Donnerstag, 31. Juli 2014

Kleiner Feldversuch I und kleiner Feldversuch II

Versuchsreihe I
Hilfsbereitschaft und so.

(Das ist jetzt nicht direkt ein wissenschaftlicher Titel, aber ich hab mir Mühe gegeben.)

Dieser Versuch startet ergebnisoffen, ergo machen wir uns nicht die Arbeit, sowas wie eine These zu formulieren.

Wir fangen einfach an, indem wir zwei Tage hintereinander einen PKW der Kompaktklasse (Versuchsgolf) bis zum Rand mit Brettern voll laden und vor einem Mietshaus (Versuchsmietshaus) abstellen. Dann ordern wir eine mittelalte, moppelige und schwitzende Dame (Versuchsdame) und bitten sie, das Auto zu entladen und die enthaltenen Bretter zwanzig Meter weit in das Versuchsmietshaus zu tragen, die Tür aufzuschließen, die Bretter vor einer Tür im Hochparterre abzustellen und den nächsten Bretterstapel zu holen. Fortsetzen, bis nur noch eine 2,50 m lange Latte im Auto liegt, die noch einen Tag mitfahren darf der Dame den Todesstoß geben würde, wenn sie sie auch noch rein trüge. 


Tag eins.

Es ist schwül (27 Grad und 70 % relative Luftfeuchtigkeit), die Versuchsdame trägt eine Art Vogelnest eine hässliche Frisur  einen Haufen Haare auf dem Kopf. Sie muss aufpassen, dass die schwitzenden Moppelhändchen die etwas unhandlichen und vor allem schweren Bretter richtig zu fassen kriegen.
Mehrere Versuchsnachbarn kommen vorbei, im Verlauf der ca. 30 Minuten des Versuchsablaufs insgesamt sieben. Darunter drei Männer, einer um die Vierzig (Versuchsvierziger) und zwei knapp Dreißigjährige (Versuchsdreißiger eins und zwei). Alle drei sind durchtrainiert und kräftig.

Vier Frauen betreten in der Zeit ebenfalls das Haus. Drei davon sind auch um die dreißig, untergewichtig und ausgezehrt modisch schlank und schick gekleidet. Die vierte ist knapp fünfzig, ziemlich dürr und auf dem Weg zur Nachtschicht im Krankenhaus.
Zwei von den auftauchenden Versuchsnachbarn bleiben an der Tür stehen, schauen sich den verkehrswidrig parkenden Versuchsgolf an und  blicken kritisch. Sie winken kurz und gehen weiter.
Einer, mit seinem Auto aufs Versuchsmietshausgelände wollend, hupt, damit die Versuchsdame ihr Auto verdammt nochmal da weg stellt.
Zwei lächeln und grüßen freundlich. Zwei bieten ihre Hilfe an.

Tipp: Keine von beiden trägt ein Y-Chromosom.

Tag zwei

Es ist warm, aber auszuhalten und die Versuchsdame war beim Friseur, und trägt nicht mehr so schwer am Vogelnest. Die Bretter sind noch unhandlicher, weil die neue Ladung mit Scharnieren versehen ist und gerne weg klappt. Außerdem sind die Teile noch länger.
Wiederum parken wir den Versuchsgolf, heute etwas näher und nicht in der Einfahrt, weil ein Parkplatz vor dem Haus frei ist.
Diesmal ist die Anzahl der Versuchsnachbarn niedriger, weil es später am Tag ist, und alle Mülltüten raus- und alle Feierabendhabenden reingebracht sind.
Es kommen und gehen fünf Nachbarn, drei davon aus dem direkten Nachbarhaus.
Alle fünf weiblich, alle bieten Hilfe an.

Ist das Zufall?

Ich hab niemanden mitschleppen lassen, weil man im engen Treppenhaus sich ohnehin nur im Weg steht. Aber ich frag mich schon die ganze Zeit: Sind Frauen hilfsbereiter? Oder einfach besser erzogen? Oder haben sie schneller und richtiger erkannt, dass ich sie nicht hätte mitschleppen lassen?

Wieder ein Versuch, der mehr Fragen aufwirft als beantwortet.

Versuchsreihe II
Körperliches Geschick und Treffsicherheit. 



Die Versuchsdame ist wiederum die gleiche. Versuchsort ist die Wohnung der VD, die Versuchsgegenstände sind eine Dose Hering in Pfeffersoße und ein Lakritzbär, ehemals in Zucker gewälzt und inzwischen leicht angenagt vom Zahn der Zeit von den Katzen.
 Außerdem spielen mit: Ein Telefon, ein Bruder, ein neuer, kurzer Haarschnitt.

Szenario:
Die Versuchsdame hat soeben das letzte Brett an die letzte freie Wand gestellt und raidet den leeren Kühlschrank. Aus der Vorratsschublade nimmt sie dann eine Dose Hering in Pfeffersoße, schnappt sich Teller, Besteck und den festen Willen, in diesem Leben oder wenigstens heute Abend nicht mehr von der Couch aufzustehen und setzt sich auf dieselbe.
Dann öffnet sie die Dose, um an den heißbegehrten Inhalt derselben zu kommen.
Ihr kennt diese Dosen? Flach und ovalig und mit einem Zipp-Ring?
Dann kennt ihr auch diesen Moment, in dem nur noch ein knapper Zentimeter des vorgestanzten Deckels mit der Dose verbunden ist. Der Deckel ist soßenbedeckt, und man weiß genau, dass es spritzen wird. Natürlich könnte man die Dose an der Spüle öffnen, oder mit Schutzkleidung draußen im Garten.  Aber man ist zu faul, um noch mal aufzustehen, die Schutzkleidung zu suchen und anzuziehen und man weiß genau, dass, bis man sich umgezogen hat, die Katzen die Fischdose geleert haben und rülpsend von dannen ziehen. Man weiß auch, dass nachher eine von ihnen kotzen würde, und zwar fischig.
Man nimmt allen Mut zusammen, wackelt vorsichtig und ohne Druck mit dem Deckel, immer in der Hoffnung, dass sich die Verbindung sanft löst und eben nicht spritzt.
Dann löst sich die Verbindung, dann spritzt es.
Der Versuchsdame ins linke Ohr.
Aufgabe:
Berechnen Sie die Chancen, das absichtlich hinzukriegen.
Wieviel Jahre des Trainings bräuchte man dafür? Sieben? Zehn?
Berechnen Sie auch die Zeit, die vergehen wird, bis das Ohr (wiewohl sofort gewaschen) nicht mehr fischig duftet.

Dann rufen Sie Ihren Bruder an, und erzählen ihm, wiehernd vor Lachen, was soeben geschehen ist.
 Sie gehen telefonierend in Ihrem (meine Finger schreiben "Ohrem") Wohnzimmer auf und ab und treten plötzlich auf etwas Weiches. In einem Katzenhaushalt passiert das oft, und man nähert sich dieser unverhofften Weichheit in der Regel vorsichtig. Und misstrauisch.
Sie bücken sich und identifizieren den Gegenstand als ein antikes Lakritzbärchen. Das letzte Lakritzbärchen wurde hier gegessen, als Tiberius Kaiser in Rom war- ist also schon länger her. Sie versuchen, sich NICHT vorzustellen, wo das Lakritzbärchen die Zwischenzeit verbracht hat.
Den Gedanken, das Bärchen im Müll zu entsorgen, fasst ihr Gehirn in diesem Zustand nicht. Sie wandern weiter, telefonierend, und bücken sich ein bisschen, um das Lakritzbärchen auf die letzte Reise vom Balkon in die wilden Büsche hinter dem Haus zu schleudern (fragt mich nicht warum- ich war abgelenkt).
Etwas zielen, ausholen und werfen- und den dicken Paul treffen. Auf die Nase. Mit links. Das Geräusch war ein kurzes "Pock".

Eine Viertelstunde später saß der Paul immer noch da, den Kopf geneigt, die Ohren nach vorn geklappt, und untersuchte den Flugbären auf Katzenart mit der Pfote. Er ist mir kein bisschen böse, vermutlich hat er gar nicht mitgekriegt, dass Bären in der Regel nicht fliegen.


Demnächst hier auf Wunsch eines ungenannt bleiben wollenden Bruders:
Die Stellenbeschreibung für einen Schiffschaukel-Bremser.



Euch einen schönen Tag, voller Hilfsbereitschaft und Treffgenauigkeit. 

Ach- und was der kurze, neue Haarschnitt mit dem Fisch im Ohr zu tun hat? Ganz einfach. Bei dem Wust von Haaren, den ich noch vorgestern hatte, hätte ich mir den Fisch in die Haare geschleudert, und nie nicht mein Ohr getroffen.















4 Kommentare:

Georg hat gesagt…

Ich kann es immer noch nicht fassen. Armer Paul. 😆😱🔫😎😉

Paula hat gesagt…

Bei mir im Hausflur bieten mir weder Menschen mit X-Chromosomen noch die mit einem Y jemals Hilfe an beim Schleppen. Ich schätze ich sehe einfach zu fit und wild entschlossen aus, und dabei war ich schon oft davor, dem Nächstbesten Geld fürs Hochtragen anzubieten.

Die Helikopterkinder-Generation ist vielleicht jetzt langsam erwachsen geworden?

Paterfelis hat gesagt…

You made my day! :-D

Soviel Forschung am Stück... ;-)

Lily hat gesagt…

@Georg: Ja, aber wie man gestern sehen konnte, ist er weiterhin dasselbe liebenswert-trottelige Katzentier. Einfach zum Knutschen. Wenn er nicht so haaren würde.
@Paula: Meinst du, die glauben immer noch, Mutti regelt das schon? Kein Wunder, dass Merkel immer wieder gewählt wird...
@Paterfelis: Aber bitte, immer gerne :-) Der Beamtin Forschergeist ist unbrechbar.