Es war einmal ein kleines Wesen, das nannte jedermann nur „Brotknäppchen“. Weil es nämlich eines war, und weil jedermann es auch noch lieb hatte, ging es so fürbaß durch sein Leben.
(Wie der erfahrene und geneigte Leser hier bemerken wird: Keine Rede von albernen roten Mützchen, sentimentalen Omimis und den Gefahren, die einem unerfahrenen Brotknäppchen auf seinem Wege durch den Wald wohl auflauern wollen würden.)
Keine Mama schränkte es ein in seinem Bestreben, die Welt zu entdecken und sein Glück zu machen. Kein Vater, der Zukunftsvisionen mit brutaler Strenge den Garaus machte, in dem er einfach nur verkündete: "Fernsehstar? Du wirst Metzger, lieber Stefan, das fördert den Realitätsbezug!“
Auch hieß es nicht Stefan, was ein nicht zu unterschätzender evolutionärer Vorteil ist.
Es war einfach ein glückliches, fürbaßschreitendes Brotknäppchen.
So glücklich, dass es sich nicht durch versteckt phallische Symbole in Gestalt von Omimis großen Ohren von seinem Entdeckergeist abhalten ließ- obwohl manche Omimis wirklich entsetzlich große Ohren haben. Opapas aber auch, und das macht es nicht besser.
Eines Tages kam ein Wolf und fraß es.
So.
Das war die ganze Geschichte.
Und wie, fragt sich der Leser hier, kommen rote Mützchen ins Spiel?
Einzig durch den modernen und rücksichtslosen Imperialismus der Filmindustrie. Diese nämlich entnahm dieser rührenden, volksseelenbildend erzählten Geschichte das Brot, und verwandelte es in einen Bernd.
Das ist nicht viel besser als ein Stefan, nur anders. Aber darum geht’s hier nicht.
Und damit die gebildete Volksseele fürderhin bloß nicht bemerkte, wie sehr sie in ihrem Kulturidentität stiftenden Imaginationsvermögen verletzt wurde, erfand Walther von der Disneh-Weide im Jahr 1477 die Geschichte vom Rotkäppchen. Eine Zeitmaschine spielte dabei eine Rolle, und eine Email, sowie ein Sprachbedeutungsmeridian, aber das wollen wir hier nicht näher beleuchten.
Jawohl, und versündigte sich damit an vielen, vielen unschuldigen Kinderseelen.
Die seither nicht mehr Wein und Kuchen in ein Körbchen packen, um Omimi zu besuchen, und die zum Blümchenklauen in den Nachbargarten gehen. Womit sowohl die Nachbarn als auch die Omimis ein für alle mal als Verlierer der Geschichte darstehen. Obwohl man sich jetzt weniger Gedanken um Omimis Leber und ihren Blutzucker machen muss.
Und die Nachfahren des Herrn von der Disneh-Weide scheffeln Kohle ohne Ende mit ihrem Bernd.
So kann’s gehen.
Bedauert
Lily.
Die sich bei Steffen bedankt. Nicht bei Stefan.
3 Kommentare:
Weiterführende Literatur:
Hans Ritz, Die Geschichte vom Rotkäppchen, Muriverlag Göttingen, 10. Aufl. 1992, ISBN 3-922494-10-2.
...ganz egal, WAS du genommen hast - ich will das auch.....
;-)
schönes Wochenende!
Eine E-Mail und eine halbe Flasche trockenen Roten. Plus eine Flasche Bier.
Beides am Abend zuvor.
Enjoy:-)
Lily
Kommentar veröffentlichen