Sonntag, 24. Februar 2008

Wake me up, when September ends

Good morning, Ladies and Gentleman,


back on stage again.

Die Einquartierung ist beendet, das Objekt der Sorge wieder in seinen eigenen Haushalt zurückgekehrt.

Es waren interessante 14 Tage.

Wer bis dato mitgelesen hat, kennt ein bisschen was von meiner Biografie, und weiß, dass ich relativ früh Mutter geworden bin.

Nee, Moment, das ist falsch- ich hab ein Kind bekommen. Das mit dem Mutter werden ist was vollkommen anderes.

Das krieje mer später.

Mein Sohn hat eine chronische Krankheit, nämlich Epilepsie.

In keiner wirklich schweren Ausprägung, aber er hat sie.

Auch in nicht schwerer Ausprägung schränkt ihn das ein. Bis vor einiger Zeit hat er zur Behandlung dieser Erkrankung ein Medikament bekommen, dass ihn weitgehend anfallsfrei ließ, wenn es auch gravierende Nebenwirkungen hatte. Auch die Erkrankung selbst fordert eine gewisse Compliance, die vor allen Dingen bei jungen Leuten erhebliche Schwierigkeiten bedeutet.

Neben den Medikamenten, deren Hauptfolgeerscheinung eine schwer zu überwindende Trägheit und Müdigkeit ist, sollte er ein geregeltes Leben führen, immer zur gleichen Zeit ins Bett gehen, pünktlich aufstehen, keinen Alkohol trinken, und Lichtreize meiden, wie zum Beispiel Stroboskoplampen in Discos, flackernde Monitore, den Flackereffekt von Bäumen neben der Straße bei tief stehender Sonne.

Echt prima, wenn man sowas verkündet bekommt, wenn man 16 ist.

Noch viel besser, wenn die eigene Mutter glaubt, man hätte das gefressen und gut ist.

Als erstes kriegte er damals einen 100-Hertz-Monitor, etwas später einen tft-Bildschirm, alles andere sollte sich sozusagen von selbst einrenken.

Von Zeit zu Zeit, in weiten Abständen, gab es einen Anfall, so ungefähr einmal in 2 Jahren. Nie in gefährlichen Zusammenhängen, also meist zu Hause, meist am Rechner (aufgrund von Übermüdung), denn er ist ein Sohn seiner Mutter, und in Bezug auf Computer steht „heavy user“ in seiner Bedienungsanleitung.

Meist stellte sich dann heraus, dass er nachgelassen hatte bei der Einnahme seiner Medikamente.

Es hätte mich stutzig machen müssen, und die einzige Entschuldigung für mich ist, dass ich das Wesen und die Auswirkungen chronischer Erkrankungen auch nicht so richtig begriffen hatte. Auch nicht, als sich herausstellte, dass mein Diabetes meinetwegen ab und zu aus dem Ruder läuft, denn wer denkt schon gern über eigene Anteile an unangenehmen Dingen nach.

Nun denn, im letzten halben Jahr ist die Anfallshäufigkeit gestiegen. Und trotz entsprechender Anregung von mir hat er offenbar keinen Doc besucht, weder seinen bisherigen hier vor Ort noch einen an seinem neuen Wohnort.

Auch die Folgeerscheinungen von Anfällen, wie Prellungen, Zungenbisse, schweren Muskelkater, stunden- bis tagelange Benommenheit haben ihn nicht dazu veranlasst.

Ich habs nicht für nötig befunden, einzugreifen- er ist erwachsen, nicht wahr?

Der letzte Anfall, vor 14 Tagen, hat dann nicht in seiner Wohnung stattgefunden, sondern auf offener Straße, und irgendjemand, ein anonymer Passant, dem ich sehr dankbar bin, hat den Notarzt gerufen, und er ist ins Krankenhaus gekommen.

Dort hat man nach 10 Jahren endlich wieder eine gründliche Diagnostik durchgeführt.

Und ihm ein anderes Präparat verordnet, das nach Angaben der Ärzte nicht mehr so müde und träge macht.

Was aber noch viel nötiger war als ein neues Medikament, war eine neue Einstellung bei mir.

Ich habe jahrelang eine Hands-off-Politik betrieben, aber mein Sohn ist kein Zootier, dessen wilden Charakter es zu erhalten gilt, sondern ein menschliches Wesen. Als solches braucht er Kontakte, und Austausch, und nicht nur Informationen.

Ich habe ihn mit nach Hause genommen, ursprünglich mit dem Vorsatz, ihn nicht eher wieder aus meinen Klauen zu lassen, bis er was gelernt hat.

Wie so oft, ist es umgekehrt gekommen, und ich hab was gelernt.

Dass wir nie miteinander geredet haben, zum Beispiel. Dass ich kaum was von ihm weiß, und dass er nichts von mir weiß. Dass wir jahrelang jeder in seiner Kemenate gehaust haben, und uns wie Schiffe im Vorüberfahren nur ab und an mal zugewinkt haben. Dass es Jahre her ist, dass ich ihn das letzte Mal habe lachen hören.

Meine Distanz zu ihm hat dazu geführt, dass er auch Distanz hat- zu sich selbst. Viel zu viel, und viel zu kritisch. Er hat die gleichen Probleme, die ich auch habe, und wen wundert das? In diesen 14 Tagen habe ich viel gelernt, viel in Frage gestellt, einige Antworten bekommen, und jemand Interessanten kennen gelernt. Endlich.


Vielen Dank an meinen Bruder, meine Schwester und meinen Ex-Mann, dafür, dass ihr da wart. Vielen Dank, Kate, für Rat und Unterstützung, Vielen Dank, Uschi.

Und an Frau Z. für das Mantra.


Talk about last chances...

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Laut Definition auf www.wellenglish.de ist mushroom: Mushroom
An innocent person shot in a street fight is a mushroom.
Bringt uns das weiter??? ;-)

LG
Kate