Dienstag, 25. Januar 2011

Aus lauter Langeweile

Ist euch auch schon mal aufgefallen, dass gegen Langeweile eigentlich nur das hilft, auf das man grad am wenigsten Lust hat? Hat man sich in sein Schicksal ergeben und einfach angefangen, geht’s meist ziemlich gut voran, und manchmal macht es sogar Spaß.

Das geht bestimmt vielen, wenn nicht allen Leuten ab und zu so.



Eigentlich ist das auch nichts schlimmes, uneigentlich doch. Dann nämlich, wenn das, was man so am Start hat, einen an und für sich schon langweilt. Das ist dann ein Teufelskreis.

Der einzige Trost ist vielleicht, dass man sich gehörig fleißig und tugendhaft fühlt.



Gegen Abheften hilft aber auch das nicht. Das kann mich persönlich zu Tränen und Wutanfällen der Langeweile bringen. Und ich bin dann so was von schlecht, dass ich nicht mal mehr das ABC kenne, sondern mir jedes Mal leise die Buchstaben hintereinander aufsagen muss. Das ist sehr doof, deshalb mag ich Sachen nicht, die alfabetisch abgeheftet werden müssen. Sonst komm ich mir extrem beschränkt vor, und das ergänzt sich dann prima damit, dass ich kaum Kopfrechnen beherrsche. Grundschulwissen mangelhaft könnte man dann sagen.

Ich hab auch eine Entschuldigung dafür: Ganzheitsmethode, und Mengenlehre.

Beides war schwer in Mode, als ich Grundschulkind war. Dass wir Modellschule waren, ist nichts, was dem hätte abhelfen können. Ganzheitsmethode bedeutete, dass Worte nicht Buchstabe für Buchstabe erlesen wurden, sondern dass man sich sofort ganze Worte einprägen musste. Die üblichen Schwingübungen der Einzelbuchstabenschreiblernweise fielen auch weg. Kaum einer von uns hat eine vernünftige und gleichmäßige Handschrift entwickelt. Dafür bin ich für Verleser gut- letztens las ich:

„500 Stück Sch*mlippen, Farbe orange“, wo etwas von Sammelmappen stand. So was passiert laufend. Kann ich irgendwo gegen den damaligen Kultusminister klagen, bitteschön?



Tja, und die Mengenlehre. Meine Mutter, von Fünf-und-fünf-macht-zehn geprägt, musste sich von ihrer sechsjährigen Tochter erstmal sagen lassen, dass die Gesamtmenge der Mädchen in grünen Röcken kleiner ist als die Menge der zweiarmigen, blondhaarigen Lehrerinnen.

Und erst die Teilmengen, Schnittmengen und ungleichen Mengen! Die Blackbox (auch „Rechenmaschine“ genannt), in die man etwas hineintat, etwas hinzufügte, weg nahm, vervielfachte oder so und dann eine Menge X heraus kriegte… Ganz zu schweigen vom Rechnen im Zweiersystem, die bekannte Acht wurde dabei zur 1 0 0, und in der zweiten Klasse wussten wir alle, was 10 ³ war, aber nicht, wie viel drei mal sieben ergeben würde.



Kurz vor dem Übergang in die weiter führenden Schulen fiel dann jemandem auf, dass die anderen Kinder sämtlich andere Dinge gelernt hatten, und wir mussten im Schweinsgalopp das kleine und das große Einmaleins lernen.

Unser unfallfreies Hantieren mit logischen Blöcken (so hieß die Sammlung bunter, sortierter Plastikklötzchen, mit deren Hilfe wir munter mengten, teilten, schnitten) brachte keinen nennenswerten Vorteil, als es dann mit dem üblichen, unveränderten Gymnasialstoff weiter ging, und es half auch nicht, dass wir gelernt hatten, die Wortart „Tuwort“ sei tatsächlich vorhanden. Ich finde heute noch, dass dieser Ausdruck komplett daneben liegt, und er tut mir im Kopf Aua machen.



Ich fürchte, aus dieser Art Erfahrung hätte man lernen können, dass es wenig bringt, an einem Stückchen Schule herumzukauen, wenn man das, was folgt, nicht darauf abstimmt. Okay, das Lesen haben wir alle gelernt, und ich persönlich finde, dass das ganzheitsmethodische Lesenlernen einige Vorteile hat- man liest schneller, wenn man es intus hat. Es bringt jedoch vermutlich nur dann einen wirklichen Vorsprung, wenn der Wortschatz der Kinder groß genug ist, dass der Abgleich des Wortbildes mit dem Speicher im Hirn auch Treffer bringen kann.

Ich bezweifle jedoch, dass das irgendwer damals in Betracht gezogen hat. Wenn es um die Interessen der Kinder und das leichtere Lernen gegangen wäre, dann hätte man vielleicht zunächst mal dran denken können, dass die Klassenstärke von 42 Kindern suboptimal war, und dass die Bestückung der Lehrkörper mit Altnazis auch nicht gerade zur ethischen, politischen und gesellschaftlichen Bildung der Zöglinge beitrug.



Sinn von Schule kann nie einen einzelnen Bruchteil der Gesellschaft allein betreffen, sondern sollte immer nur allen Beteiligten dienen. Und das sind Kinder, Eltern und irgendwann mal die Wirtschaft und die Politik.

Um das zu erreichen, sollte eines der Hauptergebnisse schulischer Bildung sein, dass Menschen die Schule verlassen, die in der Lage sind, unabhängig zu denken, sich neues Wissen selbständig erarbeiten und Sachverhalte würdigen und einschätzen können, und die in der Lage sind, die Verantwortung für das zu übernehmen, was sie mit ihrem Wissen anrichten.

Dann wäre es auch wurscht, ob man Delfin oder Delphin schreibt.



Es scheint mir aber, als sei es nach Jahrzehnten, in denen es um Selbstverwirklichung ging, nur noch wichtig, der Wirtschaft gesundes Menschenmaterial zur Bilanzoptimierung zu liefern.



Fühlt sich falsch an.



Aber ich bin auch Laie, und sehr zufrieden, nicht Lehrerin geworden zu sein.



Liebe Grüße an Alle,



von

Lily.

2 Kommentare:

Falcon hat gesagt…

Ahh, die logischen Blöcke. Dreiecke, Kreise und Quadrate in knalligen Siebzigerjahrefarben hatten wir auch, aber zum Glück war unser Deutschl- und Mathelehrer ansonsten noch vom alten Schlag und hat uns halbwegs erfolgreich Lesen und Schreiben beigebracht.

uschi aus SoCal hat gesagt…

alfabetisch - HA !

das issja sowas von falsch!

und unlogisch!

Zum Glueck hab ich mich nie mit Schnittmengen und so'nem Zeuch rumschlagen muessen....
Zu alt!!!
Das heisst ALPHABET !
alpha wie a.
beta. und so weiter.


*Besserwisser* ! aus SoCal