Montag, 6. Juli 2009

Nach Hause

Manchmal will ich einfach nur nach Hause zurück.

Das hat nichts mit der Realität zu tun, die mich dort erwarten würde. Der Rollentausch ist dabei, sich zu vollziehen, und immer mehr Dinge passieren, bei denen meine Eltern meiner Unterstützung bedürfen, und die bekommen sie auch, sofern ich das kann.

Mit den zunehmenden Bereichen, in denen sich die Gewichte verschieben und vor allem Kompetenz abgegeben wird, kommt die Anerkennung, auf die ich lange gewartet habe.

Sie kommt nicht für die Sachen, die ich als meine Stärken und meine Individualität betrachte, sondern für das, was eine brave, gute Tochter ausmacht.

Das ist aber auch kein Wunder...

Meine Eltern wissen nichts von dem, was mich bewegt, was mir Sorgen macht oder Freude, sie wissen nichts von diesem Blog und nichts von den Menschen, die ich hierdurch kennen gelernt habe.
Es gibt Menschen, die ich lieb habe, und die nicht mit mir verwandt sind- und sie kennen keinen einzigen davon, sie wissen nicht mal von deren Existenz.
Sie wissen, dass ich einen sicheren Arbeitsplatz habe, dass ich Auto fahren kann und in der Regel wieder nach Hause finde. Sie kennen meine Adresse und meine Telefonnummern.
Meine Eltern habe ich nie in meine Ehe- und Beziehungsprobleme eingeweiht, jede Trennung, die -bei den Schwiegersöhnen- ja auch irgendwo sie betraf, hat sie überrascht und verletzt. Daran haben sie nie einen Zweifel gelassen.

Sie haben nie gefragt, wie es mir dabei ergangen ist.

Dafür holen sie sich heute bei mir Ratschläge, wie sie den jeweils anderen vielleicht noch bis zur goldenen Hochzeit ertragen können.

Wenn ich dann mal wieder an dem Punkt bin, dass mir das Erwachsensein gehörig auf die Nerven fällt, dass ich keinen Bock mehr darauf habe, für jeden Scheiß ad infinitum allein verantwortlich zu sein, dann will ich erstens auf den Arm, und zweitens nach Hause. Zurück in die legendenhaften Jahre, in denen man rundum versorgt und betreut wurde.

Leider fehlt mir etwas. Nämlich die Zeit von (ungefähr) meinem sechsten Geburtstag bis ca. zum sechzehnten. An Schule, an Kindergarten kann ich mich erinnern- an zu Hause nicht.
Ich wüsste also nicht mal genau, worauf ich mich einließe.
Mein Elternhaus ist für mich eher eine Neuentdeckung. Die Personen, die heute da leben, haben vermutlich nicht allzuviel mit denen gemein, die es früher bewohnt haben. Außer den Namen.



Lily

die sich für alle Beteiligten ein besseres Gedächtnis wünscht.

6 Kommentare:

Frau Vau hat gesagt…

Uff. Harter Tobak. Deshalb, weil ich das auch kenne.
Mit einem Unterschied: ich möchte nicht "nach Hause zurück" wenn man mein Elternhaus meint. Denn zuhause war ich da nie. Niemals!!
Aber ich verstehe was Du meinst, nur zu gut.
Vielleicht wünschen wir uns einfach mal, dafür geliebt zu werden (oder auch nur akzeptiert) für das was wir SIND und nicht für das was wir DARSTELLEN.
Sorry. Falscher Zeitpunkt grade. Mein Vater ist schwer krank und ich musste es von meinem Exmann erfahren.

Lily hat gesagt…

Es wär schon ganz prima, wenn man einfach nur mal damit durchdringen könnte, WAS man ist. Und wenn nicht immer abwechselnd ignoriert und geurteilt würde...

Tut mir leid mit deinem Vater. Sowas ist echt hart. Ich halte alle Daumen.

L

Meise hat gesagt…

Die Sehnsucht nach Geborgenheit, sich aufgehoben fühlen, sicher sein... ach, wie sehr kann ich dir das nachempfinden.

Paula hat gesagt…

Vielleicht hat es ja einen guten Grund, dass Du Dich an diese Jahre nicht erinnern kannst, oder es war einfach nur sterbenslangweilig und ereignislos zuhause?
Wie ist es mit bestimmten Daten, Schulwechsel, die erste Regel, Mutters 40stem Geburtstag o.ä.? Nichs? Nada? Wie sah Dein Zimmer aus, was habt ihr gegessen, wie waren die Weihnachtsfeste? Manchmal kommt die Erinnerung ja mit Musik oder Düften zurück. Geh doch mal an den Plattenschrank Deiner Eltern, sofern vorhanden.

Das Gefühl nach Hause zu wollen wird bei mir immer stärker, je älter ich werde. Natürlich ist zuhause Mann und Kind und Kollgen. Aber "das" zuhause gibt es längst nicht mehr, die Eltern, fast alle Tanten, Onkel etc. tot. Und meine Omas und Opas, die das Gefühl von Geborgenheiot vermittelt haben, auch...seufz!

Ich mache mir mein Zuhause jetzt selbst, koche die Lieblingsgerichte meiner Oma, stelle ihre Lieblingblumen in Vasen und träume vom Sommer in ihrem Garten.

Ob ich wohl auch mal so eine Oma werde (oder vielleicht schon bin?)

uschi aus socal (nein, ich bin keine waschmaschine..) hat gesagt…

Das ist sehr merkwuerdig mit dem 'zu Hause', weil naemlich dann, wenn es ganz weg ist -Eltern gestorben, Haus der Kinderzeit verkauft, man lebt moeglichst weit weg- dann irgentwann fehlt einem noch was. Selbst wenn man vorher kaum bis gar kein seelisches Verlangen oder einfach nur ein Gefuehl der Leere hatte.
Du wirst sehen, irgentwann, wenn du am wenigsten das erwartest, kommen kleine 'clips' zum Vorschein. Ein Sonntagnachmittag. Ein bestimmter Geruch. Ein Teil angeboten auf ebay. Ein song.
Vielleicht sentimentalitaet.
Ich fand grade einen Zeitungausschnitt von meiner Mittelschulfeier. (ca. 1973)

Sei nicht zu streng und nicht zu ungeduldig mit dir.

Was zaehlt, ist nur dein eigenen Urteil.

Klapsenschaffner hat gesagt…

Daheim ist oftmals nicht nur ein Ort, sondern auch eine besondere Zeit...