Sonntag, 3. Juli 2011

Wie sich die Zeiten ändern...

...und erst wollte ich ergänzen: Und sich die Bilder gleichen.
Das wäre übertrieben, um nicht zu sagen falsch. Vorgestern ist mir hier beim Sachensortieren ein altes Foto in die Hände gefallen. Es ist dezent unterbelichtet (das kann man heute ändern, ätschbätsch), hatte einen kräftigen Rotstich, und leidet zudem unter 80gerjahre-Geschmacklosigkeit, was Bepflanzung angeht, aber seht selbst:


Fig. 1: Porträt der Autorin als junger Frau. 

Wie man (wenn man mich kennt) weiß, handelt es sich um ein Foto von mir mit meinem Sohn, circa Sommer 1981. Da bin ich achtzehn Jahre alt, und sehe aus, als hätte ich eine Puppe auf dem Schoß. Trotz meiner damaligen Überzeugung wird allerdings niemand über die Schwelle meines Elternhauses treten, und diesen Knaben als den seinen einfordern. Auch sein Vater nicht, aber das ist eine andere Geschichte.
Dies Foto wurde gemacht, als ich noch dazu neigte, meine Nachmittage im Kreise der Familie im Garten zu verbringen. Das, was man gemeinhin als pubertätsbedingte Revolte gegen Eltern bezeichnet, war zum damaligen Zeitpunkt eher im Geheimen geschehen, geheim bis auf die Tatsache, dass da nun ein Kind war. Die offenere Revolte fand in etwa vom 5. bis zum 9. November des gleichen Jahres statt. Naja, nicht wirklich, aber das gibt eine Idee von den eher beengten Räumen, von denen fortan die Rede war, wenn es um meine, also um die Lily-Selbst-Zeit, ging.

Die beste Therapeutin von allen hat diese Zeit (also zwischen Schulabschluss und bevor das Leben mit Verantwortlichkeiten für Andere beginnt) mal "Mädchenzeit" genannt, und meinte damit, dass dies die Zeit sei, in der Frau lernt, sich selbst einzuschätzen, ihre Stärken zu erkennen und ihre Schwächen ebenso, Vorlieben und Lebensstil zu entwickeln und ihre Position im Leben zu finden und auszubauen. Liebe männliche Leser: An sich bin ich nicht so diskriminativ (das ist ganz bestimmt ein Wort, ja wirklich), aber Sozialisation junger Männer läuft auch heute noch etwas anders ab als die junger Frauen.
Heute weiß ich, dass das Dilemma der knappen Zeit für mich begann, als die Verantwortung für Andere sich mit der Schulzeit um zwei Jahre überschnitt.

Frau (und darin sind Männer wohl ähnlich) entwickelt in dieser Zeit auch die Fähigkeit, für sich selbst zu kämpfen und für ihre Überzeugungen. So richtig offen zu kämpfen hab ich nicht gelernt. Die Leute, die mich im Alltag treffen, sind oft der Meinung, dass man mir das aber nicht anmerke- und inzwischen bin ich nicht mehr davon überzeugt, dass das nicht stimmt. Denn ich stelle mir die Frage, ob nicht die meisten Menschen eher diplomatisch sind, wenn es um die Äußerung ihrer Interessen geht (ob sie jeden Scheiß mit machen ist wieder eine ganz andere Sache).

Die grundsätzliche Diskrepanz zwischen dem, was ich will, und dem, was ich fordere, ist für mein Empfinden immer noch groß, aber inzwischen weiß ich, dass die Umwelt mitkriegt, wenn ich was eigentlich nicht will. Oft ist meiner Umgebung das sogar klarer als mir. Heute ist es selten, dass ich murrend und knurrend durch meine Wohnung laufe und innerlich koche, weil ich a) freundlicher oder b) kooperativer war, als ich sein möchte. Aber früher, im Zeitalter der exklusiven Zweierbeziehungen, war das unglaublich oft der Fall, und mindestens einmal am Tag hab ich in Adrenalin gebadet.
Meist ohne was zu sagen, was a) natürlich unfair ist, b) mir nicht dabei half, meinen Wunsch zu formulieren oder was zu tun, damit ich ihn erfüllt bekam, und c) sensibleren Gestalten ziemlichen Druck gemacht haben muss.
Ihr seht also, hinter der scheinbar friedlichen Fassade der jungen Frau da oben sind Abgründe vorhanden :-)
Mein Eigenbild muss, was das betrifft, mal wieder zur Wartung.

Diese quasi ausgefallene Zeit des Erwachsenwerdens hat aber, wie ich vermute, noch weitere Auswirkungen, alles in allem. Ich frage mich zum Beispiel, ob es denkbar ist, dass alle die Dinge, mit deren Erledigung ich so meine geregelten Probleme habe, nicht Erwachsenensachen sind, mit denen ich nicht "belästigt" werden möchte. Also Dinge, deren Sinn und Notwendigkeit ich sehr wohl erkennen kann (als ein erwachsenen Bewohner meiner inneren WG), denen die 15jährige Lily aber nur zu gern den Stinkefinger zeigt.
Leider fehlt mir bis heute ein schlüssiges Konzept, wie ich mich da kooperativ verhalten kann, also sinnentsprechend und erwachsen, ohne mich zu den Dingen prügeln zu müssen (oder sie einfach so lang zu ignorieren, bis sie absolut und unleugbar anzufassen sind- dann aber natürlich mit sehr viel mehr Arbeit oder Ärger verbunden, als wenn ich sie sofort oder zu einem sinnvollen Zeitpunkt in Angriff genommen hätte).

Wie geht ihr mit solchen Situationen um, oder habt ihr sie gar nicht? Das Geschirr, das auf der Spüle steht und um das Einräumen in die Maschine nur so bettelt, die Fenster, die im Hochsommer das Einschalten des Lichts erfordern, verpasste Fristen, ignorierte Steuerangelegenheiten und, und, und.

Schönen Sonntag zusammen,

dieLily

7 Kommentare:

Paula hat gesagt…

Man kann mit meinem Browser plötzlich keine Bilder in Deinem Blog mehr sehen, nur Platzhalter (Mozilla Firefox auf Windows 7). Hä??

Frau Vau hat gesagt…

Wenn du sehen könntest, was hier grade los ist.. mir geht es ganz genauso. Für die Steuer kam schon die Mahnung, die Wäsche muss abgehängt werden und noch so viel erledigt werden, stattdessen sitze ich hier am Rechner und versuche mich so wenig wie möglich zu bewegen. Manchmal spiele ich ein Spiel, das heißt "Hausfrau", das klappt ab und zu ganz gut, jetzt gerade aber nicht.
Das Foto gefällt mir, du siehst wirklich sehr jung aus, vielleicht spielst du da ja gerade das Spiel "Erwachsen". Du hast dich durchgekämpft, dich deinen Problemen gestellt, deinen Sohn alleine großgezogen, das bewundere ich sehr. Und das reicht doch, oder? Ich hab mich damit abgefunden, dass ich eben nicht so bin wie andere und schon gar nicht so wie andere mich haben wollen. Wen das Geschirr auf der Spüma stört, der solls halt einräumen. Aber ganz befreien von den Konventionen kann man sich glaube ich nie ganz. Sollte man aber. Zumindest solange, wie das Chaos (?) keine pathologischen Messiezüge annnimmt.
Ich wünsch dir einen schönen Sonntag, lass das Geschirr stehen und schnapp dir lieber die Kamera.

Paula hat gesagt…

Jetzt geht es wieder.
Ein Kind mit einem Kind auf dem Schoß, Du siehst so niedlich aus mit Deinem Sohnemann, wie seine ältere Schwester...
In Deinen Vermutungen liegen bestimmt die Antworten, warum, wieso...
Nicht Aufräumen und Hausaufgaben nicht machen waren auch bei mir Anti-Erwachsenen-Protest. Das Leben hat mich gelehrt, wenn Du dies nicht machst, passiert das, und es ist viel passiert, was mit regelmäßiger "Hausaufgabenerledigung" nicht geschehen wäre. Meine halbes Leben besteht darin, die liegengelassenen Dinge doch noch zu erledigen und das Ruder herum zu reißen, mit gutem Zureden meiner Selbst. Der innere - wohlwollende - Dialog hilft sehr, prügeln hilft da nichts, im Gegenteil.

Und wenn es mir körperlich nicht gut geht, das Frühstück ausgefallen ist, ich genug Bewegung vernachlässigt habe etc. fängt alles von vorne an. Wenn die Routine stimmt, Frühstück, dann abwaschen, dann Frühstücksbrote machen und mitnehmen.

In meine Wohnung sieht es genauso aus, wie es mir geht. Im Moment geht's, nur ein riesiger Wäschehaufen auf dem Bügelbrett von ca. 6 Maschinen und eine unerledigte Vorsteuererklärung.

Dranbleiben....weitermachen und viele schöne Pausen einlegen.

Schönen Sonntag!
P.

Tina hat gesagt…

sehr hübsch sahst du aus :).

Also ich erledige sowas auch nicht sofort, halt irgendwann. Das Geschirr von den Vortagen wasch ich meist ab, wenn ich koche, also eh da stehe und warten muß. Meine Steuererklärung da hab ich gerade die Abgabefrist verlängert, mach ich dann meist, wenn ich ein Problem hab und mir total die Decke auf den Kopf fällt und ich das Gefühl hab, ich muss jetzt was schaffen. Gerade bin ich mit den Bewerbungen am Kämpfen, denn das muß...

Ich hab aber meist kein schlechtes Gewissen deswegen, ich sehe das als eine Art Prioritäten setzen. Ist halt mein eigener Massstab, was mir wichtig ist und was nicht. Und meist ist mir z.B. Badminton spielen oder baden gehen wichtiger.

Es ist aber auch nicht so, dass es immer liegen bleibt und ich hier versacke, ich mach öfter was, wozu ich keine Lust hab, aber scheibchenweise, abwechselnd mit schönen Sachen, wenn es denn gerade mal zwischendurch so passt.

LG Tina

Lexi hat gesagt…

Ein unglaublich hübsches junges Mädchen, welches schon in diesem Alter eine absolut große Verantwortung tragen musste...Schappo!

Lass' dich doch nicht von den täglichen Wahnsinn kaputt machen. Manchmal bleibt eben das ein oder andere mal liegen, na und?

Eines ist sicher - Arbeit und Verantwotung laufen nicht weg.
Ich finde, dass man selbstverständlich seinen Verpflichtungen nachkommen sollte, aber manchmal ist man eben auch nur Mensch.

Genieße deinen Sonntag!
Liebe Grüße

Paula hat gesagt…

Wäschehaufen bis auf zwei Maschinen geschrumpft, Vorsteuererklärung geschafft, muss nur noch ausgefüllt und abgeschickt werden, und es ist schon wieder Mittwoch.

Alles dauert immer doppelt so lange wie geplant, bei mir jedenfalls, seufz!

Schönen Mittwoch!

Anna Lühse hat gesagt…

Den Begriff "Mädchenzeit" finde ich toll, da muß ich noch etwas drüber nachdenken.
Wenn ich wichtige Dinge nicht erledigen kann, weil die Motivation fehlt, gibt es bei mir meist etwas, das noch wichtiger ist und zuerst erledigt werden muß. Ich versuche dann in meinem Unterbewußtsein zu kramen, um herauszufinden, was dieses wichtigere ist.
Oder es ist zuviel, das sich angestaut hat. Dann hilft es, alle Aufgaben aufzuschreiben und nach Prioritäten und Machbarkeit zu ordnen - und in der so gefundenen Reihenfolge abzuarbeiten.