ist es hier, wie in ganz Europa. Ich habe gegengesteuert, und mich mit warmem Zeug versehen, denn ein neues Auto habe ich immer noch nicht. Also nutze ich den Bus, um zur Arbeit zu kommen- spare mir aber, in dieser Woche jedenfalls, jegliches weiteres Herumstehen auf Bahnhöfen- bin schon erkältet und brauche keine Lungenentzündung). Trotz Mütze, Handschuhen, Schal, Rollkragenpullover und Strickjacke, langer Unterhose, Wollsocken und dicker Schuhe friert man sich an der Haltestelle was ab. Leider nicht den Hintern (dann würde ich den glatt mal der Kälte aussetzen), sondern eher fragilere Anhängsel, wie Ohren oder Finger. Gern leidet auch die Nase.
Kommt man aus der arktischen Luft ins Rathaus, ist dort die Luft sehr schön angewärmt und gemütlich- glaubt man zuerst. Sitzt man den Vormittag lang in seinem Büro (in dem es auch nur 18 Grad hat), und geht dann zur Toilette, friert man wieder ordentlich im Treppenhaus und im Foyer- denn eine Heizung gibt es dort zwar, diese ist jedoch abgedreht. Bei der (historischen) Bunt-, aber Einfach-Verglasung müsste man die Heizung vermutlich mit Schuldscheinen oder Haushaltskonsolidierungsplänen befeuern, um halbwegs normale Innenraumtemperaturen zu haben. Natürlich müssten die Fenster wärmeisoliert werden- aber das kann sich die Stadt nicht leisten, da sie, wegen eben der Haushaltslage, keine Bauprojekte mehr beginnen darf. Das macht die Aufsichtsbehörde nicht mit, egal, wie klug eine solche Investition auch sein könnte.
Seit ich, vor beinahe 30 Jahren, bei dieser Verwaltung meinen Dienst angetreten habe, müssen wir sparen, und tun das auch. Reine Renommierprojekte, die anderen Städten erst Ruhm und dann Ärger gebracht haben, hat es hier so gut wie nie gegeben. Der Bürger meiner Stadt ist somit nicht verwöhnt. Inzwischen erreicht das Sparen allerdings Bereiche, die selbst dem genügsamsten Einwohner zu weit gehen. Leider hilft auch da keine Empörung mehr. Selbst wenn keine einzige freiwillige Leistung mehr angeboten würde- und es gibt da wirklich nicht mehr viele, aber wichtige, z. B. Zuschüsse an Schuldnerberatung, Frauenhaus etc. sind ja auch nicht überflüssig…- selbst dann also reichen die Einnahmen nicht aus, um alle Pflichtaufgaben zu bezahlen.
Eigentlich dürfen der Bund und auch das Land den Gemeinden keine Aufgaben mehr zuschustern, die diese dann selbst finanzieren müssen. Wenn neue Aufgaben, dann gehört auch das entsprechende Geld dazu- so liest es sich theoretisch.
Fakt ist aber, dass vor allem Personalkostenanteile oft nicht ausreichend sind. Denn die Zuschüsse werden nach teils abenteuerlichen Schlüsseln verteilt. Vielleicht reichen die Beträge dann bei einer großen Stadt, die für die Bearbeitung einer Aufgabe z. B. zwei Leute einsetzen kann, die mit der Arbeit dann ausgelastet sind. Bei einer kleinen Gemeinde reicht die Fallzahl (und die Erstattung!) vielleicht nur für eine halbe Stelle- die Person, die dann die Arbeit macht, braucht aber auch eine Vertretung für Krankheit und Urlaubszeiten, und wenn in der größeren Stadt sich die zwei Stelleninhaber gegenseitig vertreten, hat die kleinere Stadt ein Problem, dessen Lösung sie nicht bezahlen kann.
Es finden sich auch wirklich merkwürdige Konstrukte bei der Bemessung dieser Zuschüsse… Ein Knaller ist die Kostenpauschale für die Aufgaben nach dem Bildungs- und Teilhabe-Gesetz (das ist die Vorschrift, nach der den Kindern von Hartz-IV-, Sozialhilfe-, Wohngeld- und Kinderzuschlagsbeziehern Mittel zur Verfügung gestellt werden, mit denen Nachhilfe, Schulessen, Fahrtkosten, Klassenfahrten etc. bezahlt werden können).
Die an die Gemeinden oder Kreise hierfür gezahlten Beträge des Bundes sind ein prozentualer Aufschlag zu dem Kostenanteil des Bundes für die Aufwendungen der Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Bezieher.
Andersrum ausgedrückt: Der Bund zahlt den Gemeinden einen pauschalen (Anteils-) Betrag dafür, dass die Miete von Hartz-IV-Beziehern übernommen wird (keine freiwillige Leistung, irgendwo müssen die Leute ja wohnen). Diese Pauschale wird zur Grundlage genommen, um wiederum eine prozentuale Pauschale zu bilden, aus der die Gemeinden dann die Kosten für Bildung und Teilhabe bezahlen. Da bemisst man die Kosten für Äpfel an den Aufwendungen für neue Streu im Hühnerhaus. Oder so. Man hätte vermutlich mit der gleichen Berechtigung einen Schlüssel erfinden können, der auf die Dichte von Kaugummiautomaten je laufendem Kilometer der Gemeindestraßen zweiter Ordnung abstellt.
Apropos Straßen…
Fährt man in diesen Wochen die Straße hinunter, an der ich wohne, und hat man nicht sehr festsitzenden Zahnersatz, so kann man sich diesen auf der Zunge zergehen lassen, wenn man am Ende der Straße angekommen ist. Das liegt an der Fahrbahn-“Gestaltung“, die den Namen „Decke“ nicht mehr verdient. Auch ein Flickenteppich ist zwar bunt, aber nicht so löcherig, also ist dieser Ausdruck ebenfalls nicht korrekt. Bereits der Straßenzustandsbericht 2005 hat „meine“ Straße in die Kategorie „unbefahrbar“ eingestuft. Seither hat es sieben Winter gegeben, zwei davon lang und kalt, mit jeder Menge Niederschläge.
Man könnte den Eindruck haben, dass hier darauf gewartet wird, dass die Trümmer und das Geröll aus den oberen Straßenschichten sich langsam, aber selbsttätig in die Schlaglöcher begeben, und so eine gewisse Selbstheilung stattfindet. Dass es so was nicht gibt, ist klar. Also wurde in irgendeiner Ecke irgendeines Bauhofes so lang gesucht, bis man zwei, drei Schilder mit der Aufschrift „Straßenschäden!“ fand, und dann hat man die aufgestellt. Die Pfosten für die Schilder wurden nicht mal einbetoniert… und da ohnehin Tempo 30 ist, hat man sich auch die Geschwindigkeitsbeschränkung gespart. An und für sich ist auch dort die Durchfahrt verboten- beschweren kann sich daher niemand, wenn ihm was vom Auto abfällt, denn die meisten haben sowieso kein Durchfahrtsrecht.
Die Schlaglöcher ergänzen auch sinnvoll die Straßeneinbauten zur Geschwindigkeitsabsenkung. Insofern ist doch eigentlich alles gut, könnte man meinen… bis man mal einmal mit dem Linienbus die Straße entlang gefahren ist.
Nur so viel: Niemals aufstehen, bevor der Bus anhält. Auf zwei Beinen übersteht man diese Strecke niemals in senkrechter Körperhaltung.
Ich könnte mich stundenlang zu dieser Straße auslassen… und ich würde es auch tun, wüsste ich nicht genau, dass einfach kein Geld da ist. Alles Jammern ist müßig, und schafft auch keines her.
Erschreckend ist nur, dass so gut wie niemand das akzeptieren kann und will, sofern er selbst betroffen ist. Da streicht auch die geübte Intelligenz sofort die Segel, und dümpelt nur noch ohne Fahrt dahin… kein Geld? Wirklich nicht? Das gibt’s nicht.
Und wenn man mal so eine Bilanz der Stadtverwaltung von vorn bis hinten durchliest, dann kann man glatt den Eindruck bekommen, dass das tatsächlich so ist. Denn unsere Stadt, die in drei bis fünf Jahren die Überschuldung anmelden kann, weil sie dann nichts mehr hat, was sich versilbern oder sonst wie zu Geld machen lässt, zahlt immer noch Solidarbeiträge Ost.
Wer das verstehen kann, soll das gern tun.
Ich weigere mich.
2 Kommentare:
Das wird ja öfter schon mal angesprochen, dass etliche Weststädte langsam veröden und trotzdem noch Milliarden in den Aufbau Ost gesteckt werden.
Das Problem ist, dass die Politik einfach zu unflexibel ist, um sich in kürzeren Zeiträumen auf geänderte Konditionen einzustellen.
Sonst würde man vielleicht auch mal darüber nachdenken, dass ein Strukturprogramm nicht allein aus der Restaurierung maroder Innenstadtgebäude und der Subventionierung von Einkaufscenter Nummer 3472 bestehen kann.
Und dass es auch im Westen durchaus Gebiete gibt, die vor sich hin krebsen (müssen).
In der entsprechenden Verordnung für Nordrhein-Westfalen sind für Flure 12°, Toiletten 15°, Büroräume 20° (!) vorgesehen. Also, was das Arbeiten in Euren unterkühlten Büroräumen angeht, müsstet ihr eigentlich kältefrei bekommen!
Bei uns ist es ein wenig kuscheliger, aber ich komme trotzdem mit meinen arktisch geprüften Winterstiefeln und Flanellschal ins Büro, gekleidet nach dem Zwiebelprinzip. Geht, nur den Mantel ziehe ich nur manchmal an wenn ich aufs Klo gehe. Wegen der komischen Blicke der Kollegen...
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