Samstag, 17. Mai 2014

Und wenn es nur dafür gut ist...

es gibt bekanntlich Dinge, die man nicht so gern erlebt (Hinweis: Ja genau die). Gern fragt man sich dann, was das Schicksal (man kann auch eine Schöpfungseinheit fragen, kein Problem) einem eigentlich damit sagen will.
Und jetzt spulen wir mal ein bisschen hin und her in meinem Leben...
Wie einige von euch wissen, ist meine höchsteigene Mutterschaftserfahrung etwas, was ich eigentlich niemandem wünschen würde. Angefangen mit einer Schwangerschaft mit 17, die ich selbstverständlich allein erleben durfte (Warum gehen Väter? Richtig, weil sie es können. Aber Mütter würden es auch tun, bzw. tun es, wenn man sie lässt), durch einige Jahre, in denen ich vieles hätte besser an meiner Seite haben können als ein Baby/Kind, bis hin zu zwei kaputten Ehen, die weder mir noch meinem Sohn gut getan haben- alles nicht so prickelnd.
Diese ganzen Jahre haben mich zwar nicht an meinen Erziehungsprinzipien zweifeln lassen, wohl aber oft an mir. Denn Prinzipien sind das eine, zu wissen, das jetzt gerade eigentlich was anderes wichtig gewesen wäre, sich aber nicht dazu durchringen zu können, ist etwas komplett anderes.
Zu Deutsch: Ich hab soviel falsch gemacht, aus den falschen Gründen, dass ich seit Jahren auch auf dem Mutterschafts-Gebiet voller Schuldgefühle bin.
Dass mein Sohn mittlerweile über 30 ist, macht es nicht besser, denn die Zeiten, in denen man hätte noch Einfluss nehmen können, sind natürlich lange vorbei.
Statt eines gesunden Frühstücks und immer gebügelter T-Shirts mit 5 hab ich in den letzten Jahren zu einem Micro-Post-Adulten-Sohn-Management Zuflucht genommen- ihn eigentlich in Ruhe gelassen, aber von Zeit zu Zeit meine Ideen von seiner Lebensgestaltung mittels "geschickter" Anrufe und so einfließen lassen in seinen Alltag.
Nach Raphaels Geburt hab ich noch einen Zahn zugelegt. Verwaltung ist mein Fach, und es gab massig Dinge zu regeln. Immer dem Geschehen mehrere Meter voraus, schritt die Lily munter fürbaß, und telefonierte, mailte, faxte und machte Leute verrückt (am meisten mich selbst).
Irgendwann mittendrin, kurz vor einer ernsten Krise, hab ich den Anker geworfen. Ich saß, sozusagen, bis zum Hals in Vordrucken, hatte an zwei Telefonen gleichzeitig drei Leute und war insgesamt mega-aufgeregt. Alles natürlich nur, um meinem Sohn behilflich zu sein.
Als ich da dann so saß, stellte ich fest, dass das wirklich nicht das ist, was er benötigt. Er scheint "alles zu seiner Zeit" tief in sich verankert zu haben, und ich hab Gas gegeben bis alle Motoren auf Höchstlast liefen. Statt dessen brauchte er emotionale Unterstützung, jemanden, der ihn herumfährt und ihm das Taschentuch reicht, wenn es mal wieder nötig ist.
Ich hab mich dann zwei Tage komplett ausgeklinkt, hab nur mit ihm und den beiden besten Freunden auf der Welt telefoniert, und mich vor allem nicht von denen erreichen lassen, die selbst getröstet werden wollten. Denn wie traurig ich selbst war, das hab ich auch schön unter dem Vordruck-Berg begraben. Und Leute, die mir mit Jammerstimme ihr Elend vortragen, konnte ich nicht gebrauchen, die mussten sich wen anderen suchen in dieser Zeit.
Es ist mir nicht leichtgefallen. Denn natürlich bin ich gern die, die die Kontrolle hat. Und die abzugeben ist tricky.
Es fällt mir auch immer noch schwer, die Klappe zu halten, und nur dann was zu tun, wenn er akut einen Wunsch nach Hilfe äußert.  Aber es hilft, wenn ich sehe, wie bewundernswert er diese ganze Angelegenheit in Angriff genommen hat, auf wie vielen Gebieten er außerordentliche Reife, Kompetenz und auch Konsequenz zeigt.
Egal, was zu tun ist und was zu entscheiden ist, er drückt sich nicht. Im Gegensatz zu seinem eigenen Vater hat er nicht eine Sekunde lang Zögern gezeigt, zu seinem Sohn zu stehen. Es gab immense Schwierigkeiten, die ich hier nicht ausbreiten kann, die einen heiligen Nobelpreisträger gefordert hätten, und er hat das geschultert und seine Last aufgenommen wie ein Champion. Er ist mit einem knüppelharten Schlag in den übelsten Ecken des wirklichen Lebens angekommen, ist grau geworden dabei und macht trotzdem weiter.
Und es tut gut, zu erleben, dass seine sonstige Umgebung, von der Familie über Freunde bis zu seinem Arbeitgeber, ihn ebenso wahrnimmt. Alle diese Menschen stehen ihm zur Seite, und helfen ihm mit den konkreten Herausforderungen, wie der schlichten Tatsache einer Bestatterrechnung, die nur relativ gesehen niedrig ist. So gute Freunde hat nur jemand, der sie auch verdient.

Wie das Mütter gern mal so sagen: Ich hätte ihm diese Geschichte gern abgenommen.
Aber ich fürchte, ich hätte das nicht so  gut gemacht.
Was übrig bleibt, ist meine neue Sicht auf meinen Sohn, ein erheblich engerer, emotionalerer Kontakt mit ihm und das gute Gefühl, dass ich ihn nicht  kaputt gemacht habe.
Und wenn es nur dafür gut ist, kann ich das ganze Elend annehmen.





4 Kommentare:

SassenachvonWaldweiler hat gesagt…

Liebe Lilly, leise lese ich hier und leide und trauere mit euch mit. Auch wenn ich nur in Dein/Euer Leben reingelinzt habe, erlaube ich mir doch Dir mitzuteilen, dass Du vieles in Deinem Leben richtig gemacht hast - viel mehr als Du selbst wahrnimmst. Das Ergebnis ist Dein Sohn, der in einer sehr schweren Zeit so reagiert hat wie er es getan hat: mit Herz, Verstand, Mut und dem Wissen, das Du da bist wenn er Dich braucht. Und alleine zu Wissen, da ist die Mutter die zu mir steht wenn ich sie brauche - alleine das zu wissen ist mehr wert als alles was Du sonst hättest tun können.
Dieses Glück, eine solche Mutter zu haben hat nicht jeder.

Sei stolz auf Deinen Sohn und vor allem auf Dich. Niemand ist perfekt, niemand macht alles in seinem Leben richtig. Und das braucht man auch nicht - Fehler sind dazu da gemacht zu werden und daraus für die Zukunft zu lernen.

Die Göttin wacht über Dich und Deine Familie. Wer weiß für was es gut war .......

Sasse

Frau Vau hat gesagt…

Ich denke auch, dass dein Sohn eine tolle Mutter hatte und hat. Du bist eine tolle Person und tust nicht so, als seist du perfekt gewesen. Das ist niemand von uns. Die wenigsten nur können das vor sich und ihren Kindern zugeben.
Das Schlimmste, was einem Jugendlichen passieren kann, ist, die Eltern (oder ein Elternteil speziell) vom hohen Sockel der Perfektion stürzen zu sehen.
Und du warst jetzt da, als er dich gebraucht hast und hast selbst gemerkt, was wichtig ist. Das ist mehr, als die Meisten merken würden.
Sei stolz - nicht nur auf deinen Sohn, sondern auch auf dich und deine Leistung als Mutter.

Lily hat gesagt…

Danke euch. Über euer Lob muss ich noch mal nachdenken.

Paula hat gesagt…

Wie schön,ein guter Junge, der erwachsen geworden ist. Er kommt nach Dir und nicht nach seinem Vater, so entscheidend sind die Gene anscheinend auch wieder nicht, sondern das Vorbild, Glückwunsch!