hineingezogen.
Mit ihnen fiel der Minister für die Bankenaufsicht, und der für die Regulierung der Erzeugnisse der petrochemischen Industrie zuständige Innenminister der Landesregierung musste seinen Rücktritt erklären.
Der in Folge vom Bund entsandte Kommissar für die Verwaltung des Landes geriet unter den Verdacht der Korruption, nachdem er an der Theke seiner Stammkneipe mit einem örtlichen Waldbesitzer angetroffen worden war und wählte angesichts der Schande den Freitod, indem er sich ertränkte. Dass seine Leiche recht schnell gefunden wurde, lag an den zwanzig kleinen Ziploc-Tütchen mit Keilrahmenspannholzkeilchen, die in seiner Westentasche steckten.

Schönen Tag zusammen!

Lily

6 Kommentare:

Svenja-and-the-City hat gesagt…

Liebe Lily, ich habe nicht den blassesten Schimmer, wofür man diese Biester braucht. Ich vermute, um Leinwände auf Staffeleien zu spannen? Falls man gerade mal ein Ölgemälde pinseln will? Keine Ahnung...
Mir fehlt eindeutig ein Foto zum Glück.

Schmitt´s hat gesagt…

Was diese kleinen doofen Dinger doch alles auslösen können... irre!
Ich muss gestehen: ich verwende sie nur, wenn ich gerade nix besseres zu tun habe. Dann stopfe ich sie in den entsprechenden Schlitz und frage mich, warum ich das mache, weil ich keinen Unterschied zu vorher bemerke.

Oft aber rupfe ich das Ziploc-Tütchen einfach ab und werfe es samt der Holzdinger in den Müll. Das Tütchen kann man eh nicht mehr verwenden und meist ärgere ich mich nur über die Tackernadel, die in 8 von 10 Fällen im Holz des Keilrahmens stecken bleibt.
Nein, man sieht sie nach dem Aufhängen nicht, aber meine Ästhetik macht das nicht mit, also muss ich die Nadel noch rausknibbeln!

In Zukunft werde ich diese Keilholzrahmenholzteile aber ordnungsgemäß verwenden. Ich möchte nicht schuld an Wirtschaftskrise und verstärkten Suiziden sein..!

Lily hat gesagt…

Also, um das ein bisschen klarer zu gestalten, hab ich einen Link eingefügt zum Thema Keilrahmen. Die Hölzchen, die dabei sind, braucht man eigentlich nur für den Fall, dass die Leinwand mal nachleiert, oder wenn man den Keilrahmen selbst herstellt, da kann in der Regel nicht genug Zug auf die Leinwand gelegt werden, so dass das ganze Bild n bissken wackelig ist. Aber meist braucht man die Dinger echt nicht.

Georg hat gesagt…

Verschenken an jemanden der einen Kaminofen oder dergleichen hat. So können sie der energetischen Verwertung zugeführt werden und nutzen noch etwas... oder so. Die Ziploc heissen bei uns übrigens SVPT... ;-)
Und jetzt dürfen alle, ausser Svenja, mal raten was das bedeutet.

Frau Vau hat gesagt…

*applaus!*

Meise hat gesagt…

Genial!