Donnerstag, 30. September 2010
Freitag, 17. September 2010
Rätsel der Zivlilisation, Teil 1
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Donnerstag, 16. September 2010
21 Tage
Abschied, Anfang, Alltag.
Das waren die ersten A-Wörter, die mir in den Sinn kamen, als ich vor inzwischen drei Wochen wieder das Licht der Welt erblickte.
Das „Licht der Welt“ ist schon vollkommen richtig, denn so wirklich in der Welt war ich in Pröbsting nicht. Man läuft anders durch die Gegend, man redet, denkt, träumt und argumentiert anders, wenn man den Blick überwiegend nach innen richtet.
Was fühlst du? Ist die Frage, die am häufigsten gestellt wurde, und auf meine Antwort hin kam dann oft die Gegenäußerung: „Scheiße“ ist kein Gefühl.
Auch „schlecht drauf“ ist kein Gefühl.
Aber Glück, Angst, Einsamkeit, Nähe, Kälte, Gut-Aufgehoben-sein, das sind alles Gefühle. Es ist beklemmend, wenn man von seiner Therapeutin eine „Liste möglicher Gefühle“ bekommt, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, aber so viel Emotionen auflistet, die man schon lang nicht mehr hatte.
Ich bin immer noch nicht richtig wieder zu Hause.
Meine Menschen aus dem Krankenhaus fehlen mir, die, die ohne zu zögern, ohne zu fragen und vor allem ohne Urteil einem weinenden Mitmenschen die Hand auf die Schulter legen und die Papiertaschentücher reichen. Die nicht wegsehen, wenn es jemandem schlecht geht, die weder sagen „Lass dich nicht so hängen“ noch „So langsam müsstest du aber mal wieder lachen können“.
Das Alleinsein nach so langer Zeit unter Menschen ist hart, und ich habe keinen Schimmer, wie ich das besser machen kann- jeder Besuch bei den Leuten, die in meiner Nähe wohnen, bedeutet wieder Abschied, wenn ich fahre. Jedes Telefonat hat ein Ende, unser Alltag hat uns wieder. Niemand wurde gesund entlassen, meist nur mit einer nicht mehr schweren, sondern einer nur noch mittelgradigen Depression. Mit Nortriptylin, Fluoxetan, Citalopram, Amitriptylin, Benzodiazepinen im Gepäck, und einer Sortierungsschachtel für die Pillen, wie sie sonst nur Omas haben.
Die ersten meiner Menschen denken darüber nach, wieder zurück zu gehen, denn sie werden mit ihrem Leben nur schwer fertig. Viele von ihnen sind einsamer, als man sich das vorstellen möchte, auch und gerade wenn andere Leute um sie herum sind. Viele müssen immer noch die Krankheit verbergen, um ihre Arbeit nicht zu verlieren und nicht im Zentrum des Klatsches und Tratsches zu sein. Das kostet zusätzlich Kraft, die kaum vorhanden ist, und die man so nötig für andere Dinge braucht.
Ich will ein paar Wahrheiten nicht vergessen:
-Depressionen sind real, sie verzerren die eigene Sicht der Dinge- das Leben fühlt sich scheiße an, auch wenn die Umwelt meint, das sei es gar nicht.
-Es gibt das, was meine Therapeutin eine depressive Gedankenkaskade nennt. Danach sollte man in sich Ausschau halten, um sie gleich im Keim zu ersticken, denn sie hat nichts, aber auch gar nichts mit der Realität zu tun.
-Vor einer Depression kann man nicht davon laufen, aber wenn man in Bewegung bleibt (tatsächlich in Bewegung), dann kann sie nicht so schnell andocken.
-Ebenso haben Depressionen wenig Platz in einem gut strukturierten Alltag. Strukturen sind der Leuchtturm, der noch funktioniert, wenn alle anderen Lichter verloschen sind.
Wichtig ist nur, dass alle Teile von uns in dieser Struktur zu ihrem Recht kommen. Sonst sind sie dazu verurteilt, ein Gefängnis zu sein und keine Stütze.
Der Herbst ist da.
Lily
Sonntag, 12. September 2010
Fehlleistungen
Als da wären:
--Heute morgen auf dem Weg zum Sport ein Schild, auf dem stand: Muskelkater im Revier.
--Das gestrige Posting, das wohl den Eindruck vermittelte, ich hörte Stimmen.
Nun hab ich das immer abgestritten, konsequent und schriftlich noch neulich, beim Ausfüllen der elfunddreißig Anamnesebögen, Psychotests und dergleichen.
Inzwischen ist jedoch eine Erkenntnis gereift: Ich höre Stimmen. Zwar sind keine Personen anwesend, aber technisches Zeugs, das Stimmen und andere Klänge überzeugend darzustellen vermag. Ich höre sogar Yodas Stimme, liebste Svenja, denn ich habe sie mir aus dem Netz heruntergeladen, als Gimmick für das Navi. Das wiederum hat mir mein kleiner Bruder geschonken, dem ich mal wieder Dank schulde, denn es gibt nichts schöneres, als bei der Ankunft zu hören: „Nach dreihundert Metern du dein Ziel erreicht hast. Kraftvoll du geworden bist!“
Und obwohl ich auch immer mit Vergnügen lese, wenn irgendein hirnloser Navi-Folger mal wieder im Wasser gelandet ist, so lasst euch sagen, liebe Leute: Ohne Navi bin ich eine Gefahr für diese schöne Welt. Vor ein paar Tagen hab ich mich derart gründlich in Bochum verfahren, dass ich für die gar nicht so lange Strecke über eine Stunde gebraucht habe.
Mal abgesehen vom Spritverbrauch- mich beruhigt es nicht, wenn ich daran denke, dass vermutlich noch mehr Leute unterwegs sind, beide Hände um das Lenkrad gekrampft, Schweiß auf der Stirn und immer nur mit einem Auge auf der Straße, weil das andere versucht, den Zettel auf dem Beifahrersitz zu lesen. ( Der ist- per default- auf einem miesen Drucker mit ersterbender Schwarzpatrone erstellt, und das ist einfach so. Kosmische Strahlung.)
Ganz zu schweigen von dem Erlebnis vor vier Wochen, als ich trotz Ausdruck einer Wegbeschreibung eine Stunde lang in einer Mittelstadt in der Nähe herumgekurvt bin, und schließlich mit meinem verpassten Termin wieder zurück fahren musste. Die Innenstadtstraßen in dieser netten Stadt trugen sämtlich keine Namensschilder. Echt geglückt, meine lieben Herren vom Tiefbauamt, oder wer immer in Bocholt für die Beschilderung der Straßen zuständig ist. Wenn ihr selbst nicht wisst, wie das Stück Fußgängerzone da vor euch heißt, gebt eurem Herzen einen Ruck und fragt einfach. Aber passt auf, dass das nicht auf dem belebten Innenstadtring nötig wird- da ist zu viel Verkehr, um mal eben anzuhalten.
(Ich hab sogar gefragt, dreimal, und bin dreimal in eine andere Richtung geschickt worden. Da kommt Freude auf!)
– Weitere Fehlleistungen:
Beim gestrigen Treffen zum ergotherapeutischen Malen im Atelier einer befreundeten Malerin (s. hier) habe ich, eingedenk eines Stapels mit Acrylfarbe eingesauter Jeans, eine Schürze mitgenommen, die sogar zum Einsatz kam- nur, um dann beim Herumsauen mit besagter Farbe weiträumig umgangen zu werden. Diesmal hab ich mir die Unterarme sowie die Hosenbeine knapp überm Saum verschmiert. Super. Die dunkel-lila Farbe klebte heut morgen noch am Arm, die weiße dafür unten am dunkellila Hosenbein. Aber im Schwimmbad ist die Farbe am Arm wenigstens abgegangen.
Vermutlich krieg ich zur Belohnung ein bisschen Muskelkater im Revier. Wer weiß das schon?
Einen schönen Sonntag,
wünscht
die Lily
Freitag, 10. September 2010
Die Wende
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