Donnerstag, 23. April 2009

Da krisch' Plack.

Mein Name ist Lily, und mein Sohn ist, ebenso wie ich, chronisch krank.

Im Gegensatz zu „bei mir“ ist es „bei ihm“ nichts Stoffwechseliges, sondern ein Anfallsleiden.

Alles fing ganz harmlos an mit ein paar Fieberkrämpfen als Kleinkind, setzte sich nach über zehn Jahren Pause (jay- wir hätten sie genießen sollen!!) in der Pubertät als Grand-Mal-Epilepsie fort („Ich kann Ihnen aber sagen, Frau Lily-Sohn-Mutter, dass diese Anfälle nach dem 20. Lebensjahr aufhören“, so der väterlich-weise Professor, als der erste Notarzteinsatz zu einem mehrtägigen Krankenhausaufenthalt des 16jährigen Lily-Sohns geführt hatte).

Nun denn, der zwanzigste Geburtstag näherte sich, die Medikation änderte sich nicht, die Anfälle, selten aber einprägsam, ebenfalls nicht.

Die Zeit schritt ins Land, der behandelnde Neurologe wandelte weiterhin auf den Pfaden der althergebrachten Präparate, und mein Sohn wurde a) dick, b) immer dicker, c) schlecht gelaunt, muffelig und verpennt.


Lily zog in eine eigene Wohnung, Lily-Sohn auch, und die Anfälle wurden häufiger.

Des öfteren zerbiss er sich derartig die Zunge, dass er tagelang kaum sprechen konnte.

Das eine oder andere Mal trug er ein prachtvolles Veilchen spazieren, samt Platzwunden von Stürzen, mitten im Gesicht. Das machte ihn nicht schöner.

Dann kam der Tag, an dem ich einen Anruf bekam, dass er auf dem Weg zu einer Klausur einen Anfall hatte, draußen auf der Straße, und per Rettungswagen und Notarztbegleitung auf einer örtlichen Neurologie gelandet war.


Da konstatierte man dann, dass das Präparat, welches er seit nunmehr über 10 Jahren nahm, schon ungefähr genau so lange nicht das Medikament der Wahl war, erstens wegen seines Alters, zweitens wegen zu befürchtender Nebenwirkungen und, und, und.


Ein neues Präparat wurde verordnet, von einer neuen Ärztin, und es wurde schlimmer.

Die Dosis wurde angepasst, die Anfälle blieben, und steigerten sich bis auf zwei Anfälle je Woche- das Problem ist nicht der Anfall selbst (mal abgesehen von der Unfallgefahr, wenn knapp hundert Kilo Kerl zu Boden rauschen), sondern auch die zwei bis drei Tage, bis er wieder komplett fit ist.

Das verträgt sich nicht gut mit einem Studium, vor allem, wenn (auch stressbedingter) Schlafmangel krampfauslösend wirkt. Klausuren sind da schon eine Herausforderung.

Die Neurologin, sehr engagiert, war nicht bereit, die Flinte ins Korn zu werfen, zumal das neue Präparat mir meinen alten, fröhlichen, witzigen und warmherzigen Sohn wiedergegeben hatte.

Statt dessen hat sie ein weiteres Medikament verordnet.

Seither geht’s. Es gibt Auren und sich ankündigende Ereignisse, durch Stereotypien im Verhalten erkennbar. Er kann inzwischen einschätzen, wie die Gefahrenlage ist, kann sich prophylaktisch hinlegen und somit zumindest Verletzungen vermeiden.


Dann kam die Uni-Verwaltung, und wollte, wie jedes Semester, die Studiengebühren.
Unter anderem wegen der Erkrankung hat das Studium schon geraume Zeit gedauert. Deshalb, und weil eine gewisse Uni-Müdigkeit nicht zu verleugnen ist (fragt mich mal- ich hab das inzwischen auch...) ist der Lily-Sohn in Beratung beim Studentenwerk, wo man ihm den Tipp gab, sich von den Gebühren wegen Krankheit befreien zu lassen.

Gesagt, getan, Bescheinigung der Ärztin, und gut.


Es kam der März 2009. Und ein neues Semester.

Mein Sohn, clever wie er ist, besorgte Die Magische Bescheinigung- nur um zu erfahren, dass sie nicht ausreicht.

Die zweite, nachgereichte Bescheinigung war auf dem falschen Briefpapier. Bei der dritten fehlte der Stempel. Die vierte, eine Din-A-4-Seite lang, enthielt Stempel, Unterschrift, jede Menge vielsilbiger Worte in Mediziner-Latein und eine eigenhändige Unterschrift der Ärztin, die inzwischen leicht angepisst ist.

Letzten Mittwoch kam eine E-Mail (!!). Wenn der Lily-Sohn nicht bis gestern, 15 Uhr, eine aussagekräftige Bescheinigung vorlegte, würde der Antrag auf Befreiung abgelehnt...


Aussagekräftig? Wtf??? Das einzige, was der Bescheinigung fehlte, war eine exakte Voraussage des Zeitpunkts des nächsten Anfalls.


Zeit für Lily, einzugreifen....




Fortsetzung folgt.

Sobald ich vom Arzt zurück bin.




3 Kommentare:

nicole hat gesagt…

die deutsche ordnung/wahnsinnigkeit läßt grüßen...oh man. fein, dass endlich eine gute medikation gefunden wurde!

Frau Vau hat gesagt…

Epilepsie ist immer noch die am schwierigsten zu behandelnde und einzustellendste (sowie zu diagnostizierende..ich spreche aus erfahrung) krankheit überhaupt. die neurologin meines sohnes hat mir mal in einem schwachen moment zugegeben, dass im prinzip die ganzen neurologen nur im trüben fischen und eher darauf hoffen, mit der dritten oder vierten (fünften, sechsten....fff) medikation einen glückstreffer zu landen. bei meinem sohn hat sich (zum glück????) die diagnose als falsch herausgestellt - die vielen fragezeichen stehen da, weil sohny über 12 jahre lang medis nehmen musste, die seine entwicklung behindert, sein wesen verändert und dann eben auch noch zu nichts nütze waren..... und mit institutionen hatten wir auch das ein oder andere "schöne" erlebnis. ich könnte heute noch wutanfälle kriegen, wenn ich nur daran denke, was der arme kerl alles mitgemacht hat und was ihm alles entgangen ist.
uff.
tschuldigung.
wollte eigentlich nur glück wünschen für die tigermama!!

Paula hat gesagt…

Mit solchen Sachbearbeitern muss man immer persönlich reden und ihnen ins dumme Gesicht sehen. Pass nur auf, dass Du nicht den Impuls verspürst, das dämliche Gesicht dann etwas zu "bearbeiten".

Daumendrück, dass er durchhält und Glückwunsch, dass er wieder der "Alte" ist.