So. Für heute ist erledigt, was ich mir vorgenommen habe: Arbeit, Sport, und was gegessen hab ich auch.
Vor ungefähr einer Stunde bin ich nach Hause gekommen, überm Arm die Handtasche, die Sporttasche sowie Rock und Jacke vom letzten Posting. Hab alles erstmal verstaut, und dann den Rechner angeworfen, wie das so üblich ist chez Lily. Man will ja nichts verpassen.
Die RSS-Feeds haben mir ein neues Posting bei Mir von WouldaShouldaCoulda angegeben- da erzählt sie von Dingen, die sich geändert haben im Lauf der Zeit, und denen, die gleich geblieben sind.
Sie macht das fest an Geschirr, das sie, geraume Zeit nach einem Umzug, aus den Kisten holt und in den eigens dafür angeschafften Geschirrschrank räumt- und dabei stellt sie fest, dass es überhaupt nicht mehr zu ihrem neuen Zuhause passt.
Das hat mich ein bisschen nachdenklich gemacht. So eine Kiste hab ich auch- derzeit steht sie bei meiner Schwester im Keller herum, weil das Porzellan darin zu teuer ist, um es in einer Garage aufzubewahren.
Einen Keller habe ich nicht, und um es in meiner Wohnung irgendwo unterzubringen, fehlt es mir definitiv an Schränken- Wohnzimmerschränke kommen direkt nach Tosca und tabakbraunen Nylonstrumpfhosen auf der Liste der Dinge, die ich nicht haben will.
Dabei ist mir schon klar, dass ich auf das verzichte, was so gern und wichtig „Stauraum“ genannt wird- aber sei’s drum.
Das Porzellan ist von meiner verstorbenen Schwiegermutter gekauft worden, die einen Porzellantick hatte. Freundlicher formuliert: Sie sammelte.
Und als sie kurz nach meinem Schwiegervater starb, zogen wir damals in ihr Haus ein. Zusammen mit Schwager und Schwägerin, Hund und Kind gründeten wir sowas wie eine WG- mangels passender Worte kann man es nur so nennen.
In den Folgejahren versuchte ich (1991 war ich 28 Jahre alt) mit den Gegebenheiten zurecht zu kommen, und kann das Ergebnis nur als Scheitern bezeichnen.
Denn mit dem Riesenhaus von über 240 m², die wir bald allein bewohnten, einem Innenstadtgarten von knapp 1000 m², besagtem Hund, meinem Sohn, einem Vollzeit-Job und einem ebenfalls in Vollzeit arbeitenden Partner war ich schlicht überfordert.
Zudem herrschte dort -für meine Begriffe, und das wird im Rückblick immer mehr so- eine Atmosphäre, die man nur als bedrückend bezeichnen konnte.
Abgesehen davon, dass Möbel, Dekorationen und natürlich auch das Geschirr den Geschmack meiner Schwiegereltern zeigten, war dieses Haus unglaublich dunkel.
Dunkel vertäfelte Decken, dunkle Türen, Klinker an den (Innen)Wänden, teilweise bleiverglaste Fenster, überall Nippes, Gardinen mit Rüschen, Samtvorhänge und einfach irre Mengen von Zeug.
Geschmackvolles Zeug, super teures Zeug, eigens versicherungspflichtige Bilder, echte Teppiche, Kunstgegenstände von der Bronze bis zum Meißner Schäferduo- -aber Zeug.
Dunkelbraun gekachelte Bäder, olivgrünes Sanitärzeugs, altmessingfarbene Armaturen.
Ein Alptraum, scheint mir heute.
Damals nahm ich den Kampf auf- mit dem Zeug.
Was ich nicht wusste: Die erste Tat hätte sein müssen, das Haus und alles, was darin war, in meines zu verwandeln.
Bzw. in unseres- aber das schien damals aussichtslos, denn so bald nach dem Tod beider Eltern war meinem Partner und seinem Bruder nichts ferner als das.
Es ging ums Bewahren, ums Aufbewahren, ums Nicht-Verändern.
Da ich eine gehorsame kleine Frau war, hab ich mich dran gehalten.
Es hat mich beinahe 8 Jahre gekostet, die bleischwere, dunkel handbemalte italienische Keramik, die behauptete, eine Küchenlampe zu sein, gegen etwas auszutauschen, was nicht den Raum verdunkelte, wenn man das Licht einschaltete.
Beinahe 8 Jahre und endlose Diskussionen- denn:
Es war ja alles noch gut.
Klar. Alles. Auch die Legion von seidenen Kissen, die Berge von Trockensträußen, Bodenvasen, die Stehlampen mit polierten Messingfüßen, die bodenlangen Gardinen, die Kunst im Garten (jawoll, Skulpturen und sowas- und nicht aus dem Baumarkt. Sondern vom Künstler persönlich).
Wir hatten eine Garage mit gefliestem Boden und getäfelter Decke.
Wir hatten nicht weniger als drei Bäder und ein Gästebad, was zwar bequem war, aber alles geputzt werden musste.
Wir hatten einen Kronleuchter im Wohnzimmer, der einmal im Jahr einer Spezialreinigung bedurfte.
Mehrere Meißner Services, diverse Royal Kopenhagen, Herend nicht zu vergessen.
Ein Silber für 24 Personen, das in einem Extra-Häuschen wohnte, das wiederum an den Safe im Keller montiert war.
Safe im Keller? Ja, das war der eine. Oben stand noch einer. Mit Stromanschlüssen versehen hätten beide als Kühlschränke durchgehen können.
Ein Klavier, ein Klavier. Ein Klavier? Klar doch.
Wir hatten Böden mit Eichenparkett und solche mit Solnhofener Plattenkalk, der sanft mit Schmierseife behandelt werden wollte. Die Teppichläufer auf den Treppen und die Brücken verlangten nach einer Reinigung auf Knien. Mit Sauerkraut, damit die Farben schön rauskamen.
Eine Truhe aus dem Mittelalter enthielt die 48 (!!) Mitteldecken. Bügelpflichtig, alle.
Der antike Esstisch im Esszimmer verlangte nach angefertigten Tischdecken- wegen der Sondermaße. Ohne Decke? Dann hätte man zwar die schöne Maserung gesehen, aber er war doch recht empfindlich bei Nutzung.
Unser Schlafzimmer war 35 m² groß und enthielt meine immer noch spärliche Garderobe, sowie Cut und Abendkleider der Schwiegereltern. Sowie einen Ozelotmantel, einen Dark Nerz, teure Trenchs und Lederjacken.
Theoretisch hätte mir das gepasst - praktisch hab auch ich meine Grenzen.
Alles also voller Prunk, Pomp und Zeug. Zwei Gartenhäuser, eine Doppel- und eine Einzelgarage sowie drei große Kellerräume und ein ausgebauter Dachboden voller Gerümpel. Mein Partner fing an, den Sammlungen seiner Eltern seine eigenen hinzuzufügen (Computer aus den Anfängen- kühlschrankgroße Teile, mit Festplatten in Wok-Größe), und ich?
Ich ging mit dem Hund spazieren, kriegte meinen Haushalt nicht auf die Kette und wurde immer unerträglicher.
Als ich auszog, kurz nach der italienischen Keramik, nahm ich den Esszimmertisch mit, eins von den teuren Geschirren, und meinen Schmuck.
Ach ja, und einen kleinen Kleiderschrank, 1,50 breit, den ich immer noch habe.
Meinen Schmuck hab ich verkauft, weil ich ihn sowieso nicht trage- und ich mal Geld brauchte, zwischendurch.
Den Tisch? Den hab ich nach Jahren in mühsamster Handarbeit abgeschliffen und unter der mahagonifarbenen Beize fand sich eine Platte aus Erlenholz. Den letzten Umzug hat er nicht überlebt, weil er in der Garage nass wurde, denn die Deckenentlüftung ist kaputt und tropfte.
Das Geschirr? Steht in einer Kiste auf der Sauna meiner Schwester und wird älter.
Es ist nicht verkäuflich, und das nicht, weil ich es nicht versucht hätte.
Nach herkömmlichen Maßstäben hab ich einiges verloren durch dieses Scheitern.
Erstens, jede Menge Kram, Zeugs, Gegenstände.
Zweitens jede Menge Geld- ich hab den Zugewinnausgleich nicht durchführen lassen, von der Hälfte des Hauses, die mein Partner und ich zusammen gekauft haben.
Drittens einen ganzen Berg Naivität, sowie eine üble Mischung aus Feigheit und Opferwillen.
Das mit dem Geld tut mir manchmal leid, wenn ich mal wieder kaum über den Monat komme.
Alles andere habe ich eingetauscht gegen die Freiheit, Poster an die Wand pinnen zu können, die Freiheit, kein Silber putzen zu müssen, wenn ich es nicht will.
Meine eigenen Lampen aufhängen zu können, keine Gardinen vor den Fenstern haben zu müssen.
Eine Wohnung ohne Dinge, die sich irgendwo anstauen- und sei es nur im Stau-Raum.
Das einzige, was inzwischen noch daran erinnert, ist das Geschirr. Kann es jemand gebrauchen? Ich geb es günstig ab. Weil ich lieber aus der Flasche trinke, als mich mit so einem Kram weiter zu belasten.
Einen ballastarmen Abend euch allen,
Lily
5 Kommentare:
Au, ich seh die Inneneinrichtung recht plastisch vor mir.
Gruselig.
Die Flucht daraus ist nur zu verständlich und der Preis - nun ja, für ein befreites Leben wohl nicht zu hoch.
Da kann man Sie ja mit Fug und Recht als noch glücklicher geschieden bezeichnen als mich...grins...
Übrigens finde ich das Service gar nicht sooo häßlich - schon mal bei Ebay versucht?? (Also ich würds jetzt nicht haben wollen, aber ich bin sicher, da findet sich jemand - und besser als wegschmeißen ist das noch immer!)
Und das mit der Freiheit.. ist doch einfach klasse, oder? Nur dass wir Frauen offenbar alle gleich blöd sind wenns um das liebe Geld geht - ist doch komisch..
(Wenn das jetzt alles irgendwie kryptisch war - es ist sauspät, ich bin todmüde, mag aber nicht schlafen gehen und hab heute abend mit einer Freundin zusammen 2 Flaschen Prosecco geleert.. reicht das als Entschuldigung..?*g*)
@Falcon: Ich kriege immer noch kaum Luft, wenn ich an dieses Haus denke. Aber ich muss nicht mehr drin wohnen :-)
@Frau Vivaldi: Ich habs auf Ibäh versucht. Es ist vielleicht verkäuflich, dann aber nur in Einzelteilen, was enorm aufwändig ist. Verpackung, Versicherung... Man kriegt irgendwie nichts dafür. Alle Leute, die ich kenne, die das Zeug mögen, behaupten, dass sie zu alt sind, um sich noch mal ein neues Geschirr für 12 Leute zu kaufen.
Mal sehen, was draus wird.
Auch ich erinner mich (ungern) an meine Begegnung mit dem Spukschloss! Irgendwie wurd man sofort runtergedrückt und kam sich vor wie ein kleines Kind, vermutlich auch bezweckt von den Einrichtern. Passte einfach nicht zu dir! Sei froh und stolz, dass du mit diesem Kapitel abgeschlossen hast! Mit allem, was dran hing ;-)
Das hört sich ja richtig gruselig an! Gut dass du da raus bist! Glückwunsch! Den allerallerherzlichsten!!!
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