Montag, 7. März 2016

Vorurteile.

Wie ist es doch befriedigend, das ein oder andere Vorurteil bestätigt zu sehen... wie sehr, konnte ich gestern mal wieder feststellen.
Und das kam so:

Sonntag soll ab sofort (also ab vor 14 Tagen) bei mir Wellnesstag sein, zwecks dieses Behufs begab ich mich ergo gestern erneut in den örtlichen Wohlfühltempel (Sauna und so). Diesmal war ich schon um acht Uhr da, denn um 10 kriegte man in der Vorwoche schon keinen Parkplatz mehr. Um acht Uhr, oder nur Minuten später, bekam ich keinen Platz mehr in der Kassenschlange- oder doch nur einen, der seeeehr nah an der Eingangstür war.
Vor mir: Rentner.
Man darf ja am Wochenende nicht aus der Übung kommen, mit dem Frühaufstehen, das ist mir klar, also hab ich Verständnis. Die Tendenz der Pensionisten, sich vorzudrängeln als wäre ich unsichtbar, hat jedoch etwas weniger Verständnis ausgelöst. Aber ich hab aufblasbare Schultern, kann mich groß und sehr sichtbar machen, wenn ich das will, und der Durchschnittspensionist prügelt sich offenbar doch nicht gern in Schwimmbädern.Ich kam also rein, und abgesehen davon, dass mir da wer seinen Zigarrenatem ins Genick blies, blieb ich auch unbehelligt.
Aus meiner Jugend kenn ich noch ein paar Tricks, um möglichst schnell am Beckenrand aufzutauchen. Dazu zählt, zu Hause schon mal den Badeanzug anzuziehen, Joggingzeugs drüber, und los... dann das Joggingzeug in Rekordzeit in den Spind werfen, und schon steht man, sozusagen, an der Saunatür. Das Rennen gewinne ich, Herrschaften.
So auch gestern. Die Sauna war noch gar nicht richtig warm, da lag ich auch schon auf den Brettern.
Nur Sekunden später öffnete sich die Tür und eine ziemlich laute Dame sprach zur anderen:
Tja, Anneliese. Hätteste mal dein' Namen auf die Bank geschrieben.
Und lachte meckernd.
Vor dreißig Jahren wäre sie für den Spruch noch aus der Sauna geflogen. Nicht wegen des Inhaltes, aber wegen der Lautstärke. Gehörte doch zum damaligen Strafgesetzbuch auch ein Paragraf, der da lautete: Du sollst in der Sauna nicht brüllen.
Mit Trompetenschall ging die Unterhaltung weiter.
Man muss sich das so vorstellen: Ich mit meinen knapp einsachtzig nahm ungefähr ein Drittel der unteren Bank ein. Es blieben also noch gute drei Meter Raum, um sich auszubreiten, und dann noch Platz, damit andere noch einen Aufstieg auf die oberen Bänke wagen konnten. Was mein Verständnis für Gewohnheitsplätze und Erbbaurechte an öffentlichen Saunabänken betrifft, so ist das eher im Minusbereich.
So auch gestern.
Und da werd ich hartnäckig, und schwerhörig, und bleibe, wo ich bin.
Anneliese setzte sich dann, schnaubend (eher wegen des Blutdrucks, schätze ich), und hub an, zu warten, bis das Jungvolk (also die ich) IHREN Platz räumte.
Womit ich mir zwanzig Minuten Zeit ließ. Dann bin ich, mit einer Verneigung zu Anneliese, und unter Schnappung meines Liegetuchs, aus der Sauna gerauscht. Und konnte noch beobachten, wie die tutende und prustende Anneliese IHREN Platz wieder einnahm. Womit die Gerechtigkeit in der Welt wieder hergestellt war.
Die folgende Zeit brachte ich auf einer Liege zu, unterbrochen von Saunagängen, Abkühlung und so nem Kram, bis ich dann auf die Idee kam, das beigefügte Solebad zwecks Schwimmens (kann man da nicht wirklich. Weil das Wasser zu warm ist... unter anderem.) aufzusuchen.
Dort fand sich dann eine Wiederholung des Sauna-Gewohnheitsrechts. Diesmal mit Sprudeldüse.
Davon gibt es so einige, und auch noch mit Varianten. In Fuß-, Knie-, und Arschhöhe sprudelt es aus der Wand, aus dem Boden, und es gibt auch noch eine Art Unterwasser-Liegen mit Sprudeldüsen.
Auf allen Liegen, vor allen Düsen, unter allen Schwallbrausen: Rentner. Grimmigen Gesichts klammern sie sich an den Beckenrand, liegen wie tot auf den sprudelnden Kacheln, tun so, als seien sie gar nicht da.
Über das Schild am Rand "Bei Erklingen des Gongs bitte Düsenplatz räumen!" hab ich mich amüsiert, bis, ja bis zum ersten Mal der Gong ertönte.  Und...nichts geschah. Die Gesichtsausdrücke (oder eher, DEN Gesichtsausdruck) beibehaltend, behielten sämtliche Leute am Beckenrand, auf Sprudelbetten und unter Schwallbrausen auch ihren Platz bei. Absolut. Aus lauter Spaß an der Provokation hab ich mich in Aggressionsentfernung vor einem besonders hochdruckig aussehenden Mann aufgebaut, der ob seines prolongierten Aufenthalts im sehr warmen Solebad schon recht violett angelaufen war. Hinter mir zog ein älterer Herr, der den toten Mann machte (also auf dem Wasser liegend einfach nur daher dümpelte) seine Kreise. Ab und zu trieb ihn die Wasserbewegung auf einen anderen Badegast zu, der meist Platz machte- man konnte nämlich nicht wirklich erkennen, ob er den toten Mann nur spielte.
Grillen zirpten.
Am Horizont ging irgendwo eine Sonne auf, oder unter.
Der Gong ertönte. Ich setzte ein hoffnungsvolles Gesicht auf, und schaute dem Beckenrandler tief in die Augen... die der dann schloss.
Einfach so.
Den toten Mann zu spielen scheint ein Überlebenstrick zu sein, in der harten, kalten Wirklichkeit westdeutscher Wellnessbäder.

Ich suche jetzt eine andere Tageszeit, zu der man dort vielleicht schwimmen kann, ohne an tote Männer, Sprudeldüsenpiraten oder Saunaplankengewohnheitsrechtler zu geraten.





5 Kommentare:

Frau Vau hat gesagt…

Lach...... vielleicht solltest du Sonntag abend ab 18 Uhr gehen.. da müssen die Damen und Herren wegen Lindenstraße und bevorstehendem Tatort den Platz räumen ;-)

Frau Vau hat gesagt…

(ich habe übrigens einen Blogeintrag über meinen ersten Kochversuch veröffentlicht.. mit Hinweis auf Dich)

Nicola Hinz hat gesagt…

Ha, das liest sich ja wie ein Psychokrimi! : )
Liebe Grüße
Nicola

Paterfelis hat gesagt…

Wie wäre es, am Tag vor dem Saunabesuch einen leckeren Knoblauchtopf zu genießen? Rezept auf Anfrage.

Lily hat gesagt…

@Frau Vau: Du wirst lachen. Genau das überlege ich.
Und mein pulled-Pork-Rezept war auch nur etwas bruchstückhaft Erinnertes...
@Nicola: Du hättest meinen Blutdruck nicht messen wollen. Zum Glück lauf ich nicht lila an...
@Paterfelis: Gute Idee. Mit ordentlich Kreuzkümmel drin. Das räumt :-DD