Liebe Kinder.
Es gibt gute Kinderbücher. Es gibt schlechte Kinderbücher.
Von letzteren behauptet man, sie seien a) sentimental, vermittelten b) Trivialitäten und überholte Bilder der Welt und der Gesellschaft und wären noch dazu oft c) sprachlich misslungen.
Nun denn.
Heute trug sich in meinem Leben das folgende zu:
Ich kaufte einen neuen Kratzbaum. Das ist in dieser Wohn- und Lebensgemeinschaft von 5 Wesen (vier davon mit Fell, die fünfte kann einen Rasierer benutzen und zum Friseur gehen) das dritte Mal, dass ein solches nützliches Teil erworben wird.
So weit, so schön.
Ich schleppte also das recht stabile Ding aus dem Auto ins Haus und dann in die Wohnung, setzte es mit inzwischen geübten Handgriffen zusammen und schob den alten, mittlerweile sehr schrottig aussehenden Kratzwald zur Seite. Der neue kam an seine Stelle, der alte wurde zerlegt und zum Abtransport gestapelt.
Immer noch schön.
Der neue Kratzbaum ist weniger massiv, und nicht dunkelblau. Es ist wichtig für Kratzbäume hier, dass sie nicht dunkelblau sind, denn alle Fellträger in meiner Wohnung sind solche von heller Farbe. Das macht, dass dunkelblauer Plüsch immer scheiße aussieht.
Liebe Kinder- Die, die hier schon länger mitlesen, wissen, dass meine befellten Mitbewohner Katzen von Charakter sind.
Das bedeutet, dass sie alle höchst unterschiedlich mit Macken versehen sind.
Da gibt es Karlchen. Karlchen miaut nicht, Karlchen spricht. Wie alle, die schon mal mit mir Zeit bei Skype verbracht haben, bestätigen können. Er lautiert, und manchmal sagt er "Ma-Ma?". Nun gut. *räusper*.
Ansonsten ist Karl ein schlecht erzogener Gauner, ein Dieb und Rabauke, und er beißt. Er ist zwei Jahre alt, also im besten Flegelalter, und ich weiß, er wird sich noch bessern. Deshalb kriegt er nicht nur Schläge, sondern auch was zu essen (Scherz- bitte schickt mir nicht den Tierschutz. Meine Katzen haben es gut. Halt. Bitte schickt mir den Tierschutz. Aber nur, wenn ein wirklich netter, attraktiver Tierschützer dabei ist. Danke.)
Dann gibts Eddie und Paul. Eddie ist dünn, schreckhaft und ein Angstknurrer, der sich von Karl schnell in die Ecke jagen lässt. Eddie schnurrt manchmal, aber meist faucht er oder versteckt sich, wobei er auch faucht.
Paul ist sein Bruder, er ist dick und gemütlich und Karlchens Kuschelfreund. Die beiden sind schwul, jede Wette.
Paul lässt Karlchen immer seine dummen Ideen in die Tat umsetzen (da bin ich mir sicher- wer die beiden beobachtet, stimmt mir da zu). Paul miaut manchmal, und tut, als sei er ein sieben Wochen altes Magerkätzchen. Dabei ist er ein neun Kilo schwerer kapitaler Kater.
Paul und Eddie sind vier Jahre alt, also etwas gesetzter als Karl, aber noch nicht senil.
Schätzungsweise Mitte dreißig, auf menschliches Verhalten bezogen.
Und dann ist da noch Emily, das Sorgenmädchen. Sie ist 16 Jahre alt, bewegt sich wie eine 95-jährige, der böse Buben das Geh-Wägelchen geklaut haben und ist allgemein hinfällig, schläft viel und mag nicht gern dabei gestört werden.
Karl und Paul ärgern sie gern. Was mich aggressiv macht.
Dieser gemischten Gesellschaft wurde also heut der Kratzbaum präsentiert.
Sofern etwas in diese Wohnung kommt, was die Damen und Herren Fellnasen nicht kennen, wird das Neue erst einmal aus sicherer Entfernung beobachtet. Neues Mobiliar macht da keine Ausnahme.
Da sitzen die Herrschaften unten im Garderobenschrank, und drei getigerte und ein gefleckter Katzenkopf schauen um die Ecke, stets bereit, wieder in den Tiefen des Schranks Schutz zu suchen, sollte das, was neu ist, vielleicht ein Drache sein, ein Gauner, ein Monster oder etwas, was nach Tierarzt riecht.
Soweit haben wir also ein Setting, das sehr nach schlechtem Kinderbuch aussieht.
Nach der Sorte mit beleuchtetem, Musik machenden pädagogischen Zaunpfahl. (Bin mir hier mit der Dativ-Akkusativ-Reihe nicht sicher...)
Mit einem Problem, dessen Lösung irgendeine banale Weisheit vermitteln soll.
Und so wie in diesen Büchern war es auch hier:
Die Schwächste hat sich als erste getraut, den neuen Gegenstand anzuschauen.
Megacool wackelte meine kleine, schwache und inzwischen wirklich hinfällige Emily aus ihrem sicheren Versteck (in den Schrank kommt sie nicht mehr, sie sitzt meist drunter) und näherte sich schwankend, aber zielstrebig dem Kratzmöbel. Das roch wohl sehr nach Zoohandlung und den beiden Hunden, die da immer rumlaufen.
Nachdem sie weder angefallen noch gefressen noch sonstwie beeinträchtigt wurde, kamen dann auch die Herren.
Erst der Jüngste, dann die beiden kraftstrotzenden Großkater (jeder von ihnen doppelt so hoch wie Karlchen).
So.
Das ist tatsächlich so wie in einem schlechten Kinderbuch.
Der Schwächste traut sich was.
Hurra.
Die Lehre daraus ist, dass in Jedem Mut steckt. Selbst in kleinen alten Katzen.
Also genau die Art Handlung, über die sich schlicht gestrickte Bücher auslassen.
Auf der Meta-Ebene (krieje mer später) stellen wir jedoch fest, dass offenbar das Leben selbst auch seine Plots aus schlechten Kinderbüchern entnimmt.
Was macht dann -bitte schön- gute Kinderbücher zu guten Kinderbüchern?
Ganz einfach- gute Kinderbücher erkennt man daran, dass Erwachsene sie gerne lesen.
Schönen Mittwoch noch,
Lily
Mittwoch, 20. Mai 2009
Nachdenkliches
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4 Kommentare:
Wenn ich so was lese, vermisse ich meine Katzen so sehr..
Schön, Deine Beschreibungen! Wenn Emily nicht gewesen wäre, hätte ich Baldrian empfohlen. Ist immer ein guter Rat, wenn man zu wenig Remmidemmi in der Hütte hat.. lach..
Lieben Gruß! ("Du, ich drück dich jetzt virtuell mal doll" darf ich ja nicht mehr schreiben.... *ggg*)
Wieso kommt es mir so vor, als sei der Grund für dieses merkürdige Verhalten nicht im Alter sondern im Geschlecht der Beteiligten zu finden?
Die alte Dame geht mutig vor und die drei (ex-)männlichen Wesen haben Schiss.
Toll deine Rasselbande! :)
"Emily und das Kratzbaumgeheimnis" - würde ich jetzt mal so als Buchtitel vorschlagen.
In Sachen guter Kinderbücher kann ich Dir ansonsten nur nachdrücklich Recht geben.
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