Donnerstag, 29. Juli 2010

Drei Wochen später.

Meine Zeit hier hat kein Ende, so scheint es. Morgen läuft die zweite Befristung ab, die durch die KV genehmigt wurde, eine dritte Aufenthaltsdauer von noch einmal 4 Wochen ist beantragt.
In den siebeneinhalb Wochen, seit ich hierher kam, hab ich viel gelernt, unter anderem, dass ich noch viel mehr lernen muss, um halbwegs gesund und unbeschadet in meinen neuen Alltag hineinzupassen, wie immer der auch aussehen mag.
Bis das soweit ist, wird noch viel Wasser die Gräfte hinunter geflossen sein, und ich hoffe mit allen anderen Patienten hier, dass dieses Wasser weniger mieft und stinkt als das, das sich zur Zeit in diesem Wassergraben befindet.
Pfui Spinne.
Bis das soweit ist, ein paar Bilder, sowie zwei hörenswerte Zitate:

"Heute hab ich entspannt wie verrückt!" (M.B. aus M.)
"Wenn ich ein Unterbewusstsein hätte, müsste ich das doch wissen!" (M.T. aus B.)









































So, und nu lockt das ausgesucht volle Programm der Klinik mit Tanztherapie- Hoch das Bein, zwei, drei.

Alles Liebe an Euch,

Lily

Mittwoch, 7. Juli 2010

Ich male, ergo bin ich.

Wie ihr seht, hab ich zu tun:


Einige der Collagen-Teile sind Details von anderen, wie man vielleicht sehen kann. Und ja, alle von mir- die kitschige Bauernmalerei genauso wie der Typ, dem das Gesicht vom Schädel schmilzt. Aber ich glaube, meine Berufung liegt eher auf dem abstrakten Sektor, wie zum Beispiel bei dem Sekundärfarben-Triptychon oben in der Mitte. Für das grüne rechts daneben bekommt man hier Verlängerung, und zur Begründung schicken die netten Ärzte in ihren sauberen Kitteln nur die Bilder an die Krankenkasse und voilà--- natürlich nichts dergleichen.
Aber es macht Spaß, und ich geb eine Menge Geld aus auf diese Weise, denn Ergo-Material muss selbst bezahlt werden. Aber trotzdem: Ich male. Ergo bin ich.
Schönen Restmittwoch,

dieLily

Montag, 5. Juli 2010

Notizen aus der Provinz

Nach längerem Schweigen melde ich mich heute mal wieder zu Wort- hier vergeht die Zeit wie im sprichwörtlichen Flug, und kaum ist der Montag vorbei, ist schon wieder Wochenende. Das liegt zum großen Teil an den vollen Wochenplänen, die uns gut beschäftigt halten. Montag und Freitag sind nett, da ist der Plan nicht ganz so voll, aber von Dienstag bis Donnerstag gilt „Früh anfangen, spät aufhören“, und wir haben von 7.45 bis 17.40 volles Programm, unterbrochen von einer Stunde Mittagspause. An den Abenden sitzt man hier gern draußen auf der Liegewiese, oder auf der Terrasse des Ergotherapie-Raums und redet, malt, bildhauert oder heult, ganz nach Geschmack. Ich hab schon soviel an Bräune abgekriegt wie seit Jahren nicht mehr, und rede hier auch soviel wie ebenfalls seit Jahren nicht mehr. Zwei meiner Mitpatientinnen sind mir so ans Herz gewachsen, dass ich sie als Freundinnen bezeichne- das ist was seltenes bei mir, und sie teilen sich den Titel mit nur zwei anderen Menschen. Leider ist eine von ihnen am Samstag entlassen worden, und die andere geht an diesem Wochenende nach Hause. Dann muss ich sehen, was sich hier so ergeben wird. Aber eigentlich sind alle hier nette Leute, die Krankheit verbindet irgendwie schon, und das Feeling von Klassenfahrt hat mich bisher noch nicht verlassen. Daran ändert auch die Visite nichts, die hier montags morgens durchrauscht, samt Chefarzt , Bezugstherapeutin und Oberschwester.

Da die drei jetzt gerade mein Zimmer verlassen haben, kann ich weiter berichten…

Um viertel vor Frühstück, unbeeinflusst von Kaffee und den warmen Brötchen, geht in der Kreisstadt die Fahne hoch, die da sagt: Wandertag in der Klapse. Dann marschieren wir einmal um den gegenüberliegenden See, zum großen Horror der Kanadagänse und des Fischreihers, die ihre Ruhe mehr lieben als uns.

Bisher musste ich immer hinterherrennen, weil meine chronisch gereizten Achillessehnen es einfach nicht gestattet haben, schnell zu laufen. Seit Freitag ist das anders: Da hat die Feldenkrais-Therapeutin mir mitgeteilt, dass sie meine Füße darüber informiert, dass sie auch anders laufen können. Und seither ist das Laufen so viel weniger schmerzhaft, dass ich heut morgen vor der Truppe hergerannt bin wie ein junges Reh. Ehrlich gesagt war ich so stolz, dass mir der Kaffee besonders gut geschmeckt hat. Für heute erwartet mich, nach der soeben absolvierten Visite, noch Psychotherapie-Gruppe, das Mittagessen (irgendwelche mit Bärlauch gefüllten Pasta-Hohlkörper), anschließend Entspannungsübungen, rezeptive Musiktherapie und zum Abschluss Wassergymnastik.

Irgendwann in dieser Woche habe ich eine traumatherapeutische Einzelsitzung probehalber, damit herausgefunden werden kann, ob ich stabil genug bin für eine längere Arbeit auf diesem Sektor- im Gegensatz zu einigen Mitpatienten, denen die Fakten ihres Lebens präsent sind, aber nicht die passenden Gefühle, sind bei mir ein Haufen mächtiger und negativer Gefühle vorhanden, aber keine diesen zugrunde liegenden Erlebnisse.

Morgen und Mittwoch sind die Highlights der Woche terminiert, nämlich Kunsttherapie (6 Einheiten je Woche, extrem anstrengend und fruchtbar), und nicht rezeptive Musiktherapie, bei der mich immer wieder wundert, dass eine Gruppe von Menschen auch ohne Instrumentenkenntnisse erstaunlich schöne Musik zusammen machen kann. Tanztherapie, Bewegungstherapie, Ergo und Einzelgespräche runden dann den Wocheninhalt ab. Ich hab inzwischen einige Bilder gemalt, auf die ich wirklich stolz bin, und zwei teure Specksteine auf ihre jeweilige Hälfte reduziert. Auf jeden Fall werde ich weiter malen, wenn ich zu Hause bin- das kann aber noch dauern… meine Therapeutin schätzt, dass ich Mitte bis Ende August wieder ausgewildert werden kann.

Wir werden sehen- und ich wünsche euch bis dahin, dass ihr auf euch aufpasst und einen schönen Sommertag genießen könnt- vielleicht auch zwei oder drei.

Bis bald,



sagt die Lily.