Dienstag, 29. April 2008

Dialekte, oder: Wie man einen Akkusativ erlegt.

Der Ruhrgebietler als solcher sagt ja „Schlawwanzuch“. Mit kurzen Vokalen. Ebenso wie „hömma“, „zamma“ und das sattsam bekannte „datt“ und „watt“.
Des weiteren wird kolportiert, dass, zum Schaden des Genitivs, oft in üppigen Konstruktionen Zuflucht gesucht wird.
Wie zum Beispiel „den Onkel Fritz sein Schrebergarten“. Was will uns der Sprecher damit sagen?
Zunächst mal, dass der Genitiv nicht nur nicht nahe liegt, sondern sich mindestens in einem anderen Sonnensystem aufhält, und sich dort offenbar recht wohl fühlt.
Er liegt am Strand, genießt die Kühle des Caipirinha-Glases in seinem schwitzigen Händchen, und schaut zu, wie auf einem blauen Planeten weit, weit weg nun auch der Dativ in die Jahre kommt.
Denn als ich zur Schule ging, galt der Satz „dem Onkel Fritz sein Schrebergarten“ noch als absoluter Fauxpas (warum regen sich die Leute über das englische „no-go“ auf, über das französische „Fauxpas“ jedoch nicht?).
An die wagemutige Weiterentwicklung „den Onkel Fritz sein wasauchimmer“ wagte noch niemand zu denken. Es hat sich halt vieles verändert in den letzten 25 Jahren…

Dem Onkel Fritz sein rattatta“ und „Der Tante Else ihr Dingsbums“ haben schon die Weihen der Tradition erhalten, fühlen sich inzwischen fast richtig an, sind sozusagen die bequeme, ausgelegene und heimelige Kuhle in der alltagssprachlichen Matratze des Ruhrgebiets.

Den Onkel Fritz sein Manta und die Tante Else ihren Tschinketschento“ sind jedoch eine Art durchgelegener Lattenrost, teilweise zerbrochen. Das tut richtig weh. Mir zumindest.

Wobei ich schon finde, dass eine Alltagssprache ihre Berechtigung hat. Auch glaube ich nicht, dass das Deutsch, welches hierzulande gesprochen wird, einfach nur schlechtes Deutsch ist- es ist ein Dialekt, wenn ich auch sagen muss, dass diese Meinung durch keine germanistische Sachkenntnis meinerseits getrübt wird.

Ich spreche diesen Dialekt selbst, flüssig und täglich, denn ich bin hier aufgewachsen. Aber das hindert mich nicht daran, die wirklichen Klopper in Bezug auf schräge Grammatik einfach mal zu unterlassen.
Es gibt Konstrukte, die kommen mir (gesprochen) immer noch gestelzt und unnötig hochdeutsch vor, wie zum Beispiel die Nennung eines Eigennamens ohne den Artikel davor.

„Hallo Mutter, Onkel Fritz sagte, ich solle dich anrufen?“ ist sicherlich korrekt.
Aber auch wenn ich das sehr wohl weiß, ich würde es niemals so sagen.
Die gesprochene Formulierung wäre:
„Hallo Mama (jep, ich sage Mama :-) ), der Fritz hat gesagt, ich soll mal anrufen. Watt gibbet?“

Also, „Der Fritz“, und „Die Else“. Der Indikativ (ich solle/ich soll) ist da nicht richtig, ebenso wie der Gebrauch des Imperfekts anstelle des Perfekts (sagte/hat gesagt).
Das „watt“, wie es so schön be- und geschrieben wird, hat nur höchst selten wirklich zwei deutlich hörbare „t“ am Ende. Meist ist es nur ein Verschlucken des „s“, aber so abrupt, dass es auch ein „t“ sein könnte. Oder zwei.

Auch wenn die Sprache des Ruhrgebiets ein lebendiger, in Veränderung befindlicher Dialekt ist: manche Formulierungen zeigen meines Erachtens trotzdem, dass der Sprecher es einfach nicht besser kann.
Oder dass er so gleichgültig ist in Bezug auf sein primäres Mittel zur Verständigung, dass es ihm schlicht egal ist, als dumm und/oder ungebildet (prollig, sagt man hier) zu gelten.

So funktioniert Sprache. Sie dient nicht nur der Verständigung über die tatsächlich übermittelten Sachverhalte, sondern teilt noch jede Menge anderer Dinge mit.


So, und gezz gip mich ma den Schlawwanzuch rüber. Ich lech mich ma watt auffe Kautsch. Und sach die Moni, die soll mich bloß ma nich wecken bevor dat sieben is. Sonz kannse watt erlehm.

Allet kla soweit?

Have a nice day,


Lily
Ach ja: "Zamma" heißt: Zeig mal. Auf "hömma" müsst ihr selbst kommen :-)

13 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wamamma auf Schalke hattata gerechnet...

Konrad Beikircher bezeichnete den Rheinländer mal als sparsamen Menschen. Anhand des Wortes Komunion demonstrierte er das:

Der Rheinländer hat so einen kleinen Beutel in dem er die gesparten Buchstaben sammelt. So sagt er halt Kommion. Wo käm er auch hin, wenn sich mitten im Wort das halbe Gesicht nach vorne stülpen würde. Die so eingesparten Buchstaben nutzt er dann bei anderen Gelegenheiten in denen er sogar sehr barocke Züge in seinem Satzbau erkennen lässt. wie zum Beispiel:
Dem Chantal sin jürtel sin Schnall. Anstatt hier Chantals Gürtelschnalle zu erwähnen...

Aber diese Thema ist unendlich erweiterbar. Was sagt man seinem Kinde in Bezug auf korrekte Sprache wenn selbst die erzieherinnen das gröbste Rheinländisch labern...

diese windmühlen sind auch für mich zu groß...

Anonym hat gesagt…

Ich könnt mich beömmeln, ne macht das Spaß Euren Dialekt zu lesen! Bei uns würde das entprechend heißen:

Woan wiä moal bei Pauli, Mann hattas doa gereechnet! (das oa ungefähr so wie beim dänischen Arhus mit'm kleinen o oben drüber)

Schön' Tach auch!

E. aus Hambuäch

Lily hat gesagt…

"auf Schalke" vs. "bei Pauli".
Hm.
Da gewinnt die Formulierung der Kinder meiner ehemaligen Nachbarn doch an Korrektheit.
Die sagten immer:

"Ich geh bei Schulle".
Mit Doppel-L.
Gna.

Anonym hat gesagt…

Ichgeh auf´m ZAHNFLEISCH

Anonym hat gesagt…

Als ich hier neu zugezogen bin, sagte ein Kollege zu mir: " scha iies kaal Föös un muss drisse." Ich lächelte und vertand nicht eine silbe. Heute kann ich schon erkennen aus welcher Gegend des Rheinlandes einer kommt. Auch da haben sie unterschiede.

Ach ja, er sagte: Ich habe eiskalte Füsse und muss aufs Klo.

Lily hat gesagt…

Warum gehst du auf dem Zahnfleisch?
Und ich kann dem Kollegen nur zustimmen. Mir ist auch nicht warm :-)

Anonym hat gesagt…

wow, yo, dude, that is ,so, like, friggin' awesome...

Hier noch einer:

Iilaadig
zum 35 jaehrige Klassetreffe
Liebi Maidli, liebi Buebe, Alli haem'r d' 50 ueberschritte un so maenge denkt an'd Jugendzitte. 'Weisch no wiea sell war ? Nei , des is mr nuemmi ganz so klar, aba weisch no doert, wi isch des gsi?' Vo alle Side wird vozellt bim ae Glaesli Wii. 35 Joohr isch es jetzt her un des waerm'r fiere, drumm choemmet alli mitenand!
Oh, so lang ists her...

Lily hat gesagt…

Wenn man sich das gaaaanz langsam laut vorliest, kann mans verstehen :-)
Ist das allemannisch? Oder so? Hört sich nach Schweizer Grenzgebiet an.
Aber nieeedlich!

Anonym hat gesagt…

Allemannisch. Richtig!

Lily hat gesagt…

really awesome ;-)

Lily

Anonym hat gesagt…

Ich erinnere mich mit Freuden an den verdutzten Ausdruck meiner russischen Mitstudentin (die mir grammatikalisch gesehen übrigens um Lichtjahre voraus ist, ein Hoch auf die Deutschkurse! Vielleicht sollten alle Grundschüler lieber dort hin gehen??) als eine andere Freundin ihr vertraut zuraunte "Wassahassesachse"? Schön langsam und deutlich formuliert hat sie´s dann doch noch verstanden! :-)

Lily hat gesagt…

Lass mich raten:
"Wassahassesachse..."
=
"Wasser hast du, sagst du? "
Also in richtigem Deutsch:

"Habe ich dich richtig verstanden? Du hast Mineralwasser mitgebracht? "

Wassahassesachse... oh.mein.Gott.
Lily

Anonym hat gesagt…

Jau, datt passt! Und ich hoffä, morgen is Wassa da, bei dem dicken Kopp den ich haben werde...in diesem Sinne: angenehme Nacht! Aua!