Weiland vor Zeiten, als ich mein Heim noch mit Mann, Kind und Hund teilte, da hatte die Zeit am Morgen, kurz bevor die Sonne aufging, den einzigartigen Reiz, dass ich auch mal allein sein konnte, ohne dass wer was von mir wollte. Selbst der Hund schlief lieber, als mir um fünf oder noch früher auf den Wecker zu fallen und sogar bis aufs Klo hinterher zu dackeln. Der mir amtlich Zugewiesene schlief gern lang, und der Sohn auch, also hatte die Lily das Haus für sich. Später dann hatte mein Wohnzimmer einen ganz besonders tollen Ausblick nach Osten, und man konnte wunderbar den Sonnenaufgang beobachten- das hab ich dann gern vom Balkon aus getan, und hatte, so fühlte es sich zumindest an, die Stadt für mich ganz allein. Einen Pott Kaffee in der Hand und im Stehen weiter träumen- wunderbar.
Heute morgen :-) |
Inzwischen hat es sich zu einem mittleren Problem ausgewachsen, seit dem nämlich oftmals morgens gegen vier hier die Nacht zu Ende ist. Manchmal auch schon um halb- kommt ganz drauf an.
Meist weckt mich ein niedriger Blutzucker, was rein einstellungsmäßig nur bedingt besser ist als ein viel zu hoher, wie früher. Aber der Nachteil ist, dass die Gegenregulationshormone, vor allem das Adrenalin, einen wirklich wach machen.
Wenn ich dann wach bin, steh ich auch auf. Da man um die Zeit noch nicht gut herumlärmen und beispielsweise Staubsaugen kann, bleibt einem kaum was anderes übrig, als stiller Beschäftigung nachzugehen, was chez Lily bedeutet, dass ich eines meiner Spiele anwerfe und ein bisschen am Rechner zocke. Auf die Weise hab ich einen WoW-Charakter auf Level 82 hochgespielt und nähere mich dem Endcontent. Der Nachteil ist, dass um diese Zeit kaum wer anderes wach ist, also muss ich meinen Kram allein spielen. Auf der anderen Seite ist das auch ein Vorteil, denn so richtig gerne spiele ich nicht mit Anderen zusammen. Bloß blöd, dass der Spielinhalt ab Endstufe eigentlich nur noch den „Spielspaß“ mit Mitspielern vorsieht, da man ja nicht mehr weiter aufsteigen kann. Das bedeutet wohl, dass ich mir demnächst einen neuen Charakter anlegen muss.
Beliebt ist um die Uhrzeit bei mir auch das ein oder andere Klicker-Spiel, Puzzles vor allem. Derzeit sind das Cradle of Rome und Cradle of Persia, die ich schon öfter durchgenudelt habe, als ich zählen kann.
Man sollte glauben, dass ich dann problemlos um sieben im Büro aufschlagen kann, aber weit gefehlt- um die Uhrzeit werd ich wieder müde, und hab gar keine Lust mehr, das Haus zu verlassen. Dumm, das.
Noch dümmer ist, dass ich tagsüber nicht besonders fit bin, selbst wenn ich in der Woche es schaffe, bis zum Weckerklingeln zu schlafen. Auch nach sieben oder acht Stunden Nachtschlaf ist nicht daran zu denken, fit und ausgeruht ans Werk zu gehen.
Dieses Problem, verbunden mit dem drohenden Festwachsen auf der Couch hat mich dann vor einiger Zeit zum Psychiater geführt. Denn ich kenn das nur zu gut: Eine Weile nichts auf die Reihe kriegen, Dinge verschieben, eine Motivation im Minusbereich- das hat schnell Folgen. Abgesehen von dem Charme einer Wohnung, die aussieht wie ein Handgranatenwurfstand, wirkt sich das verheerend auf mein Selbstbewusstsein aus, und nicht alle Dinge, die liegen bleiben, bekommen eine Patina und antiken Charme. Manche werden bissig und haben das Talent, einem fies in die Hacken zu treten. Nachdem ich mühevoll gelernt habe, dass das Sich-Selbst-Mit-Konsequenzen-Bedrohen nicht hilft, um Dinge in Angriff zu nehmen, musste ich mich entscheiden, was zu tun ist. Klar bin ich aus der Klinik nicht gesund entlassen worden, sondern mit einer mittelschweren Depression, aber andererseits auch voller Hochgefühl und tierisch motiviert, ein neues Leben in Angriff zu nehmen. So motiviert, dass ich auf die Empfehlung, in Therapie zu bleiben, nichts gegeben habe. Gleichzeitig zog sich meine Therapeutin aus dem Geschäft zurück, und auf jemand Neues hatte ich keine Lust. Und auf noch mehr Reden eigentlich noch weniger.
Meine Medikamente hab ich natürlich genommen, eine Weile zumindest.
Inzwischen ist das Hochgefühl des Neuanfangs abgeklungen. Ich hab immer noch keine Lust auf endlose Gespräche, und auch das Gefühl, dass sich damit nicht viel ändert- denn die Vergangenheit ist vergangen. Klar weiß ich, dass ich meine Defizite habe, und dass es vielleicht sinnvoll wäre, zu schauen wo die her kommen und ob eine Haltungsänderung und ein offensiver Ansatz mich da weiter bringen. Aber auch darauf erstreckt sich der Motivationsverlust, so dass ich eigentlich erstmal nur neue Pillen haben wollte, die mich verdammt noch mal aus dem Quark holen sollen.
Ergo bin ich dann in eine neurologisch-psychiatrische Praxis gewechselt. Psychologische Psychotherapeuten können bekanntlich nichts verschreiben, und beim letzten Mal hab ich mich erst nach fünf Jahren Therapie getraut, um Medikamente zu bitten- auch weil ich nicht wollte, dass man mich für geil auf Drogen hält.
Die Erfahrungen mit Citalopram, Nortrilen und Fluoxetin haben mich aber gelehrt, dass manchmal eine medikamentöse Behandlung einen erst therapiefähig machen kann. Seit einigen Tagen nehme ich daher ein neues Medikament, einen SNRI, der nicht nur den Serotoninspiegel sondern auch den Noradrenalinstoffwechsel beeinflusst. Die Liste der Nebenwirkungen ist lang, und ein paar sind auch schon aufgetreten und wieder vergangen. Da ich grundsätzlich dem Tablettenschlucken aber keine Einwände entgegensetze, kann ich damit leben, wobei ich auch schon positive Effekte bemerkt habe. Der Mount Washmore ist dem Boden gleichgemacht, und in meinem Schlafzimmer herrscht wieder Ordnung. Bisher hab ich jeden Tag ein kleines bisschen das Chaos beseitigt. Seit gestern hab ich Urlaub, und im Gegensatz zu der grauseligen Zeit über Weihnachten, als ich eine Woche zu Hause im Elend versunken bin und der nicht viel besseren Zeit über Ostern bin ich derzeit guten Mutes, dass diese Woche mich erholt und mit einer neuen Ordnung hier zu Hause und in meinem Kopf zurück lässt. Außerdem wartet die Steuererklärung :-)
Bleibt nur noch das frühe Aufstehen. Das muss ein Ende haben,
meint
DieLily
4 Kommentare:
Gut, dass Du es angegangen bist. Wie du die Schlaflosigkeit morgens bekämpfen kannst, weiß ich leider auch nicht, wenn es einfach wäre, hättest du es schon geschafft.
Bei mir ist es umgekehrt, ich komme abends nicht ins Bett und morgens nicht raus. Motivation? Was ist das..? Vielleicht sollte ich auch mal direkt am Problem arbeiten, aber auf Therapie habe ich überhaupt keine Lust und sehe eine solche auch eher negativ. Bis ich eine Erkenntnis gewonnen habe lese ich bei Dir nach und wurschtel mich so weiter durch meine Tage. Alles Liebe!
Oh je, die Rückfälle, von denen kann ich auch ein Lied singen. Auf meinem Schreibtisch entsteht gerade wieder eine mittlere Katastrophe, nachdem mehrere andere bereits erfolgreich von mir verhindert wurden und ich mich zu schnell zurück gelehnt hatte.
Deine neue Medikation scheint ja was zu bringen. Das morgens zu frühe Aufwachen kenne ich übrigens auch, allerdings nicht ganz so früh und eher nicht durch den Bluztzuckerspiegel hervorgerufen. Ich gehe dann tatsächlich zum Frühschwimmen. Schrecklich mühsam, die ganzen Sachen mitzuschleppen im Rucksack auf dem Fahrrad und so, aber es geht, und hinterher fühle ich mich großartig.
Die Insulineinstellung bei Dir macht's natürlich nicht gerade leicht, seine Gewohnheiten zu ändern. Bleib dran!
Hallo Lily, eine zeitlang hatte ich das auch, obwohl ich sonst eher ein Murmeltier bin. Bei mir war es nur ein Symptom, ich hab mich auf meiner Arbeitsstelle einfach nicht wohl gefühlt. Das wusste mein Körper vor meinem Kopf :o) Ich wünsche Dir alles Gute und viel Erfolg! Liebe Grüße Schweinchen Schlau
@Frau Vau: Therapie als solche ist eine gute Sache, und helfen kann sie auch. Tatsächlich. Natürlich kann man nichts Vergangenes wieder rückgängig machen. Aber die Schäden, die angerichtet wurden, die kann man unter Umständen aufarbeiten. Sich selbst und anderen Menschen vielleicht verzeihen, automatische Reaktionen besser in den Griff kriegen, den Kopf und die Seele freier kriegen... Wunder vollbringt meist auch Therapie nicht, vor allem nicht ohne viel Anstrengung. Aber bis man die aufbringen kann, ist das Medikamente-Nehmen nicht das Schlechteste. Vor allem, wenn, wie man bei mir diagnostiziert hat, der Hirnstoffwechsel nicht ganz rund läuft :-)
@Paula: Rückfälle sind sowas von widerlich- und lassen sich oft mit sowas Banalem wie Routine vermeiden (an dieser Stelle ein herzhaftes Wiehern einfügen) Das Gute an den Medikamenten ist derzeit, dass sie das schlechte Gefühl wegen eines Liegenlassens und damit die Vermeidungshaltung etwas vermindern. Also im Grunde die Angst abmildern, mit etwas anzufangen. Angst ist vielleicht nicht das richtige Wort, Widerwillen auch nicht- aber eine Kombination daraus? Der Diabetes machts wirklich nicht einfacher, wobei Blutzuckerspitzen auch sehr motivationstötend sind, und mangelnde Tatkraft insgesamt einen wiederum daran hindert, sich angemessen um den Blutzucker zu kümmern. Blöder Teufelskreis.
@Fräulein Schlau (ich hab Probleme mit dem Schweinchen:-) )Symptom ist das bestimmt. Wobei ich derzeit nicht mal sagen kann, dass es die Arbeit ist. Wie schon oben gesagt: Mein Hirnstoffwechsel ist gestört, daran liegts vielleicht? Gestern und heute war es kurz vor sechs, als ich aufwachte. Das ist tolerabel. Wenn auch zu wenig Schlaf, wenn man um halb eins erst im Bett ist. Aber normaler gehts vermutlich im Moment einfach nicht. Ich muss nur zusehen, dass ich mir das tagsüber Schlafen bis zum Wochenende wieder abgewöhne. Sonst beschweren sich nächste Woche die Kollegen über mittägliches Schnarchen :-)
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