Freitag, 7. November 2008

Provinz

Man kann wohl sagen, dass hierzulande tiefste Provinz herrscht. Das Ruhrgebiet hat es in den vergangenen hundert Jahren nicht nur geschafft, Provinz zu bleiben, sondern auch noch den Ruf erworben, in dieser Eigenschaft beträchtliche Staubigkeit und allgemein Schmutz angesammelt zu haben.
Und verrät seine Provinzialität damit, an jeder Ecke zwanghaft zu behaupten, dass es hier soo schön grün ist.
Ebenso damit, nicht einfach zur Tagesordnung überzugehen, sondern auch noch laufend zu behaupten, hier steppe der Trendbär. Und für auffallend einfallslose Slogans, die dies ungeschickt vorspiegeln sollen, einen Haufen Geld rauszuschmeißen.

Meine Damen und Herren:

Ich darf Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, dass hier weder unentwegt Geschichte geschrieben wird, noch hunderttausende von Leuten auf dem Weg sind, innovative Gedanken zu denken und ihnen in die Verwirklichung zu helfen.
Hier leben einfach viele Leute, teilweise, weil sie es müssen, aber auch oft genug, weil ihnen gerade das „provinzielle“ Ambiente gefällt. Man muss nicht hip sein, um sich hier wohl zu fühlen. Es reicht, wenn man einfach nur leben will. Das kann man hier ganz gut, die Städte sind noch klein genug und schon groß genug, es gibt tatsächlich sehr schöne Ecken hier und viel zu sehen. Es gibt Gegenden mit beinahe dörflicher Struktur, nur knapp neben dem, was man Großstadt nennt.

Alles nicht viel anders als in Berlin oder München- oder?

Ich glaube, Provinzialität ist ein Gefühl und wird in den Köpfen erdacht und gemacht.
Es besteht aus der Selbstzensur in den Gehirnen und aus ängstlichem Konkurrenzdenken. Aus dem Sich-Zurück-Gesetzt-Fühlen, sowie einer gewissen Verkniffenheit.

Die Ursprungsbevölkerung hier dachte nicht an so was, nicht daran, sich stets mit den Bewohnern anderer Gegenden zu messen. Die waren froh, dass sie hier ihr Auskommen hatten, eine funktionierende Sozialstruktur um sie herum, und gut war’s.
Niemand hatte den Ehrgeiz, aus dem Ruhrgebiet eine Glamour-Welt zu zaubern. Darüber hätten sich die Leute hier vor Lachen ins Hemd gemacht.

Es wird Zeit, finde ich, dass man mal wieder zu einer etwas gelasseneren Haltung zurück kehrt, was die vermeintliche oder tatsächliche Meinung „der Anderen“ betrifft, und aufhört, ständig nach dem grüneren Gras auf der anderen Seite des Zauns zu schielen.

Dann kann man das Ruhrgebiet wieder als das sehen, was es ist:
Eine Gegend zum Leben, Lieben, Wohnen, Arbeiten und Frei haben, zum Kind sein, aufwachsen und alt sein und überhaupt. Eine Gegend wie viele andere. Manches ist besser, manches schlechter als Anderswo, aber im großen und ganzen ist es gut hier.

Lily

1 Kommentar:

Falcon hat gesagt…

Mannmannmann, so schnell wie Du schreibst, komm ich ja mit dem Kommentieren gar nicht nach.
Aber in Sachen Dorf in der Großstadt kann ich Dir aus Berliner Sicht völlig zustimmen.
Wir wohnen auch nur zwanzig S-Bahnminuten vom Alexanderplatz entfernt und trotzdem ist es bei uns eher wie in einer Kleinstadt.
Viel Grün, viel Ruhe und gerne mal ein bis zwei Rehe im garten.