Montag, 2. Februar 2009

Ich kanns nicht lassen. (Vorsicht: Meinung!)

Bis vor ca. 11 Jahren war ich katholisch. Dann bin ich ausgetreten aus der Kirche, wenn auch mit Magenschmerzen. Erstens, weil ich weiß, dass meiner Familie ihre Kirchenzugehörigkeit etwas bedeutet, und dass zum Beispiel mein Vater ernsthaft um mein Seelenheil fürchtet, und zweitens, weil ich katholisch aufgewachsen bin, und Kirche schon einen Teil meines Lebens ausgemacht hat.

Ausgetreten hin oder her, eine Meinung zum Thema hab ich natürlich. Johannes Paul II hat mich teilweise bis aufs Blut gereizt, mit dieser aggressiven Marienfrömmelei und dem Mangel an Realismus und wirklicher, uninstitutioneller Menschenliebe. Mein Hauptkritikpunkt, mal abgesehen von dem eklatanten Demokratiemangel in dieser Amtskirche, ist immer die Unbarmherzigkeit des Umgangs mit menschlichen Schwächen gewesen, sowie die Besserwisserei auf sexuellem Gebiet.

Wirkliche Nächstenliebe drückt sich nicht in herablassender Missionierung, nicht in respektloser Verkennung der Lebensbedingungen der Menschen und vor allem nicht in der Einteilung der Menschheit in Katholiken und ….Andere aus.

So, und dann kam Ratzinger, und wir waren Papst.
Hurra?

Also, meinerseits eher weniger Grund zum Jubeln als je zuvor.

War Johannes Paul II ein Stein in meinem Schuh, so ist Benedikt XVI so was wie ein abgefaulter Fuß.

Der Gott der Liebe, der mir in der Kirche meiner Kindheit bekannt gemacht wurde, spricht irgendwie so gar nicht aus dem, was in den letzten Tagen alles passiert ist.

Da gibts ein grundsätzliches Dilemma, von dem ich schon oft gehört habe: Die Diskrepanz zwischen der Amtskirche, mit ihren lateinisch betitelten Bullen und Verlautbarungen, mit ex- cathedra verkündeten Lehrmeinungen und kirchenrechtlich komplizierten Nuancen auf der einen Seite.

Auf der anderen Seite findet sich Gemeindearbeit von Pastor XY, Erfahrung von Gemeinschaft, gegenseitigem Respekt und oft beachtlich großer Solidarität der Gläubigen untereinander. Sensible, vernünftige, von Realismus geprägte Geistliche, die ihre Grenzen kennen und ihre Gemeindemitglieder nach bestem Wissen und Gewissen in ihrem Leben unterstützen.

Für viele Katholiken ist Kirche trotzdem total unwichtig. Die Karteileichen zahlen vielleicht aus Trägheit oder schlechtem Gewissen ihre Steuern, und gut ist.

Dann gibt’s die, für die sie nicht unwichtig ist, deren Alltag aber die unmittelbare Gemeinde-Ebene sieht, und für die diese Ebene so bedeutsam ist, dass sie nicht wegen abgehobener, vermutlich akademischer Feinheiten etwas Wichtiges und Liebgewonnenes aufgeben wollen.

Für mein Empfinden ist aber jetzt der Moment gekommen, in dem nicht nur die Gläubigen (also die, die tatsächlich zur Kirche gehören und glauben zu wissen, was sie tun), sondern auch die Geistlichen vor Ort Farbe bekennen müssen:

Für Demokratie, für eine meinungsfreiheitliche Kirche auf dem Boden der gegenseitigen Liebe und des Respekts vor dem Anderen und gegen reaktionäres und versteinertes Arschlochtum, auf jeder Ebene dieses Gesinnungsunternehmens.

Spätestens jetzt ist ein Punkt erreicht, in dem auch der Gemeindepfarrer (und es ist bezeichnend, dass ich hier nicht „Pfarrer/in“ schreiben muss) aufstehen muss, und Posten beziehen. Und sei es nur, um zu beweisen, dass das Seelenheil der ihnen anbefohlenen Gläubigen in Gefahr ist, von erstarrtem "Amtskirch-Ismus" infiziert zu werden.

Jetzt weiter den Mund zu halten bedeutet Solidarität und schweigendes Einverständnis mit dem, was da entschieden wurde. Will das einer?

Bei aller systemimmanenten Resistenz des Kirchenlebens gegen kurzfristige und modische Erscheinungen: Es ist Zeit, dass sich was bewegt. Was muss noch alles aus Rom gesickert kommen, bis die Leute endlich aufbegehren?

Und, Herr Küng: Es mag ja sein, dass Benedikt hinter seiner Riege von Hofschranzen von all dem nichts mehr mitkriegt. Es mag sein.

Aber eine Warnung:
Von vielen Machthabern wurde schon angenommen, sie hätten, hinter ganzen Riegen von filternden Beratern verschanzt und versteckt, den Kontakt zur Realität verloren. (Ich nenne hier keine Namen, die Vergleiche will ich hier nicht einmal nahe legen.)

Als Entschuldigung ist das aber überhaupt kein Argument.

Denn in Machtpositionen trägt man auch Verantwortung, unter anderem dafür, dass man jederzeit seine Daten, Zahlen und Fakten parat hat, und dass man über die Wirkung der Entscheidungen, die man trifft, umfassend informiert ist. Wenn man das nicht mehr garantieren kann, dann, ja dann, ist man schlicht unfähig.
Und sollte gehen, zügig.


L.

Edit:

Natürlich, liebe Etosha, die Links fehlen.

Es geht um die kirchenrechtliche Rehabilitierung einiger unbelehrbar ultrakonservativer Bischöfe, die irgendwann einmal exkommuniziert wurden, sowie um die Weihe eines Menschen zum Weihbischof, der unter anderem erklärt hat, der Hurrikan Katrina sei eine Strafe Gottes für solche Dinge wie Gay Pride Parades und allgemeine Sittenlosigkeit.
Nachzulesen hier, hier und hier.
Der letzte Link enthält etwas mehr zu Hans Küng.

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Könntest du zu dem, "was da entschieden wurde", bitte auch einen Link posten, damit auch der nicht so informierte Leser weiß, welche Entscheidungen du meinst?

Lily hat gesagt…

Sorry, edit kommt:-)

Lily hat gesagt…

So, hab da was rausgekramt. Ich hoffe, das bringt Licht da hinein...

Anonym hat gesagt…

Ich fürchte, solange die alten Kardinäle der katholischen Kirche nicht allesamt weggestorben sind, wird sich da gar nichts ändern können. Zwischen 70 und 90 Jahren ist man per se nicht mehr flexibel und schaut mehr rückwärts als darüber nachzudenken, was man ändern könnte.Da müssen die Gläubigen schon Zeichen setzen und massenhaft aus der Kirche austreten.
Ich liebe ja die "verrückte" Theologie-Professorin Uta Ranke-Heinemann, die bereits ihren Lehrstuhl wegen ihrer spöttischen Kommentare zum Katholizismus verloren hat und im TV manchmal im türkisfarbenen Lederkostüm auftritt.

Anonym hat gesagt…

Mich wundert, dass erst jetzt alle Welt aufschreit. Es war doch klar, was vom neuen Papst zu erwarten war. Ich erinnere nur an das legendäre taz-Titelblatt: "Oh, mein Gott" auf komplett schwarzem Untergrund.

Anonym hat gesagt…

Danke für die Nachreichung. Ich wusste nicht, ob da noch mehr war als die Wiederbestellung von Sauriern.

Ich bin nicht katholisch, und diese Kirche samt ihrer grotesken, abstrakten Machtkonstruktion ist in meinen Augen und ein lächerlicher und reichlich überholter Verein. Wenn es tatsächlich eine Strafe Gottes gibt, dann können diese Herren sich allesamt schon mal den Hintern polstern.

Ich glaube aber, dass dieses ganze Zurückstoßen statt Vorwärtsstreben vor allem eines signalisiert: dass gewisse Menschen zurück zu ihrer alten Macht finden wollen. Wer sich daran festhält, wird damit untergehen - davon bin ich überzeugt.

Anonym hat gesagt…

Ich find nur, dass "alle sollen aus der Kirche austreten" die zwar einfachste aber auch wirkungsloseste Lösung ist! Es sind bis jetzt viele Leute aus der Kirche ausgetreten und was ist passiert? Nicht viel bis gar nix! Man mag von der Institution Kirche halten was man mag aber die Idee die dahinter steckt ist nicht grundverkehrt! (Wobei ich da die caritativen Sachen und Gemeindearbeit meine, nicht die goldbeschmückten Würdenträger) Die Durchführung ja und ich gebe Paula recht, dass sich nicht viel ändern wird wenn die Kirche so veraltet ist. Gerade deshalb find ich es sinnvoller, wenn man (sofern man was ändern möchte) das auch in Angriff nimmt. Heißt also nicht einfach austreten sondern den Arsch hoch kriegen und aktiv was machen und ändern! Da es aber heutzutage "uncool" und überholt ist an etwas zu "glauben" ohne Beweise zu haben wird sich da wohl eher nichts tun! Die Menschen brauchen den Glauben nicht mehr so wie es mal war...es hat keiner Lust was zu ändern was schade ist, weil es viele gute Sachen gibt, die man in einer Gemeinschaft machen kann! Da ist es natürlich einfacher auszutreten und zu sagen "ist alles scheiße da"...aber damit tut man auch nix sinnvolles und ändert schon mal gar nix ;-)

Lily hat gesagt…

Arsch hoch, Zähne auseinander- dass das sinnvoller ist/sein kann als Massenaustritte hab ich auch immer gedacht.
Ich fürchte nur, die Amtskirche reagiert darauf wie ein Gletscher, und überrollt einfach alles, langsam aber sicher. Der Marsch durch die Instanzen hat schon bei den 68ern nichts gebracht außer neuen Machtbesessenen. Denn so ein Gletscher häutet die, über die er sich wälzt, und wer da nicht geschunden draus hervor geht, der hat anschließend genau so ein dickes Fell wie die, die ihn übrrollt haben.
Problematisch ist auch, dass, wo immer jemand von der alten Garde,(also ein reaktionäres Arschloch) in Machtfunktionen sitzt, er so, wie die kirchlichen Hierarchien sind, locker alle Funktionen mit Menschen nach seiner Couleur besetzen kann. Ratzinger zeigt uns doch gerade, wie das geht. Die Personalentscheidungen so zu treffen zementiert Entwicklungen, die keiner auf der Straße will, sicher auf Jahre, vermutlich auf Jahrzehnte, und eventuell für ein Jahrhundert oder mehr.
Wenn es um Gemeinschaft geht, um Solidarität, um Liebe-deinen-Nächsten... dann ist niemand auf die römisch-katholische Amtskirche angewiesen. Da gibt es noch andere christliche Konfessionen, die von mehr Toleranz, Demokratie und Weltoffenheit geprägt sind.
Ich persönlich werde mich in den nächsten Wochen bei der Altkatholischen Gemeinde hier in unserer Stadt mal einfinden. Bevor jemand schreit, bitte mal bei Wikipedia nachschauen, der Name ist ein bisschen irreführend.
LG
L