Gestern Abend im WDR lief eine „Menschen-hautnah“-Folge, deren Thema besagtes Schreien war.
Zwei Kinder, die einfach nicht zur Ruhe kamen, die schrien und schrien und schrien.
Woraufhin mir erstens wieder klar wurde, dass Babyschreien zu einem der schrecklicheren Geräusche auf dieser Welt gehören (dicht gefolgt von Howard Carpendale) und zweitens, was ich für ein elendes Glück hatte, als mein Sohn so klein war. Der war definitiv kein Schreikind, schlief recht schnell in der Nacht befriedigend lang, und war auch sonst als Baby recht pflegeleicht.
Die Konditionierung auf Babygeschrei als solches hat aber trotzdem geklappt. Bei diesem Geräusch kann ich weder essen noch schlafen noch denken. Ich werd unruhig, mir bricht der Schweiß aus, und ich schwöre, wenn’s lang genug dauert, schießt die Milch ein.
Außerdem macht es mich aggressiv. So aggressiv, dass ich mir sicher bin, mich nicht all diese Monate hindurch beherrschen zu können, die diese Familien hinter sich hatten.
Was mir auffiel, war die soziale Ähnlichkeit der Familien, wobei n=2 keine wirklich verlässliche Stichprobe für eine Aussage ist- beides Akademikerfamilien, sämtliche Eltern nicht mehr ganz jung, beides Einzelkinder.
Die Reaktionen der einen Frau zeigten, dass jede Schreiattacke der Tochter dazu führte, dass sie sich als Versagerin fühlte- nicht nur, weil das kleine Mädchen sich von ihr nicht beruhigen ließ (auch vom Vater nicht), sondern weil sie dieses Geräusch als zermürbend und wütend machend erlebte. Was es auch ist. Rein überlebenstechnisch müssen Kinder in dem Alter laut und deutlich auf sich aufmerksam machen können.
Die andere Frau war an einem Punkt angelangt, an dem ihre Gesundheit ernstlich auf dem Spiel stand. Der Sohn war bereits einige Monate alt, und sie hatte eben diese Monate hindurch keine einzige Nacht durchgeschlafen. Teilweise hatte er sie jede Stunde wachgebrüllt- als das dann endlich aufhörte, war sie unfähig, selbst in den Schlaf zu finden.
Was auffiel, war die unglaubliche motorische Unruhe beider Kinder. Auch nach Stunden endlosen Schreiens zappelten und wackelten und drehten sie sich, dass man sie kaum bändigen konnte. Beide Kinder wirkten wütend und total übermüdet.
Die Reaktion der Eltern war, das Schreien möglichst abzustellen. Verständlich, aber größtenteils erfolglos insofern, als dass dann zwar erstmal Ruhe herrschte, an Schlafen, auch der Kinder, jedoch nicht zu denken war.
Waren die Brüllbärchen dann im Bett, und fingen wieder an, Theater zu machen, wurde zumindest der kleine Junge nach 6-7 Minuten immer wieder hoch genommen und rumgeschleppt, es wurde gewippt, geschaukelt und Spazierengegangen. Müde wurden davon nur die Eltern.
Den Eindruck, den der Zuschauer gewinnen konnte, teilte wohl auch die Schrei-Ambulanz, die von den beiden Paaren aufgesucht wurde.
Die Kinder vollkommen reizüberflutet, die Eltern am Ende ihrer Kräfte, um Haares Breite von einem Nervenzusammenbruch entfernt. Die Kinder hatten nie das Schlafen gelernt. Demzufolge kamen sie nur selten in den benötigten Tiefschlaf, waren nicht ausgeruht und niemals gut drauf- was wiederum die Eltern belastete, die von ihren Kindern nicht so begeistert waren wie sie sich das immer erträumt hatten, und entsprechend unter Stress standen. Ein übler Teufelskreis.
Durchbrochen hat das eben diese Schreiambulanz mit guten Ratschlägen, die eine Mutter musste mit ihrem Sohn ins Krankenhaus, weil sie zusammenbrach.
Dort haben sich dann speziell geschulte Schwestern des Kindes angenommen, und ihm vermittelt, wie man schläft. Dazu stand die Schwester am Bett des Kindes, klopfte ganz leicht mit einer Hand auf den Bauch des Kindes, damit es spürte, dass es nicht allein war, und schirmte mit der anderen Hand alle optischen Reize ab- hielt die Hand dem Kind so über die Augen, dass er einfach nichts mehr sah. Dazu ließ sie ihn schreien. Die Mutter musste das Zimmer verlassen, weil sie nicht aushielt, dass das Kind schrie. Aber im Gegensatz zu ihren eigenen Versuchen hat der liebe Kleine bei der Schwester weder vor lauter Gebrüll gekotzt, noch Tränchen rausgequetscht. Er war einfach nur wütend, und dann müde und wütend, und dann schlief er ein. Nach ein paar Tagen schlief er nicht nur die Nächte durch, sondern auch noch zweimal am Tag eine Stunde lang.
Ich bin im Nachhinein sehr, sehr froh, dass meine Mutter und meine Tante mir damals deutlich gemacht haben, dass man mit einem Kind abends keine Sperenzchen macht, sondern so unaufgeregt und ohne Bohei wie möglich selbiges abfüttert und in die Kiste packt. Dann Spieluhr an, Licht aus, Tür zu. Einige Zeit Geknötter inklusive.
Wenns wieder wach wird und schreit: Nicht rausnehmen, Schnuller wieder rein, im Bett beruhigen und dann auch wieder gehen.
Nächtliche Fütteraktionen so uninteressant und reizarm wie möglich gestalten: Kein Licht. Keine Musik, nicht sprechen. Es ist Schlafenszeit, keine Erzählzeit!
Ich bin deshalb so froh und dankbar, weil ich dieses Geschrei keine Woche durchgehalten hätte. Geschweige denn ein Dreivierteljahr.
Donnerstag, 7. August 2008
Schrei, Robin, schrei…
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
7 Kommentare:
ich auch nicht! Ich habe mich nur gewundert, wie offen die Eltern zugegeben haben, dass sie dem Kind beinahe etwas angetan haben. Jedenfalls haben sie das in der Vorschau in der aktuellen Stunde gesagt, und ich hatte vollstes Verständnis für sie. Ich denke, dass Babygeschrei den Eltern vermittelt: kümmert euch gefälligst um mich. Und das tun sie dann - gut gemeint, aber manchmal zuviel. Ich hätte gar nicht erst so lange durchgehalten wie die Eltern, ich hätte mich vorher schon freiwillig einweisen lassen, weil ich für nichts hätte garantieren können. Du hast recht: es ist ein scheußliches Geräusch, aber davon und davon, dass Erwachsene alles tun um es abzustellen, leben die Kleinen nunmal.
Ich sag doch: keine Kinder kriegen ;-)
Oh Goooooott!
Ich kann da nicht mitreden, aber große Augen und einen kleinen Schrecken habe ich doch bekommen!
Uuiiiii, ich habe eine Wortbestätigung mit vier(!!!) Vokalen!!!! Wird gleich geschickt! ;)
Na, es ist reine Glück das ich bin wie ich bin und werde nie kinder kriegen. Wir wissen schon das ich bin nicht der Modell der Geduldigkeit ;P
Wohlgemerkt: Das waren die Sorte Eltern, die vermutlich am geduldigsten und selbstkritischsten an die Sache herangehen. Wenn die Art Kinder auf andere Eltern trifft... naja, vielleicht hätte sich das nicht erst so extrem entwickelt, weil vermutlich eh keiner die richtig armen Kinder nachts hoch nimmt. Aber dennoch.
Ich glaube, diese Eltern waren auch deshalb so fertig, weil sie sich nicht vorher vorstellen konnten, dass sie mit all ihren Fähigkeiten von 3 bis 8 Kilo Kind einfach ausgezählt werden könnten. Was nicht hämisch gemeint ist.
Alles in allem weiß ich auch, dass ich mit Mitte zwanzig noch erheblich bessere Nerven für sowas hatte als mit Mitte dreißig und älter. Da bleibt man doch etwas gelassener. Oder auch gemeiner, und lässt mal schreien, bei geschlossener Tür und mehrere Räume entfernt.
Ich bin ja auch ganz froh, dass unsere Tochter kein Schreikind war.
Es gab, soweit ich mich erinnere, eine knappe Woche, wo sie Abends sehr ungehalten war, aber dann war das auch vorbei.
Und bis heute ist sie ein liebes Kind.
Ps.: Auch vier Vokale
Ich hatte auch so ein Kind und bin nach drei Monaten beinahe in der Klapsmühle gelandet, Schreien durchgehend zwischen 19:00 und 23:00 Uhr, jeden Abend, bis ich nicht mehr konnte und in Tränen ausgebrochen bin, und dann noch nachts alle 3 Stunden wach zum Füttern. Die nächtlichen Unterbrechungen gingen ungefähr
2 Jahre lang. Ich hätte die Hilfe von professionellen Baby-Beruhigern gut gebrauchen können, denn die Tipps meiner Mutter und alten Tanten aus den 50er Jahren kamen für mich nicht in Frage (Schnuller in Zucker wenden, schreien lassen). Auch gab es bei uns keinen Schnuller, weil wir unser Kind nicht zu einem "Oralmonster" erziehen wollten (immer wenn ich frustriert bis, gibts was zum Lutschen, damit es später keine Ess- und Gewichtsprobleme bekommt.
Das mit dem Schnuller sehe ich auch heute noch so, alles andere würde ich natürlich anders machen. Aber hinterher ist man ja immer schlauer.
Kommentar veröffentlichen