Montag, 19. April 2010

Neulich, auf dem Parkplatz vor einem öffentlichen Gebäude:


Drei Etagen tiefer wird es plötzlich laut: Auf dem Hof, direkt neben einem dicken Daimler, stehen voreinander, die Hälse vorgereckt, Nase an Nase und die Faust am Kragen des Gegenübers… drei Frauen, die sich um irgendetwas streiten.

Nach ein paar Sekunden versteht man auch hier oben Bruchstücke, offenbar geht es um ein Kind, und um dessen weiteren Aufenthalt. Details sind nicht zu verstehen, zwei der drei Kontrahentinnen sind vermutlich nichtdeutscher Muttersprache, die vierte keift derartig lautstark, ordinär und obszön, dass man gar nicht verstehen will, was sie sagt. Aber, da alle miteinander deutsch reden, nein, kreischen, ist davon auszugehen, dass wenigstens eine der Beteiligten hier geboren und in einer prinzipiell deutschsprachigen Familie aufgewachsen ist.

Derweil strampelt eine ältere, erfahrene Sozialarbeiterin hoch zu Fahrrad an der Gruppe vorbei, und touchiert um ein Haar ein geparktes Auto, weil sie unbedingt schauen muss, was da geschieht.

Hups, denkt man sich, das war aber auch knapp!!

Nach einer schnellen, ausholenden Handbewegung der vermutlichen Deutschen öffnet sich die Tür zum Benz, heraus steigt eine Dame mit Kopftuch, und beginnt, leise, aber entschieden auf die Gruppe einzureden- der Körperhaltung aller nach die Mutter der zwei nichtdeutschen Frauen. Dann fällt ein scharfes Wort von der Deutschen zu den drei Anderen, und flugs hat sie eine der zwei Jüngeren am Hals gepackt.

Die hintere Tür des Autos öffnet sich, und heraus springt ein mickriger Pubertist, blass und schmalschultrig und wirft sich in die Menge, versucht, die Deutsche davon abzuhalten, Schaden anzurichten, denn diese schlägt nun wild um sich. Eine von den anderen zwei Jüngeren versucht, sie versöhnlich in den Arm zu nehmen, aber da dreht die Deutsche total durch und schreit nur noch.


Währenddessen schlendert ein weiterer Behördenmitarbeiter, ein Kerl wie ein Baum, über den Parkplatz und glotzt offenen Mundes die Gruppe an. Er verschwindet im Verwaltungsgebäude, auch er, um sich seines Daseins und seines Berufes als Sozialarbeiter zu erfreuen.

Am Rande stehen ein Gärtner und ein Hausmeister, und schauen interessiert zu.
Auch ein anderer Mann, wie man später erfährt, der Ehemann der Deutschen, steht abseits, man sieht ihn den Kopf schütteln.
Schließlich, nach einer gefühlten halben Stunde (in Wirklichkeit waren es Sekunden oder vielleicht zwei Minuten), öffnet sich wiederum die Tür des Gebäudes, und die jüngste und kleinste und auch unerfahrenste Sozialarbeiterin des Hauses geht auf die Klienten zu, Mitglieder einer miteinander verfeindeten Sippe, die sich ungeplant und zufällig auf dem Parkplatz getroffen haben. Sie wirft sich todesmutig dazwischen, und hat im Nu die Leute auseinander gefieselt, so dass sie den Teil, mit dem sie wohl verabredet war, ins Haus schleifen und den Rest erstmal in eine Auszeit schicken kann. Dieser Personen nehmen sich dann die zwei nächstkleinen Kollegen an. Da stehen also drei MitarbeiterInnen, keine/r über 1,60 groß, greifen beherzt in diese Geschichte ein, die noch drei Etagen höher bösartig aussieht, und bewahren vielleicht jemanden vor einer Anklage wegen Totschlags.

Hut ab.
Ach ja:

Ich hab auch nur oben am Fenster gestanden.

8 Kommentare:

Svenja-and-the-City hat gesagt…

Eine tolle Geschichte, die du da erlebt hast. Und letztlich zeigt sich wieder: Entschlossenheit siegt. Eine tolle Leistung von Zivilcourage, die die junge Sozialarbeiterin da gezeigt hat. Sicher hat sie sich den richtigen Beruf gewählt.
Hättest du nicht auch irgendwas aus dem Fenster brüllen können? So in der Richtung: "EY, IHR SPACKEN, VERP... geht mal weg hier!"

Lily hat gesagt…

Ach, ich fürchte, mit Verscheuchen war das nicht getan- die wären hinters Haus gezogen und hätten sich da dann vielleicht wirklich geprügelt. Am meisten tat mir der Junge leid. Der war wohl der SOhn der Deutschen, und Neffe/Halbbruder bzw. Enkel der anderen drei Frauen. Mutter hat beschlossen, dass er künftig bei seinem Vater leben soll- was die Tante und die Schwester nicht wollten, und der Mutter Vorwürfe deswegen machten, aus welchen Detailgründen auch immer. Das ist auch ein kulturelles Problem, denn die Familie des Vaters stammt aus der Türkei, und hat wohl wenig Verständnis für die Entscheidung einer Mutter, ihren Sohn gehen zu lassen bzw. abzugeben. Vielleicht wollen sie ihn auch nicht, er soll nicht sehr sympathisch um Umgang sein. Die Mutter hingegen ist, wie ich aus eigener Kenntnis weiß, etwas schwach begabt aber dafür recht aggressiv... Wie gut diese Entscheidung der Mutter durchdacht ist, inwieweit sie abgesprochen und im Konsens ergangen ist? Keine Ahnung. Jedenfalls eine Menge Zündstoff. Die junge Frau, die sich eingemischt hat, ist jedenfalls ziemlich gut in ihrem Job, und hat meine volle Hochachtung.

rebhuhn hat gesagt…

Lily, auch du hast übrigens [vielleicht nicht für diese spezielle geschichte, aber] meine volle hochachtung!! ich denke an dich. und nicht nur jetzt gerade.

Georg hat gesagt…

Ich kann die anderen gut verstehen. Warum soll man sich denn da einmischen? Da hat man schneller den kürzeren gezogen als man glaubt. Wichtiger ist es einen guten Zeugen für das geschehene zu haben.
Selbst wenn man als Uniformträger versucht so ein Knäul wütender Damen zu entwirren ist es oft nicht leicht. Wie schnell muss man da hart durchgreifen und hat das Problem der KV im Amte. Da ist es besser die Polizei zu rufen. Die werden für den Scheiß bezahlt. Sozialarbeiter nicht.
Wenn die Leute nicht alle Schweine im Rennen haben ist es sogar noch wichtiger...
Aber doch eine nette Geschichte.

Mary Malloy hat gesagt…

Ich (trotz Pädagogikstudium) bin da eher ein Feigling. Machmal liegt's auch schlichtweg daran, dass ich einfach nicht schnell genug begreife.

Britta hat gesagt…

Also - um mich in eine derart ehrenmordträchtige Situation zu mengen, hätte es mir auch an Tollkühnheit gemangelt... :-/
Vor allem, weil ja absolut nicht klar schien, wer denn nun Täter, wer Opfer ist... Vielleicht hätte ich die Cops gerufen...

Captcha: hymium! Also ehrlich... wer MACHT diese Dinger?? :)=)

Unknown hat gesagt…

Dein Schreibstil ist hervorragend!!! Das mußte ich doch mal los werden :-)

Lily hat gesagt…

@Rebhuhn: danke (ohne dass ich jetzt weiß, wie ich das verdient habe)- aber ich nehm das mal so an :D
@Georg: Als ich dann wusste, worum es ging (da war der Vorfall schon in der Obhut der Kollegen), hatte ich auch keine Bange mehr. Vorher schon... aus dem Fenster brüllen, dass ich die Polizei rufen würde, wäre gegangen, aber dazu war ich nicht schnell genug, auf meiner Fensterbank steht zuviel Beamtenporree.
@Mary: Auch ein Pädagogikstudium macht nicht ohne weiteres unverwundbar. Da muss noch ein Abschluss in Tae Kwan Do dazu :)
@Britta: Ich weiß auch nicht, wer sich die Captchas ausdenkt. Ich hab aber nie so lustige :(
@Yael. Danke dir :)