Dienstag, 25. August 2009

Johanna

was bisher geschah



Johanna setzte sich auf.
Autsch. Alles tat ihr weh…
Verdammte Scheiße.
Schweinemäßig hart, dieses Bett.
So hart, dass sie sofort genau wusste, wo sie war.
Im Gefängnis.
Sie war verhaftet. Und Manuel war tot.

Das hatte trotz der Nacht auf dem harten Bett etwas Irreales, etwas von Film, etwas von falschem Film.

Noch falscher fühlte sich aber die Verbindung zwischen den Sätzen an: Sie war verhaftet, allen Ernstes verhaftet, sie saß im Knast, weil Manuel tot war.
Das machte ihr Gehirn lahm, und ließ sie sich wieder in die Nacht zurück wünschen.
Lieber das harte Bett… als dieses kleine Wort weil.

Sie hatte Mühe, mit ihrem lahmen Hirn beim Thema zu bleiben, und kniff sich in den Arm. Das hier war wichtig, so wichtig wie noch nie etwas in ihrem ganzen Leben.
Denk nach, Johanna. Denk nach, streng dich an, mach schon.

Aber in ihrem Kopf war nur Brei. Watte und Brei. Nichts ließ sich fassen.

Wo Marleen jetzt wohl war? Vermutlich auch in einer Zelle, und vermutlich schlief sie noch.

Marleen konnte immer und überall schlafen, nicht nur in Zellen.
Auch auf Bahnhofsbänken, an Bushaltestellen, in Straßengräben hatte sie schon geschlafen, in der Schule auf dem Klo und auf wilden Partys in irgendeiner Ecke, egal, wie laut es war.

Marleen… chaotisch, versessen auf Neues, ganz wild darauf, was zu erleben, und dann wieder wie ein kleines Mädchen, das sich am liebsten verkroch.
Schon ganz schön schräg drauf. Ach, Marleen.

Johanna kratzte sich am Hinterkopf, und zuckte zusammen.
Irgendwas tat da weh, und zwar gewaltig.
Eine Beule?

Sie betrachtete ihre Hand- die Fingernägel waren voller Blut. Dunkles Rot und helles hatten sich vermischt, und auch die komische Schlummerrolle auf dem Bett hatte ein paar Schmierflecken.
Wo kam das denn her?
Sie stand auf und ging zu dem Metallspiegel über dem Waschbecken in der Ecke.

Sinnlos. Das zerkratzte Ding zeigte nur einen Umriss, eine Art Nachtgespenst. Bei ihren dunklen Haaren sah man nichts von Blut und noch weniger von einer Wunde.
Sie tastete ein bisschen auf dem Kopf herum.
Fühlte sich fast an wie vor sechs Jahren, als sie das Loch im Kopf hatte. Von damals wusste sie auch noch, dass man so was schnell nähen lassen musste, oder es gab eine richtig fiese Narbe, weil alles so dick angeschwollen war.
Naja, zwischen den Haaren sah man das eh nicht.
Richtige Kopfschmerzen hatte sie auch keine, eher so ein Katergefühl. Ihr Nacken schmerzte, und richtig denken ging schon gar nicht. Eben wie nach einer durchgesoffenen Nacht.

Was tat man in so einem Fall, wenn man im Gefängnis war und ein Loch im Kopf hatte? Klingeln, wie im Krankenhaus?
Johanna sah sich um, konnte aber keine Klingel entdecken, und ein Notfall war das ja auch nicht gerade. Nach irgendeinem Menschen rufen? Nach wem? Waren das Wärter, oder wie nannten die sich? Wächter? Aufseher?
Sie hatte mal das Wort Schließer gehört.
Ein Öffner wäre ihr jetzt lieber, dachte sie, und unterdrückte ein hysterisches Lachen.

Wie es hier wohl weitergehen würde? Gestern Abend hatte die Polizei sie mitgenommen, daran erinnerte sie sich noch, und da war auch ein Richter gewesen. Sie wusste nicht genau, was man ihr vorwarf, obwohl viele Leute viel geredet hatten, und sie auch etwas unterschrieben hatte.
Aber sie war so müde gewesen, so entsetzlich müde, und hatte kaum mitgekriegt, was um sie herum vorging.
Brauchte sie jetzt einen Anwalt? Und wer würde den besorgen? Was kostete das? Es gab Pflichtverteidiger, hatte sie mal irgendwo gelesen. Wer bezahlte die?
Ihre Mutter hatte kein Geld, und ihren Vater konnte man auch nicht fragen.
Der saß immer nur da über seiner Musik und die richtige Welt interessierte ihn wenig.

Aber man würde sie hier bestimmt nicht verrotten lassen, nur weil sie kein Geld hatte.
Schließlich war das hier Deutschland. Ja, das war Deutschland, und das zu-Hause-Gefühl war etwas Neues für sie.
Was für ein Glück, dass sie nicht nach Mallorca geflogen waren- da würde sie nicht mal die Sprache verstehen.
Was für ein Glück. Sie beschloss, vor allem Marleen dankbar zu sein, die sich durchgesetzt hatte mit ihrem Wunsch, an die Nordsee zu fahren.

Aber da war noch Manuel. Wäre Manuel auf Mallorca mit dabei gewesen? Wäre er jetzt auch tot, wenn sie nach Spanien gefahren wären? Sie wusste es nicht. Den Deal mit den Jungs hatte Marleen eingefädelt. Und sie, Johanna, hatte immer noch nicht ganz kapiert, wo Marleen die beiden eigentlich aufgetrieben hatte.

Marleen… das dumme Huhn. Wie hatte sie es geschafft, sie beide in die Scheiße zu reiten?

Ach, Marleen, dachte sie, Marleen, wo bist du? Und warum lässt du mich hier alleine?



Fortsetzung folgt.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Könntest du mal mit dem Scheiß aufhöhren und was lustiges schreiben. das kann man ja kaum aushalten.

Georg hat gesagt…

Hee, Meckern ist erlaubt, aber nicht anonym.
Lily mach weiter. Scheiß ist anders,
Ich find es spannend.

Frau Vau hat gesagt…

Ja, bitte... mach weiter... lass uns so nicht hängen!

Falcon hat gesagt…

Ich wußte, dass Marleen die treibende Kraft ist.
Weißt Du eigentlich schon, wie es weiter- bzw. ausgeht, oder kommt das beim Schreiben?
Und an Herrn bzw. Frau Anonym:
Schau doch einfach mal hier:
http://witze-ueber-witze.de/
Da wirst Du bestimmt mächtig Freude dran haben.

Lily hat gesagt…

@Anonym: You're welcome. Aber anonym rummeckern ist ein fauxpas, neudeutsch No-Go.
@Georg: Danke :-)
@Frau V: Danke, ebenfalls :D
@Falcon: Ich schreib on the fly, sozusagen. D.h., es kann zu einzelnen Widersprüchen und solchen Dingen kommen... und Marleen, die geheimnisvolle und sicher höchst attraktive Marleen mit dem Arschloch-Vater, ja, sie treibts voran.
Mal sehen, wie es weitergeht.

Meise hat gesagt…

Ich will auch wissen, wie's weitergeht!!! :)

Und wer's nicht aushält, kann ja diese Posts geflissentlich überlesen und beispielsweise bei den genialen und lustigen Horoskopen hier bei Lily reinschauen! Nur so ein kleiner Hinweis.