Samstag, 12. September 2009

10.10.1981 bis 11.09.2001

Gestern war der elfte September.
Gestern vor acht Jahren war ich mit einer Gruppe Frauen im Weseler Preußen-Museum, und mitten in der Führung klingelte mein Handy.
Mein Sohn.
Normalerweise schalte ich das Handy ab bei solchen Gelegenheiten, hatte das aber schlicht vergessen, und so ging ich dran- man weiß ja nie, ob es nicht was Ernstes ist.
Und es war was Ernstes.
Ziemlich atemlos hörte ich dem zu, was er sagte- Flugzeuge waren ins Pentagon, ins World Trade Center und (was sich später als falsch herausstellte) ins Weiße Haus gestürzt und es hatte Tote gegeben, sehr viele Tote.

Ich stand abseits von der Gruppe, beobachtet von meiner Mutter, die auch mit von der Partie war- und während ich ihm zuhörte, sprachlos und erschreckt, sah ich sie auf mich zu kommen. Wie in Zeitlupe.
Sie stand neben mir, als er aufgelegt hatte, und wusste, so wie man das vermutlich als Mutter weiß, dass irgendetwas Schlimmes passiert war.

Die Anderen, Freundinnen meiner Mutter und meiner Tante, kamen auch näher.
Die Frau vom Museum, die die Führung machte, plapperte noch eine Weile weiter und sah dann ziemlich angepisst aus der Wäsche, war ihr doch soeben ihr Publikum abhanden gekommen.
Und noch während ich versuchte, das, was ich gerade gehört hatte, weiterzugeben, rief sie quer durch die Ausstellung: „Also, das Handy schalten wir jetzt aber aus, nicht wahr?“, in einem Kindergartentantenton.
Viel hatte ich nicht zu sagen, nur das, was mir berichtet worden war, aber um mich herum standen alle diese Frauen, erheblich älter als ich (meine Mutter war die Jüngste) und alle hatten ihre Kindheit, wenn nicht ihre Jugend, unter der Gewalt des 2. Weltkriegs verlebt, allen stand die nackte Angst ins Gesicht geschrieben.

Ich hatte eigentlich nur ein Gefühl: Die Welt, so wie sie war, hatte aufgehört zu existieren.
Von jetzt an würde sich vieles, wenn nicht alles, ändern, und nicht zum Guten.

Nur Minuten später scheuchte uns die Museumsfrau weiter. Sie hatte zwar inzwischen mitbekommen, was ich zu sagen hatte, glaubte es aber einfach nicht und wollte nun das, wofür sie bezahlt wurde, zu Ende machen.
Das war mir zu blöd, und so habe ich, mit meiner Mutter, das Museum verlassen.
Draußen dann hab ich weiter telefoniert, und so setzte sich das Bild langsam zusammen, wenn es auch noch Tage dauerte, bis die Fakten halbwegs klar waren.

Meine erste Einschätzung, dass sich die Welt, so wie sie war, verändern würde, hat sich -für mich- als zutreffend herausgestellt.
Abgesehen von kleinen Unbequemlichkeiten, wie verschärften Kontrollen an den Flughäfen, haben wir alle von vielen Dingen Abschied genommen.
Dabei ist es vielleicht bei den Leuten, die in den siebziger und achtziger Jahren groß geworden sind, so wie ich, am krassesten angekommen, dieser Verlust an Liberalität, an bürgerlichen Freiheiten und Selbstverständlichkeiten- aber es ist ein großer Verlust, für uns alle.
Eine kleine Zusammenstellung der Post-11.9.-Errungenschaften gefällig?
Bundestrojaner.
Biometrische Daten in Reisepässen.
Kameraüberwachung an öffentlichen Plätzen.
Überwachung von E-Mails, Telefonaten, Briefen.
Weitergabe der Daten von Flugreisenden an Sicherheitsbehörden am anderen Ende der Welt.
Krieg, unter Beteiligung deutscher Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan.
Der (vorerst?) gestorbene „Nacktscanner

Ich kann mir heute nicht mehr vorstellen, mit 300.000 anderen Menschen zusammen in unmittelbarer Nähe der Regierungsgebäude zu demonstrieren, wie damals in Bonn gegen den Nato-Doppelbeschluss. Und das liegt nicht daran, dass es nichts mehr gibt, wogegen so viele Menschen auf die Straße gehen würden.

Ich habe den Eindruck gewonnen, dass die Toten des elften September einigen Politikern als sehr willkommener Anlass erschienen sind, ihre Vorstellungen eines gut kontrollierten Volkes in die Tat umzusetzen.

Und von Zeit zu Zeit, wenn irgendwelche bärtigen Jungs angeblich in idyllischen Häusern in deutschen Mittelgebirgen Bomben basteln, und natürlich von der Polizei geschnappt und ihrer gerechten Strafe zugeführt werden, geht mir Rilkes Kehrvers aus dem Gedicht mit dem Karussell durch den Kopf: ...und dann und wann ein weißer Elefant...

3 Kommentare:

Frau Vau hat gesagt…

Es war wohl einer dieser Momente, von denen so gut wie jeder Mensch noch weiß, wo er war und was er gerade gemacht hat (meine Tochter war krank, lag auf dem Sofa und wir haben zusammen Kika geschaut).
Momente dieser Art waren der Tod von John Lennon und auch komischerweise der Tod von Prinzessin Diana.
Zum Thema 9/11 äußere ich mich ansonsten lieber nicht.. inzwischen ist das Datum für mich zum Glück positiv besetzt.
Hab ein schönes Wochenende!

Lily hat gesagt…

Dir auch :-)

Georg hat gesagt…

Ich empfinde Persönlich immer noch diese tiefe Bestürzung. Erschreckend ist aber, wie viele Menschen freiwillig auf ihre rechte verzichten. Oder "Staatsbürger in Uniform", die glauben der zweck heilige die Mittel. Was ich so alles im Entwurfstadium zu sehen und zu hören bekomme ist kurz gesagt der Beginn der Diktatur und des Überwachungsstaates.

Ich möchte das alles nicht mehr erleben...