Samstag, 19. Januar 2008

Portrait of an Anarchist

Er sieht harmlos aus.
Er schmiedet Verderben und Trauer. Trauer um meinen vorletzten Dessertteller.
Wenn ich eine richtig gute Hausfrau wäre, hätte ich mich bereits drei Teller früher um Ersatz bemüht. Dann hätte dieser Teller auch nicht in der Küche herumgestanden, sondern ordnungsgemäß bei seinen (nicht ganz passenden) Geschwistern im Schrank.
So jedoch konnte er heute Nacht auf dem Küchenboden sein Leben aushauchen (der Teller).
Jetzt sitzt der Anarchist im Flur und singt von seinen Heldentaten, in seinem seltsamen, bellenden Miauen. Oder was immer das für Geräusche sind.
Seine Geschwister hocken am Fenster hier im Arbeitszimmer und versuchen, per Katzenohrenradar die Quelle für die eigenartigen Laute herauszupendeln, die von draußen hereinklingen. Es ist nämlich 5.48 Uhr, und dort brüllt ein Vogel. Mit einem lärmenden Tschiptschiptschip, und das, wo es noch dunkel ist. Außerdem vor dem Haus, was auch bedeutet: Vor meinem Schlafzimmerfenster.
Da sage noch einer, im Leben der heutigen Großstädter spiele die Natur keine Rolle mehr! Immerhin hat sie mich einmal heute Nacht um drei geweckt (gut, vielleicht war das doch eher der Teller in Zusammenarbeit mit den Fliesen) und dann noch mal vor ungefähr so langer Zeit, wie ich brauche, um
a) aufrecht zu stehen
b) die Kaffeemaschine zum Laufen zu überreden und
c) den Rechner hochzufahren und das Internetz zu entern.
Bedenkt man, dass ich erst gegen halb eins im Bett war, und für die Punkte a-c ungefähr 15 Minuten gebraucht habe, sowie gut 7 Minuten um das bisher Aufgeschriebene zu tippen, macht das. Äh.
Kann mal einer...?
Ungefähr ...5 Stunden Schlaf.
Ich versuche daher, meine tränenden und müden Augen darauf zurück zu führen, und nicht auf den Einfluss irgendeiner Creme (Fast alle Hautcremes, die ich je ausprobiert habe, kriechen irgendwann in meine Augen, und die brennen dann und tränen- das ist einfach nur doof. Am schlimmsten sind dermatologisch getestete Augencremes. Da ich fest entschlossen bin, die so teuer erworbene Wunderpatsche gut zu finden, liegts heute bestimmt an mangelndem Schlaf.)
Die arme Emily hebt gerade ihr plattes Persernäschen zu mir und maunzt um Erlaubnis, auf meinen Stuhl zu dürfen.
Irgendwie ist sie immer die Arme Emily. Obwohl sie ganz schön katzig werden kann. Oben abgebildeter Anarchist zum Beispiel kriegt von ihr regelmäßig, spontan und meist ohne eigenes Zutun eins auf die Omme. Er sitzt vor ihr, will sie gerade Nase-an-Nase begrüßen und -Dunk- hat eine hängen.
Er hat eine schwere Kindheit, nimmt dies aber eher leicht.
Kurze Zeit später begrüßt er sie dann wirklich. Von der Arbeitsfläche oder der Sofalehne aus, im freien Fall. Manchmal auch, von höheren Warten aus, eher in einer ballistisch-ambitionierten Parabel. In diesen Tagen denke ich oft an Erziehungscamps. Irgendwo in der Tundra.

Gestern habe ich wieder etwas gekauft, um meine altertümliche Rechnerausstattung ein wenig zu ergänzen. Einen Klebebandabroller. Was das mit meinem Computer zu tun hat?
Ganz einfach.
Dieser Klebefilmabroller ist, zusätzlich zu dem Klebeband, tatsächlich mit einem
Vierfach-USB-Hub ausgestattet.
Außerdem hat er eine geschmackvolle grüne Busy-LED, und einen Warnhinweis (Mind the Cutter! Vorsicht Scharf!<---Großschreibung NICHT von mir)
Ich fand das Teil bei meinem Elektronik-Provider Feinkost Plus. Und den Gedanken so schrill, dass ich es einfach kaufen musste.
Abgesehen davon, ist es mit lediglich 2 USB-Ports schwierig, ohne mühselige, Planung voraussetzende Neuverkabelung Drucker, Wlan-Antenne, Kartenleser, Webcam, PDA und mp3-Player ordnungsgemäß anzuschließen. Letztens habe ich den Rechner runtergefahren mit der Kamera-Karte im Leser, und diese dann entfernt, weil ich die Kamera brauchte. Mit dem Ergebnis, dass der Rechner beim nächsten Starten erstmal hängen blieb. Mehrmals, bis der Groschen gefallen war.
Ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist zudem, dass nunmehr der Klebefilmabroller immer an einer Stelle ist, weil er schlicht, sozusagen, angeleint (neudeutsch: Online) ist.

Außerdem, und hier bitte ich die geneigte Leserschaft, gedanklich einen anerkennenden Trommelwirbel einzufügen, hatte dieses, mit knapp 13 € bezahlbare Teil den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass ihm... das Anschlusskabel beilag. Jawoll. Der Drucker, den ich in grauer Vorzeit erwarb, hatte das bekanntlich nicht.
Und eine Rolle Klebefilm lag ebenfalls in der Packung, sowie eine Bedienungsanleitung. Diese beschränkte sich zum Glück auf den USB-Teil des Gimmicks. Obwohl- das wäre doch ein Anlass zum hämischen Bloggen gewesen: Eine Bedienungsanleitung für einen Klebefilmabroller. Von einem Automaten direkt aus dem Koreanischen übersetzt. Schade auch!

Leider müsst ihr noch weiter lesen, denn die Geschäfte haben noch nicht auf. Sonst wäre ich schon auf dem Weg in die Apotheke. Dort wartet (hoffentlich!) mein Ruin in Gestalt von diversem Pumpenzubehör auf mich. Ruin deshalb, weil das Zeug so sündhaft teuer ist... und ich leider privat krankenversichert bin. Normalerweise weiß ich das zu schätzen, nicht jedoch in der Apotheke, wo ich bar bezahlen und somit die Kosten vorstrecken muss, bis meine Krankenversicherung mir den Spaß erstattet. Einmal Insulin für sechs Wochen, 127,66 €. Einmal Pumpenkatheter für 3-4 Wochen? 135,75 €. Einmal Reservoirs für sechs Wochen, 65 €. Teststreifen für zwei Monate? 205,- €.
Erstattungsfristen der Kasse? Inzwischen 4-5 Wochen.
Und noch was: Apotheken nehmen keine Kreditkarten. Online vielleicht- aber da das gesamte Pumpenzubehör ohnehin bestellt werden muss und Lieferzeiten hat, bin ich mir nicht sicher, ob das immer pünktlich käme. Also unterstütze ich meine lokale Apotheke.
Zum Glück braucht meine neue Pumpe, mit der ich übrigens sehr zufrieden bin, nicht diese merkwürdigen Spezialbatterien, sondern kommt mit schlichten AA-(Lithium)-Batterien aus. Man glaubt kaum, wie beruhigend es ist, dass man im Notfall in jeder Tankstelle Ersatz kriegt. Mit der vorherigen Pumpe war das anders. Da kostete eins dieser Spezialdinger knappe 20 €, und hielt auch nicht länger als diese Baumarkt-Variante, die jetzt in der neuen Pumpe ist. Dafür kannten die nur drei Betriebszustände: Voll, bald nicht mehr voll (Für "bald" jeden beliebigen Zeitraum von 24 Stunden bis zu einer Woche einsetzen) und leer. Und auch für die Dinger gab es Lieferfristen. Eine Woche, knapp. Dafür kamen sie im Dreierpack, was bei organisierten Leuten sicherstellt, dass sie immer Ersatz im Haus haben. Das muss der Fairness halber erwähnt werden.
Die neue Pumpe hat einen ordnungsgemäßen Zustandsbalken, an dem ich erkennen kann: Voll, zwei Drittel voll, ein Drittel voll und leer. Den ersten Batteriewechsel hab ich nach drei Monaten vorgenommen, so lang haben auch die Batterien an der alten Pumpe gehalten. Und da stand der Balken bei der neuen auf zwei Drittel voll, mit Tendenz zu einem Drittel, wenn das Gerät gerade mal etwas kühler war, weil ich mich draußen aufhielt.
Mit der ausgewechselten Batterie läuft derzeit meine Kamera.
Da es sich nicht um Spezialbatterien handelt, werden die Kosten nicht von der Kasse ersetzt, aber das ist in Ordnung für mich. Angeblich sind die Batterien für die alte Pumpe auch nur in Zusatzmetall eingewickelte Normaldinger, mit einem Schraubdeckel und einer Dichtung versehen. Mag sein, ich hab sie nicht auseinander genommen. Der Hersteller meiner neuen Pumpe hat das anders gelöst, nämlich mit einem Extra-Schraubdeckel.
Zudem hat das neue Teil eine Menüstruktur in richtigem Deutsch und das Display blendet dieses Menü auch ein, so dass auch ein Unkundiger im Zweifel weiß, wo er gerade ist. Das war bei der anderen nicht so.
Das einzige, was etwas nervt, ist, dass man keine Fertigampullen verwenden kann. Da die Pumpe sehr klein ist, muss man das Insulin aus den 3ml-Penampullen in 2-ml-Reservoirs umfüllen. Das hat mich am Anfang etwas Schweiß und Insulin gekostet, aber jetzt kann ich es.
Und da die Zeit der hohen Werte mit der Weihnachtszeit aus mir dunklen Gründen ein Ende genommen hat, bin ich momentan diabetestechnisch recht zufrieden. Es sei denn, die Apotheke hat gleich das Zubehör nicht auf Lager. Dann bin ich eine böse Lily.
Es stimmt schon, was meine Oma sagte: Die beste Krankheit taugt nichts.

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