Ihr habt ja bereits beim letzten
Posting gemerkt, dass ich so langsam die Kamera warm laufen lasse, um
für künftige, spektakuläre Fotos jederzeit in Bereitschaft zu
sein. Macht euch also gefasst (zumindest auf Verweise zum
Flickr-Account und anderen Spielwiesen der Pixeltechnik).
Mein Wohnzimmerfenster samt Balkontür
haben einen Blick nach Osten, und damit auf den Sonnenaufgang. Wenn
ich aus dem Haus gehe, liegt rechts die Straße runter ein
Feuchtgebiet (dollerweise auch noch Naturschutzgebiet), über dem
jeden Morgen zu dieser Jahreszeit ein sehr dekorativer Nebel
aufsteigt. Und obwohl es auf meinem Rechner Hunderte von
Sonnenaufgangs- und Nebel-über-den-Wiesen-Bildern gibt, wird mir das
nicht langweilig. Und heute werden Freundin Nicole und ich
Gelsenkirchen heimsuchen. Nicht wegen der idyllischen, altertümlichen
Innenstadt, denn die kann man nur genießen, wenn man auf Bausünden
steht (sorry, Gelsenkirchener, aber ich krieg Alpträume in der eurer
City), sondern wegen des Zoos.
Ich steh auf Zoos, obwohl ich weiß,
dass die durchaus kritisch gesehen werden können. Sämtliche im
Fernsehen ausgestrahlte Zoo-Soaps stehen auf meiner Programmliste und
werden täglich als erste angeschaut, sofern ich Zeit zum Fernsehen
hab. Klar ist das alles hübsch geschönt, und sehr vermenschlicht,
aber egal, ich steh drauf. Außerdem bieten die Tiergärten und Zoos
eine Gelegenheit zum Fotografieren, die man sonst nicht ohne weiteres
hier findet. Vor allem Aquarien sind da sehr dankbar, und wer immer
die Geduld hat, mit mir dorthin zu pilgern, verdient höchste
Anerkennung und tierische Lobpreisung, weil es ätzend ist, alle
zwanzig Meter stehen bleiben zu müssen, während ich vor mich hin
murmele und das gleiche Bild fünf Mal mache, damit es so ist, wie
ich das will.
Heute geht es also in den
Zoom-Erlebnispark, wie der Laden heutzutage heißt. Früher war
dieser Zoo mit das abschreckendste Beispiel dafür, wie man es nicht
macht- Großkatzen in Käfigen, die nicht größer waren als mein
Badezimmer, also so drei Quadratmeter, vielleicht auch vier. Der
Besucher konnte die Tiere sehen, das war aber auch alles. Gruselige
Beispiele von Hospitalismus in jeder Betonzelle, deprimierende
Gestalten, voller stereotyper Bewegungen und ritualisierter
Übersprungshandlungen. Schrecklich.
Ich hab immer noch Bedenken, vor allem
bei Arten, die man als Wildtiere durchgehen lassen könnte, und bei
Bewegungstieren mit großen Revieren in ihrer Heimat. Elefanten zum
Beispiel werden bereits seit Jahrhunderten als Haustiere
domestiziert, trotzdem bin ich nicht sicher, ob diese ja nomadisch
lebenden Tiere in Zoos zufrieden sind.
Große Primaten sind ein anderes
Beispiel. Die Dichte der Tierhaltung ist in Zoos bestimmt
grenzwertig- trotzdem leben gerade gefährdete Arten dort sicherlich
besser als vielerorts, wo sie als Haustiere gehalten, geschlachtet
und gegessen werden.
Die Erhaltungszuchtprogramme tun anscheinend
viel Gutes. Nur: Wozu erhalten wir die Arten? Ist damit zu rechnen,
dass die Tiere irgendwann als Art zurück kehren können in ihre
Habitate? Geschieht das alles nur, um einen lebendigen
Aufbewahrungsort für die Genome der Arten zu behalten? Nach dem
Motto: Schaut mal, da ist unser Gen-Vorrat, sieht doch nett aus,
zahlt bitte Eintritt?
Ich glaube, da sollten wir uns nix vormachen.
Die Tiere werden in Zoos aufbewahrt, weil sie ansonsten umgebracht
würden, da dem Menschen im Weg. Es befriedigt das ästhetische und
wissenschaftliche Interesse der Menschen, sie dort zu halten. Man konnte damit auch mal Geld machen und auch bedrohte und bereits nicht mehr in der Natur
vorhandene Tiere besichtigen.
Ein reines naturschützerisches
Interesse kann ich aber nur dort erkennen, wo auch die
unscheinbaren, nicht spektakulären Arten gehegt und gepflegt werden,
auch und vor allem in den „Backstage“-Bereichen, wo kein Besucher
vor einem Gitter steht. Diese Bereiche gibt es, wie alle Zuschauer
der Serien „Tiername, noch 'n Tiername und Co“ wissen.
Auffallend ist für mich, dass die
Umgebung der Tiere dort wesentlich schlichter und anregungsärmer ist
als in den Schauen. Mir ist schon bewusst, dass es viel Geld kostet,
einen kleinen Dschungel vorrätig zu halten, damit sich ein Nasenbär
drin verstecken kann. Das Geld spart man sich in den Boxen hinter der
Bühne.
Da beschleicht mich dann aber der Verdacht, dass die
„Naturnähe“ der Schaugehege vorrangig das Bedürfnis der
Besucher bedient und nur am Rande die Ansprüche der Tiere. Abgesehen
davon, sind viele der scheueren Arten trotz aller „natürlich“
eingerichteten Gehege nicht in der Lage, dort die Deckung zu suchen,
die sie vielleicht haben möchten. Wäre das anders, bekäme kein
Besucher sie zu sehen.
Dass Quarantäne- und
Eingewöhnungsräume anregungsarm und eher schlicht ausgestattet
sind, versteht sich von selbst, derartige Zimmer sind auch für
Menschen nicht anders eingerichtet, weil ihr Hauptziel eben ein
praktisches ist, und Quellen für Infektionen und solche Dinge
ausgeschaltet werden müssen.
Als regelmäßige Zuschauerin der
Zoo-Soaps meint man, das Dilemma der Beschäftigten dort zu erkennen:
Der Respekt vor dem Tier als wildem Geschöpf gegen die Bedürfnisse,
sich die Arbeit beherrschbar zu gestalten, und auch gegen die eigenen
Bedürfnisse nach Kontakt und einer Beziehung zu den Wesen, mit denen
ihr Arbeitsalltag sich befasst.
Das hat vielleicht auch damit zu tun,
dass alles andere, also die emotionslose Versorgung eines scheuen,
wilden Tieres und damit die Respektierung seiner Verschiedenheit von
uns schwer aushaltbar wäre- ich käme mir vor wie ein Sklave einer
fremden Spezies. Futter zugänglich machen, Kot wegräumen, damit
wäre alles getan. Ziemlich stumpf- und keiner von den im Fernsehen
vertretenen Pflegern macht den Eindruck, als wäre er oder sie
stumpf. Im Gegenteil. Sie alle haben eine Beziehung zu ihren Tieren,
viele Tiere tragen Namen, kennen ihre Pfleger, oder diese gehören
sogar zu ihrer Herde, wie bei Elefanten. Trauer herrscht, wenn eines
stirbt, und jede Lebensäußerung wird liebevoll betrachtet und
kommentiert. Der Tapirmann bemüht sich um seine Frau, und die
Pfleger schauen von ferne zu, immer auch ein bisschen vermittelnd,
dass sie sich fast wie Voyeure fühlen.
Der einsame Schildkrötenmann kriegt
einen Gefährten, und da geht es nicht um die Fortpflanzung, sondern
um Gesellschaft.
Damit ist alle Distanz zum „Wilden“
dahin- oder?
Ich glaube, Zoos dienen im Wesentlichen
dazu, uns immer wieder zu zeigen, dass wir eben nicht alleine hier
sind. Dazu kommt, dass viele Arten einfach atemberaubend schön sind,
und dass das ein Reichtum ist, den wir uns auf diese Weise in unsere
Nähe holen. Wenn wir uns und unsere Bedürfnisse auf diesem Gebiet
ernst nehmen, dann sind Arterhaltungsprogramme und die Rolle der Zoos
als Schutzräume nur ein weiterer, durchaus ehrenwerter Aspekt.
Sofern den Bedürfnissen der Tiere weitestmöglich Anerkennung
gezollt wird (und es wird sich sicherlich vieles ändern in den
nächsten Jahren- vielleicht trägt eine Spezialisierung der Zoos auf
bestimmte Arten, Gebiete oder Ökosysteme da gute Früchte) können
Zoos sicherlich auf eine Weise Nähe zu unseren Mitgeschöpfen
vermitteln, die heutzutage sonst schwer zu erreichen ist. Und deshalb
mag ich sie, unsere Zoos. Und auch die Pfleger, vor allem die aus
Leipzig :)
Ach ja: Fotos kommen, bestimmt :)))
Schönes Wochenende
vonne Lily.
8 Kommentare:
Ich mag die Leipziger auch.
"Geh'n wir mal zu Hagenbeck, Hagenbeck, Hagenbeck...", da geht es ziemlich artgerecht zu. Du bist eingeladen, nach Hamburg zu kommen. Das Gästezimmer ist jetzt fertig. Echt jetzt!
@Georg: An zweiter Stelle stehen München und Berlin.
@Paula: Echt? Cool :)
Ja echt, guck mal in Deine mailbox!
Hafenbecken ist klasse.
Was für ein Scheiß. Soll natürlich Hagenbeck heißen.
Gibt auch nette Hafenbecken. Frag mal die Mafia :)))
Geeignetes Schuhwerk vorausgesetzt...
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