Mittwoch, 29. Februar 2012

wieder mal was...

...was ich nicht mitbekommen habe:  Das hier

Bus-y Stories, oder: Extrinsische Motivation


Die Frau mit dem Oberbett auf dem Kopf, Timo und der Mann mit dem Haarvorhang (hier bisher noch nicht aufgetaucht)- sie alle bieten Stoff für einen bunten und lustigen Strauß kleiner Edelsteine von Geschichten(das war Satire). Sehr schön, das. Ich erwisch mich öfter dabei, im Kopf schon die ein oder andere Zeile vor mich hin zu formulieren. Das Posting scheitert dann daran, dass ich einfach keine Zeit und Energie habe. Wenn ich nach Haus komme, so gegen halb sechs, dann bin ich nur froh, die Tür hinter mir zu schließen, und den Feierabend einzuläuten. Denn obwohl ich mich schon ein bisschen eingewöhnt habe, ist einfach die Zeit sehr lang, von morgens viertel vor sieben bis abends um halb sechs unterwegs zu sein. Die Katzen, der Haushalt, ein paar Sozialkontakte, und das war es dann, und am nächsten Morgen geht’s von vorn los.
Zwischendurch hat mich dann immer die Frage beschäftigt, wann und wie ich an welches neue Auto komme. Die Formulierung „Hin- und Hergerissen“ triffts nicht, das hatte schon was Bipolares. Bis zum Sonntag.
Der Sonntag sah mich auf dem Weg nach Wuppertal, mit der S-Bahn kein sehr großes Problem. Eine Viertelstunde von meiner Wohnung entfernt ist ein Vorortbahnhof, da hält die S-Bahn, die mich direkt nach Wuppertal Hauptbahnhof bringt. Auf dem Weg zum Bahnhof komme ich an einer Tankstelle vorbei, und da hab ich was getan, was ich seit Monaten nicht mehr gemacht hab: Auf die Spritpreise geachtet.
Und siehe da: Futsch war jeder Wunsch nach einem Auto. Mit Versicherung, Steuern, Finanzierung und Sprit für die Kilometer, die ich so fahren würde, wäre ich bei guten 400 € im Monat, nur für das zweifelhafte Vergnügen, auf der A46 im Stau zu stehen. Nein danke. Ich bleib beim Busfahren. Für die 350 € Differenz zu meiner Monatskarte kann ich viel Taxi fahren, wenn mir mal der Weg vom Bahnhof zu mir nach Hause zu weit ist.
Und bald ist Frühling, da kann ich dann das Rad nehmen.

Timo scheint übrigens einen neuen Stundenplan zu haben, seit dem Halbjahresbeginn hab ich ihn nicht mehr gesehen. Die Frau mit dem Oberbett hat den Bezug gewechselt. Und von dem Mann mit dem Haarvorhang erzähl ich euch die Tage mal.

DieLily



Freitag, 24. Februar 2012

Zu Unrecht



aus der Mode geraten - das ist das Schicksal, welches so vielen nützlichen und hervorragenden Dingen zuteil wurde.
Nehmen wir nur mal den guten, alten Phonowagen. An sich stellt er eine Weiterentwicklung des gemeinen Phonomöbels dar, nur mit Rollen. Nicht weiter bemerkenswert, es sei denn, man hat einen ähnlichen Haufen Kabelspaghetti dahinter liegen wie ich- das liegt nur zum Teil am schlechten Feng-Shui, sondern hauptsächlich an dem bunten Mix an Geräten, die damit verbunden werden müssen.
 Denn siehe: Mein Fernseher ist recht neu, nicht jedoch die Geräte, die den Raum beschallen sollen. Die Dolby-Surround-Angelegenheit besteht aus einem Haufen kleiner und großer Kisten, die alle energisch nach Kabeln verlangen, und mein bester Bruder Georg weiß noch sehr gut, wie wir geschwitzt haben, bis auch was raus kam aus den Lautsprechern. 

Was also tun, wenn man die Zimmer umräumt? Rrrrichtig. Fernseher abkabeln und dann das ganze Möbelstück zwei Zimmer weiter rollen. Das kann man vergessen, wenn man das ganze Zeug in irgendeinem stylischen Gerät abgestellt hat. Neu verkabeln ist die Hölle, und wird mit Funkstille nicht unter zwei Stunden bestraft. Bis vor kurzem teilte sich das Möbel samt Inhalt eine Kabelsammlung mit der Router-Modem-Splitter-Familie. Dem habe ich mit dem Umzug in den anderen Raum einen Riegel vorgeschoben. Seither ist die Ecke, in der bisher Kabel und Netzgeräte und allerlei Elektronik sich breit machten für die Katzen komplett uninteressant. 

Früher war das wohl eine Mischung aus Elektrosmog und Wärme, die da herrschte. Sehr begehrt, und von mir sehr misstrauisch beobachtet, denn das Gekatze hat sich dort auch schon mal heftigst um die besten Plätze gekloppt. Nicht weiter tragisch, so lange ein fetter Röhrenfernseher über dem ganzen thronte. Leider ist das seit einem knappen Jahr nicht mehr der Fall, seither gibt’s hier einen Flachbildschirm, der mir sehr kippgefährdet vorkommt. 
Daher steht das Phonowagendings jetzt mit dem Rücken so zur Wand, dass nicht mal mehr der magere Eddie dahinter kann. Irgendwann schaff ich es auch, den Fernseher an die Wand zu dübeln, da bin ich mir sicher.
Überhaupt. Kabel. Meine Güte. Letztens hab ich einen geruhsamen Samstag morgen damit verbracht, aus der ganzen Wohnung Kabel, Drähte, Mehrfachstecker, Netzteile, Akkulader, alte Telefone und so weiter zusammen zu suchen, hab alles nach sinnvollen Kriterien sortiert, in Tüten gepackt und in einer Kiste verstaut. Jede Tüte trägt außerdem eine Aufschrift, was im einzelnen darin ist. Ich kam mir vor wie die Mutter Teresa der Kabel. Jedem sein eigenes Häuschen, und nie wieder Suche nach dem passenden Ding! Allein die Sammlung an USB-Kabeln ist beachtlich. Leider ist trotzdem selten das wirklich richtige dabei. 
Neuester Familienzuwachs ist das Ding, mit dem man den Kindle am Rechner anschließt. W-lan hab ich abgeschaltet, also brauche ich das Kabel. Wieder ein neuer Standard, dachte ich- bis letztens eine Besucherin ihr Handy aufladen wollte, und ihr Kabel vergessen hatte. Und siehe da... Was mich auf dem Sektor (und auf meinem Schreibtisch) immer wieder entzückt, ist das Kombi-Gerät aus Tesa-Abroller und USB-Hub. 
Die beste Erfindung seit der externen Soundkarte (nie wieder im Dunkeln unterm Schreibtisch nach dem passenden Loch für die Lautsprecher suchen!!). Das zeigt natürlich auch, wie hoffnungslos veraltet meine Hardware ist, habe ich doch manchmal den Eindruck, dass ich eine der wenigen bin, die kein Notebook ihr eigen nennt, bei dem man ja auch nicht unterm Tisch rumkriechen muss. 

Mein Rechner ist in Teilen gute 10 Jahre alt, läuft aber noch immer gut und stabil (An dieser Stelle: Toi, toi, toi). Zwischendurch bin ich immer mal versucht, aufzurüsten und irgend ein megageiles Gerät zu kaufen, bisher konnte ich das aber abwenden. Schließlich läuft er noch, und das ist die Hauptsache. Und er läuft oft genug rund um die Uhr, denn ein Leben ohne Internet kann ich mir nicht vorstellen. Krass, eigentlich, wie viel Zeit ich damit verbringe, herum zu surfen und meine Kontakte zu pflegen. Und das seit inzwischen 17 Jahren, so lange hab ich meinen eigenen Account. 

Und trotz aller Weiterentwicklung hat sich nichts Fundamentales geändert... Brautkleid bleibt Brautkleid, und Bluescreen bleibt Bluescreen.

In diesem Sinne.


Sonntag, 19. Februar 2012

Zehn

Jahre, 520 Wochen, 3.652 Tage, und jeder davon mit 86400 Sekunden (glaube ich)- so lange ist das jetzt her, dass die Diagnose Diabetes Mellitus late-onset-Typ 1 so langsam in mein Bewusstsein kroch.
Mein zu dem Zeitpunkt gerade erst kurz zuvor erreichtes ausgeglichenes und entspanntes Verhältnis zu Nahrungsmitteln war in nullkommanix vom Winde verweht, und hat sich nicht mehr wieder eingestellt, egal, wo ich auch suche.
Die Zeit vom 5. Februar bis zum 9. März 2002 hab ich im Krankenhaus verbracht, eingeliefert als halbtoter Notfall und entlassen als ziemlich ängstliche Neuchronischkranke.
Drei Tage später habe ich mich aufgemacht zu einer sechswöchigen Reha-Maßnahme, während der man mir beizubringen versuchte, dass es nichts gibt, was man mit Diabetes nicht tun kann.
Das ist gelogen.
Man mag noch Berge besteigen, Klavier spielen, Nobelpreise gewinnen und SOS-Kinderdorf-Mutter sein können. Vielleicht kann man Opern singen, Sex haben, einen Iron-Man absolvieren, in den Urlaub fahren oder Gold schürfen in Alaska.
Was man nicht mehr kann, ist irgendwas davon spontan einfach tun.
Dein Auto springt nicht an, wenn du abends bei Freunden bist? Dumm- du musst trotzdem nach Hause, weil dein Nachtinsulin dort liegt. Viel Spaß beim Bahnfahren.
Du bist im Restaurant und das Essen schmeckt grauenvoll? Egal, du hast gespritzt, nun iss die ekligen Nudeln auch auf.
Dein Keller läuft voll Wasser? Iss erstmal was, bevor du zehn Mal mit dem Eimer die Treppe rauf und runter läufst, sonst fällst du noch um.
Sauna? Vielleicht. Honig-Aufguss? Besser nicht. Ungeplanter Sex? Nie ohne vorher was zu essen (die Zeiten, in denen meine Pumpe rhythmisch dazu vom Nachttisch alarmte, sind vorbei- das würde ich nicht wieder wollen).
Spontan ein Fläschchen Wein? Ähem. Man weiß nie.
Und so weiter, und so weiter.
Es geht mir immer noch so total auf den Wecker.
Und egal, was sie einem erzählen: Man verpasst besser keine Mahlzeit, isst nicht die ganze Tafel Schokolade, das halbe Pfund Kirschen besser auch nicht, und Cocktails vergisst man ohnehin lieber. Urlaubsreisen per Flugzeug? Nur mit einer Bescheinigung vom Arzt, damit man sein Spritzbesteck mitnehmen darf an Bord (Schon mal über diabetische Terroristen nachgedacht? Die haben so eine Bescheinigung, mit Sicherheit. Und Insulin ist ein Teufelszeug, das auch Gesunde in kürzester Zeit aus den Latschen haut).
Alles in allem wäre es mir lieber gewesen, sie hätten uns das von Anfang an so erzählt, mit allem drum und dran. Natürlich hätte das abschreckend geklungen- aber eine Wahl, ob wir das wollen oder nicht, hatten wir selbstverständlich zu keiner Zeit. Insofern ist das Belogen-worden-sein besonders doof. Und so verdammt überflüssig.

Und jetzt geh ich weiter schmollen.

DieLily

Freitag, 17. Februar 2012

Wartungs- und Pflegearbeiten


Je älter ich werde, desto länger dauert es, die morgendlichen Wartungsarbeiten ordnungsgemäß abzuwickeln. Ein wenig Zeit kann man damit sparen, manche Einzeltätigkeit durch dauerhafte Vorhaltung auszutauschen, zum Beispiel spart man potenziell sogar viel Zeit und Material, wenn man Wimpern nicht tuscht, sondern färbt.

Das erspart nicht nur das morgendliche Auftragen, sondern auch das abendliche Abkratzen der Tusche von den widerwilligen Härchen, die ob dieser Zumutung gern den Augen eine gewisse Neigung zum Tränen vermitteln. Das erspart auch das Problem, welche Sorte Mascara man sich denn nun zulegt.

Wasserfest? Ist meist erst auf der Haut wasserfest und erfordert alsdann das Auffahren schwerer Abschmink-Geschütze, die wiederum (s. o.) die Augen zum Tränen bringen. Scheidet aus.

Volumen-Mascara? Macht mir Fliegenbeine und ich hab den Eindruck, dass die Wimpern zusammenpappen, das bringt außerdem die Augen zum Tränen. Scheidet also aus.

Braun, schwarz oder blau? Egal, krümelt oder schmiert oder pappt da, wo man sie nicht haben will- scheidet aus. Weil, dann tränen die Augen… wer hätte das gedacht?

Pflegend (kriecht unter Umständen in die Augen, die tränen dann wieder, scheidet also aus) oder die Sorte, die die Weltherrschaft übernehmen würde, ließe man sie denn? Vermutlich bringt aber auch die die Augen zum Tränen, und scheidet daher ebenfalls aus.

Am liebsten ist mir farblose Mascara, denn sie hinterlässt wenigstens kein dunkles Panda-Geschmier unter den Augen. Zusammen mit gefärbten Wimpern macht sie dann auch den gewünschten schlanken Fuß, und zaubert jugendliche Frische und all so ein Zeug ins Gesicht.

Sobald man zu Wimpernfarben greift, und somit die Dauerlösung anstrebt, kann man auch gleich den Rundumschlag machen und die Augenbrauen gleich mit färben (besser einen Ton heller als die Wimpern, sonst hat man schnell dunkle Balken im Gesicht).

Meine Dauerlösungen gehen nur so weit. Es gibt allerdings Leute, die sich zum Beispiel Lidstrich oder Lippenkontur als Permanent-Make-up tätowieren lassen. Uäähhh- selbst wenn man mir garantieren würde, dass die stechende Person nüchtern ist und das gelernt hat und so: Wie kann man einen anderen Menschen mit einer Nadel in die Nähe seiner Augen lassen? Noch dazu mit Farbe dran? Bei aller Liebe zu eingesparter Zeit: Dann ginge ich lieber ohne Lidstrich raus als so. Mach ich ohnehin oft, weil das Zeug manchmal im Auge landet. Und das tränt dann.

Nicht auszudenken, was das Auge sagen würde, wenn die Tätowierinstrumente abrutschen würden. Da müsste ich dann weinen.

Mittwoch, 15. Februar 2012

Bissel drauf rumspringen…




scheint ein neues Hobby in europäischen Finanzkreisen zu sein. Egal, wie sinnvoll es sein mag: Immer noch ein bisschen mehr zu verlangen von einem Land, das derzeit am Boden liegt, erweckt bei mir den Eindruck, als hätte da jemand Spaß dran, die Schrauben immer noch ein bisschen mehr anzuziehen, solange, bis Blut kommt…
Klar geht es nicht um Barmherzigkeit, wenn Kohle im Spiel ist. Aber jeder Mensch, und erst recht jede Gruppe von Menschen beißt irgendwann zurück, wenn man sie in Bedrängnis bringt. Die Leute, die sich jahrzehntelang am griechischen Staat gemästet haben, die haben eine dicke Lobby, und denen geschieht so schnell nichts. Aber all die anderen, die leiden… und die konsumierende Bevölkerung ihrer Konsummittel zu berauben, hat noch keinen Staat gerettet.
Inhaltlich kann ich nicht beurteilen, was da abläuft. Ich weiß auch nicht, wie viel von meinem derzeitigen Eindruck durch Berichterstattung hervorgerufen ist. Aber wäre ich Griechin, ich würde mir verarscht vorkommen.


Sonntag, 12. Februar 2012

Grau

Der Tod gilt als schwarzer Fürst, voller Dramatik und so- oder, wenn man Menschen mit Nahtoderfahrungen Glauben schenken darf, dann ist dort, jenseits des Lebens, ein Pfad ins Licht.
Meiner Erfahrung nach  ist der nahende Tod weder schwarz noch leuchtet er. Der Weg dorthin ist vielmehr grau, und ultimativ still und weich. Angst macht er mir nicht. Im Gegenteil, oftmals war dieses Bild sehr anziehend. Ruhe versprechend. Das Ende aller Dinge. Und auch das Ende der Angst, der Sorgen, der Mühe.
Dagegen kann nur wenig bestehen bleiben von den Dingen, die das Leben so zu bieten hat. Die wenigsten Erfahrungen sind nur positiv, wenig ungetrübte Freude herrscht auf der Welt, und es existiert kaum etwas, was die  Mühe des Aufstehens wert ist.
Ein paar Dinge und ein paar Eindrücke aber, die bleiben und die halten mich hier:
Das bepelzte Doppelkinn von Paul, wenn man ihn krault- und sein hingerissener Gesichtsausdruck. Die Art, in der Emily ihre Tatze auf meinen Arm legt, der sich an mich drückende Eddie.
Und die Freude in der Stimme eines Menschen, der offenbar gern mit mir spricht.
Solange das so ist, bleib ich.

Freitag, 10. Februar 2012

Saukalt…



ist es hier, wie in ganz Europa. Ich habe gegengesteuert, und mich mit warmem Zeug versehen, denn ein neues Auto habe ich immer noch nicht. Also nutze ich den Bus, um zur Arbeit zu kommen- spare mir aber, in dieser Woche jedenfalls, jegliches weiteres Herumstehen auf Bahnhöfen- bin schon erkältet und brauche keine Lungenentzündung). Trotz Mütze, Handschuhen, Schal, Rollkragenpullover und Strickjacke, langer Unterhose, Wollsocken und dicker Schuhe friert man sich an der Haltestelle was ab. Leider nicht den Hintern (dann würde ich den glatt mal der Kälte aussetzen), sondern eher fragilere Anhängsel, wie Ohren oder Finger. Gern leidet auch die Nase.

Kommt man aus der arktischen Luft ins Rathaus, ist dort die Luft sehr schön angewärmt und gemütlich- glaubt man zuerst. Sitzt man den Vormittag lang in seinem Büro (in dem es auch nur 18 Grad hat), und geht dann zur Toilette, friert man wieder ordentlich im Treppenhaus und im Foyer- denn eine Heizung gibt es dort zwar, diese ist jedoch abgedreht. Bei der (historischen) Bunt-, aber Einfach-Verglasung müsste man die Heizung vermutlich mit Schuldscheinen oder Haushaltskonsolidierungsplänen befeuern, um halbwegs normale Innenraumtemperaturen zu haben. Natürlich müssten die Fenster wärmeisoliert werden- aber das kann sich die Stadt nicht leisten, da sie, wegen eben der Haushaltslage, keine Bauprojekte mehr beginnen darf. Das macht die Aufsichtsbehörde nicht mit, egal, wie klug eine solche Investition auch sein könnte.

Seit ich, vor beinahe 30 Jahren, bei dieser Verwaltung meinen Dienst angetreten habe, müssen wir sparen, und tun das auch. Reine Renommierprojekte, die anderen Städten erst Ruhm und dann Ärger gebracht haben, hat es hier so gut wie nie gegeben. Der Bürger meiner Stadt ist somit nicht verwöhnt. Inzwischen erreicht das Sparen allerdings Bereiche, die selbst dem genügsamsten Einwohner zu weit gehen. Leider hilft auch da keine Empörung mehr. Selbst wenn keine einzige freiwillige Leistung mehr angeboten würde- und es gibt da wirklich nicht mehr viele, aber wichtige, z. B. Zuschüsse an Schuldnerberatung, Frauenhaus etc. sind ja auch nicht überflüssig…- selbst dann also reichen die Einnahmen nicht aus, um alle Pflichtaufgaben zu bezahlen.
Eigentlich dürfen der Bund und auch das Land den Gemeinden keine Aufgaben mehr zuschustern, die diese dann selbst finanzieren müssen. Wenn neue Aufgaben, dann gehört auch das entsprechende Geld dazu- so liest es sich theoretisch.
Fakt ist aber, dass vor allem Personalkostenanteile oft nicht ausreichend sind. Denn die Zuschüsse werden nach teils abenteuerlichen Schlüsseln verteilt. Vielleicht reichen die Beträge dann bei einer großen Stadt, die für die Bearbeitung einer Aufgabe z. B. zwei Leute einsetzen kann, die mit der Arbeit dann ausgelastet sind. Bei einer kleinen Gemeinde reicht die Fallzahl (und die Erstattung!) vielleicht nur für eine halbe Stelle- die Person, die dann die Arbeit macht, braucht aber auch eine Vertretung für Krankheit und Urlaubszeiten, und wenn in der größeren Stadt sich die zwei Stelleninhaber gegenseitig vertreten, hat die kleinere Stadt ein Problem, dessen Lösung sie nicht bezahlen kann.

Es finden sich auch wirklich merkwürdige Konstrukte bei der Bemessung dieser Zuschüsse… Ein Knaller ist die Kostenpauschale für die Aufgaben nach dem Bildungs- und Teilhabe-Gesetz (das ist die Vorschrift, nach der den Kindern von Hartz-IV-, Sozialhilfe-, Wohngeld- und Kinderzuschlagsbeziehern Mittel zur Verfügung gestellt werden, mit denen Nachhilfe, Schulessen, Fahrtkosten, Klassenfahrten etc. bezahlt werden können).
Die an die Gemeinden oder Kreise hierfür gezahlten Beträge des Bundes sind ein prozentualer Aufschlag zu dem Kostenanteil des Bundes für die Aufwendungen der Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Bezieher.

Andersrum ausgedrückt: Der Bund zahlt den Gemeinden einen pauschalen (Anteils-) Betrag dafür, dass die Miete von Hartz-IV-Beziehern übernommen wird (keine freiwillige Leistung, irgendwo müssen die Leute ja wohnen). Diese Pauschale wird zur Grundlage genommen, um wiederum eine prozentuale Pauschale zu bilden, aus der die Gemeinden dann die Kosten für Bildung und Teilhabe bezahlen. Da bemisst man die Kosten für Äpfel an den Aufwendungen für neue Streu im Hühnerhaus. Oder so. Man hätte vermutlich mit der gleichen Berechtigung einen Schlüssel erfinden können, der auf die Dichte von Kaugummiautomaten je laufendem Kilometer der Gemeindestraßen zweiter Ordnung  abstellt.

Apropos Straßen…
Fährt man in diesen Wochen die Straße hinunter, an der ich wohne, und hat man nicht sehr festsitzenden Zahnersatz, so kann man sich diesen auf der Zunge zergehen lassen, wenn man am Ende der Straße angekommen ist. Das liegt an der Fahrbahn-“Gestaltung“, die den Namen „Decke“ nicht mehr verdient. Auch ein Flickenteppich ist zwar bunt, aber nicht so löcherig, also ist dieser Ausdruck ebenfalls nicht korrekt. Bereits der Straßenzustandsbericht 2005 hat „meine“ Straße in die Kategorie „unbefahrbar“ eingestuft. Seither hat es sieben Winter gegeben, zwei davon lang und kalt, mit jeder Menge Niederschläge.
Man könnte den Eindruck haben, dass hier darauf gewartet wird, dass die Trümmer und das Geröll aus den oberen Straßenschichten sich langsam, aber selbsttätig in die Schlaglöcher begeben, und so eine gewisse Selbstheilung stattfindet. Dass es so was nicht gibt, ist klar. Also wurde in irgendeiner Ecke irgendeines Bauhofes so lang gesucht, bis man zwei, drei Schilder mit der Aufschrift „Straßenschäden!“ fand, und dann hat man die aufgestellt. Die Pfosten für die Schilder wurden nicht mal einbetoniert… und da ohnehin Tempo 30 ist, hat man sich auch die Geschwindigkeitsbeschränkung gespart. An und für sich ist auch dort die Durchfahrt verboten- beschweren kann sich daher niemand, wenn ihm was vom Auto abfällt, denn die meisten haben sowieso kein Durchfahrtsrecht.

Die Schlaglöcher ergänzen auch sinnvoll die Straßeneinbauten zur Geschwindigkeitsabsenkung. Insofern ist doch eigentlich alles gut, könnte man meinen… bis man mal einmal mit dem Linienbus die Straße entlang gefahren ist.
Nur so viel: Niemals aufstehen, bevor der Bus anhält. Auf zwei Beinen übersteht man diese Strecke niemals in senkrechter Körperhaltung.
Ich könnte mich stundenlang zu dieser Straße auslassen… und ich würde es auch tun, wüsste ich nicht genau, dass einfach kein Geld da ist. Alles Jammern ist müßig, und schafft auch keines her.

Erschreckend ist nur, dass so gut wie niemand das akzeptieren kann und will, sofern er selbst betroffen ist. Da streicht auch die geübte Intelligenz sofort die Segel, und dümpelt nur noch ohne Fahrt dahin… kein Geld? Wirklich nicht? Das gibt’s nicht.

Und wenn man mal so eine Bilanz der Stadtverwaltung von vorn bis hinten durchliest, dann kann man glatt den Eindruck bekommen, dass das tatsächlich so ist. Denn unsere Stadt, die in drei bis fünf Jahren die Überschuldung anmelden kann, weil sie dann nichts mehr hat, was sich versilbern oder sonst wie zu Geld machen lässt, zahlt immer noch Solidarbeiträge Ost.

Wer das verstehen kann, soll das gern tun.

Ich weigere mich.