Samstag, 8. März 2008

Pavor Nocturnis

Meine Oma väterlicherseits hat mir mal ein Buch geschenkt, als ich so ungefähr 8 oder 10 Jahre alt war. Es hieß „Weißt du, wieviel Sternlein stehen“ und war ungefähr - genau so.

Da gings um ein Mädchen, einzige Leibesfrucht einer sie allein erziehenden und dafür hart arbeitenden Mutter (ob „ein Kind der Sünde“ oder arme Waise entzieht sich zum Glück meiner Erinnerung), das mit einem Geigentalent gesegnet war.

Selbiges Kind unternahm eine Reise per Zug, woraufhin dieser entgleiste. Aus unerinnerlichen Gründen überlebten sowohl die Mutter als auch das hoffnungsvolle Talent, jedoch wurden sie in unterschiedlichen Krankenhäusern untergebracht und hatten sich somit verloren.

Die Mutter identifizierte die Überreste eines anderen Kindes als die ihrer Tochter, und, wen wunderts, eine oberflächliche Ähnlichkeit sowie größere Gesichtsverletzungen brachten die Mutter des anderen Kindes an das Krankenbett der verunfallten Geigenspielerin. Da diese an Gedächtnisverlust litt, musste sie wohl oder übel akzeptieren, dass da ihre eigene Mutter am Bett saß, und verließ im Fortgang der Geschichte das Krankenhaus, um mit dieser Frau weiterzuleben.

Diverse und diffuse Ver- und Entwicklungen später fanden sich die richtigen Angehörigen wieder. Zwischendurch spielte das Kind immer das einzige Stück auf ihrer Geige, an das sie sich erinnern konnte. (Jawoll, besagtes Lied, nach dem das Buch benannt wurde.)

Was mir insgesamt einige Jahre Alpträume verschaffte, überwiegend von der Zugunglück-Sorte. Aber dieses Lied jagt mir immer noch einen Schauer über den Rücken. Soviel sei verraten: Es ist wenig Angst bei diesem Schauer beteiligt.


Ein weiteres trauriges Element meiner Kindheit war Dracula, mit dessen Missetaten mich die große Schwester einer Freundin bekannt machte. Das war die Zeit, in der ich mir angewöhnte, stets die Bettdecke bis zu den Ohren hinaufzuziehen, damit eventuell nächtlich vorbeikommende Vampire ihre Zwischenmahlzeit würden woanders einnehmen müssen. Da ich mit drei Geschwistern in einem Raum schlief, war genug Auswahl da, und ich bin mir sicher, niemals gebissen worden zu sein. Wirklich! Da ich inzwischen einiges dazu gelernt habe, weiß ich, dass ich heute auch komplett unzugedeckt schlafen könnte, ohne mich in eine solche Gefahr zu begeben, denn wie jedermann bekannt ist, beißt Dracula nur junge, wollüstig geformte und aufreizend bekleidete Starlets, und keine 45 Jahre alten Singles in T-Shirts und ausgewaschenen Pyjama-Hosen. Wie mich das erleichtert.


Und dann waren da noch die Vulkane, von denen in unserer Straße einige auf einen Ausbruch warteten. Zuerst waren da nur Beulen im Asfalt, gefolgt von einem Riss, und einem verdächtigen kleinen Loch in der Mitte der jeweiligen Beule. Bevor der erste Vulkan jedoch soweit war, dass mein Notfall-Köfferchen (ein Schuhkarton mit meinen Lieblingsbüchern) zum Einsatz kommen konnte, hat mir irgendwer gesteckt, dass es sich nur um Bürgersteig zerstörende Baumwurzeln handelte.

Mist.


Es geht doch nichts über eine Kindheit in sinnlosem Schrecken.


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