Mittwoch, 2. Juli 2008

Neues von der Baustelle neben dem Büro-Haus

Oder: Das Gute ins Töpfchen, das Schlechte ins Kröpfchen

Da draußen setzen sie gerade eine Maschine ein, die ist der TRAUM aller Sandkasten-Baumeister.
Nämlich eine Maschine, die Erde siebt. Ganz allein…
Man baggert und baggert, und schippt dann mit dem großen Bagger die Erde aus dem Boden und wirft sie in die Maschine. Die Erde läuft dann über Rollen und Bürsten und Kram. An der einen Seite der Maschine kommt ein Band raus, das transportiert das Gerümpel auf ein Häufchen und an der anderen Ecke ist ein Band, das den Mutterboden auf einen anderen Haufen befördert.

Toll.

Und am Baggersteuer sitzt ein Junge. Vielleicht 16? 17? Der hantiert mit den zwei oder wie viel Joysticks man da hat, als säße er an seiner Wii.
Kann man damit vielleicht schon baggern lernen?
Wenn er fertig gebaggert hat (also wenn der Töpfchen-Haufen (neee, wie hört sich das denn an?) so hoch ist, dass das Förderband keine weitere Erde mehr drauffördern kann, dann beläd er mit dem Bagger einen LKW. Der LKW fährt dann weg (und vertickt den- recht gut aussehenden- Boden minus Steine, Wurzeln und Zeugs vermutlich an der nächsten Straßenecke für teures Geld).

Ab und zu findet der Bagger einen dicken Brocken Fundament. Also Beton. Vorkriegsware, so wie das aussieht.
Wenn der von der Schaufel aus auf den Boden knallt, dann wackeln hier die Wände.

Überhaupt hat uns alle gewundert, dass unter dem ehemaligen Schulhof, den sie da gerade zu bebauen beginnen, offenbar noch alte Fundamente liegen. Gemauerte Wände, also vermutlich kein Bunker. Keine Kellerdecke, einfach zugeschüttet und den Boden drüber verdichtet, wassergebundene Decke drauf und gut wars- so wie es aussieht, viele Jahre lang.

Das Gebäude, in dem wir hier arbeiten, hat eine Geschichte als Wohnheim für Polizisten (gaanz früher). Um die Kriegsjahre herum findet man in alten Unterlagen für das Gebäude viele polnisch und schlesisch klingende Namen. Vielleicht haben hier Flüchtlinge gelebt, vielleicht auch Kriegsgefangene.
Was auf dem angrenzenden Gelände so alles stand, weiß heute keiner mehr. Im Keller unseres Bürogebäudes findet man noch Arrestzellen, was für mich mit keiner offiziellen früheren Funktion des Hauses konform geht. Denn auch eine Polizeikaserne benötigt doch keine eigenen Arrestzellen? Oder? Heute lagert darin Klopapier.

Verbesserungsvorschlag: Missliebige Kollegen zwischenlagern.

Die restlichen Kellerräume sind zum Teil erheblich älter, bzw. wirken so, da sie Gewölbedecken haben und alle naselang irgendwelche Säulen im Weg sind. Wenn ich richtig darüber nachdenke, befinden sich diese Gewölbe auch gar nicht unter dem Haus, sondern unter dem Parkplatz. Oder vielleicht doch nicht? Schwer zu sagen, von hier oben aus.
Seltsam, ich glaub, ich mach die Tage mal ein paar Stunden Archivdienst. Ist hier nicht sehr beliebt, erstens sind im Keller angeblich Nager der Gattung Rattus Norvegicus, und zweitens bleibt der Aufzug gern mal stecken.
Angeblich. Alles angeblich. Ist vermutlich aber nur eine Verschwörung, damit keiner in den Keller geht und da nach dem Rechten sieht und ERMITTELT.

Ein Stück entfernt ist (nach vielen Umbauten fast nicht mehr erkennbar) noch die alte Wagenremise vorhanden. Deshalb geht meine Vermutung dahin, dass die Fundamente ebenfalls zu einem Gebäude gehören, das thematisch in dieses Ensemble passt- Kaserne, Remise, und vielleicht ein Verwaltungsgebäude oder so was.
Das Haus mit den Büros drin selbst ist ein Beispiel für eine besonders düstere Architektur, lauter dunkle Ziegel und so- wer das Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen kennt, weiß, was ich meine. Wobei das Exemplar hier so wenig „Verzierungen“ hat, dass man es eigentlich nur Haus nennen kann, nicht Architektur :-)

Und sobald ich wieder zu Hause bin, gibt’s Fotos.
Von der Maschine :-D
Farblich leicht verfremdet, dafür aber mit dem Handy gemacht.


(was mich- rein formulierungstechnisch, natürlich- an einige Dinge aus den Sechzigerjahren erinnert:
Die Postkarten mit dem Aufdruck „Mit dem Munde gemalt“, die die Aktion Sorgenkind als „Wohlfahrtskarten“ unters Volk warf.
Und die alten Stempel, die früher auf manche Briefe gehörten: Von einem Blinden geschrieben. Ein Überbleibsel aus der Nachkriegszeit, als viele Blinde ihren Lebensunterhalt als Schreibkraft verdienten. Da fand man sich mit nicht hundertprozentig perfekten Briefen ab, damit die Leute Arbeit hatten. Eine prima Sache, wie ich finde.)


Mahlzeit!

Lily

5 Kommentare:

Falcon hat gesagt…

Du wirst es vielleich nicht glauben, aber es gibt tatsächlich Baggersimulationen für diverse Spielekonsolen. Einschließlich relativ originalgetreuer Hebel und Pedale.

So ein Kellerjob hat was - ich hab mal aushilfsweise in einem Krankenhausarchiv gearbeitet. Hochinteressant, kann ich da nur sagen. Ratten gab es aber zum Glück keine, glaube ich.

Mundgemalte Postkarten gibt es heute noch - ich hab mal in einer akuten Anwandlung von Mitgefühl einen dieser unverlangt zugesandten Stapel gekauft mit der Folge, dass ich heute noch mit schöner Regelmäßigkeit neue Päckchen bekomme, immer mit dem Hinweis, dass ich sie selbstverständlich nicht bezahlen müsse, wenn ich denn ein so mieses Charakterschwein sei, dass die paar lumpigen Kröten partout nicht herausrücken will.

Es grüßt der Herr Falcon

Ps: Diese Mail wurde mit der Nase getippt. Was eine eventuelle Nichthundertprozentigkeit entschuldigen soll.

Anonym hat gesagt…

Ich habe heute auch die Maschine bewundert. Viel mehr aber noch das Jüngelchen, denn der baggert nicht nur, der fährt auch die großen LKW und zwar auf der Straße - mit Anhänger und ganz routiniert, kann dabei aber kaum über´s Lenkrad gucken.
Bei meinen archäologischen Forschungen bin ich am Montag mittag auf eine Hausecke gestoßen, mehrere emaillierte Schüsseln, ein Schaumsieb aus Metall (hängt jetzt bei mir im Büro als stumme Drohung für schlecht gelaunte Kunden), eine Schublade aus Metall, wie man sie früher mal in nicht ganz so alten Küchenschränken hatte. Ich vermute mal etwa 40er Jahre. Jetzt frage ich mich nur, ob da ein Haus von einer Bombe getroffen wurde, denn so etwas wertvolles wie die Schüsseln hätte damals niemand weggeschmissen bzw. freiwillig beim Auszug in dem alten Haus gelassen, oder ob die einfach Schutt von Gottweißwo da verfüllt haben. Hat man über Jahrhunderte gerne gemacht. Wenn man hier in der Gegend im Boden etwas findet, und es handelt sich nicht um Bauschutt, sondern um Tonscherben, dann macht man das Loch wieder zu und hofft, dass es niemand gesehen hat. Sonst graben die Archäologen Deinen Garten um und zwar ohne Rücksicht auf vorhandene Bepflanzung. Noch schlimmer ist es, wenn man hier ein Haus bauen will. Ein paar Scherben können einen längeren Baustopp mit nicht unerheblichen Mehrkosten für den armen Häuselbauer bedeuten. Vielleicht mit ein Grund für die Abneigung der hiesigen Einwohner gegen Keller, außer der Nähe zum Rhein. Ich warte gespannt auf den Fortgang der Bauarbeiten und überlege, dem Jüngelchen den Jugendschutz auf den Hals zu hetzen, einfach weil ich wissen will, wie alt der ist.
Solltest du übrigens irgendwas nicht gewitterfestes auf dem Balkon haben, hol´s rein, hier fängt es schon an, windig und wolkig zu werden. Also wird es bei euch in einiger Zeit ebenso aussehen.
Viele Grüße
Time
Diese Mail wurde ohne adäquate Gleitsichtbrille getippt, was eine eventuelle... (Forsetzung: siehe Herr Falcon)*g*

Lily hat gesagt…

Ein Grund, ins Archiv zu gehen, wäre meine unstillbare Neugier. Leider ist das auch der Grund, weshalb da keiner reindarf außer beschlüsselten und somit befugten Menschen- Datenschutz.
Für die richtig interessanten Aktenkammern krieg ich den Schlüssel nicht, weil da nämlich keiner rein darf außer den Aktenbesitzern. Also hab ich nur Zugang zu meiner eigenen Kammer. Und die Art Akten brauch ich nicht im Keller zu besuchen, die hab ich auch oben in meinem Büro. Ganze Berge davon, sie füllen Schränke. Deshalb bin ich auch nicht so scharf auf Archivjobs...
Eines Tages wird der große Ins-Archiv-demnächst-Aktenstapel (hinter der Tür versteckt, hihi) irgendwen erschlagen.
Die Schaumschüssel komm ich mir morgen mal anschauen :-))

Lily

Anonym hat gesagt…

Am interessantesten sind Archive mit alten Zeitungsartikeln. Nicht die Artikel, um die es den Archivaren damals ging (Straßenumwidmungen und so´n Zeug), die sind meistens todlangweilig, sondern die Artikel drumherum und vor allem die Werbung (Bruchbänder - seeeehr diskret beworben - und Sachen von denen man keine Ahnung hat, wofür die mal waren.)Herrlich!
Time

Lily hat gesagt…

Bezüglich des in die Bauarbeiten involvierten Knaben haben wir uns heute drauf geeinigt, dass er wahrscheinlich ein 9.-Klasse-Schülerpraktikant ist.
Der geht wieder, Frau Time, keine Angst :-)
Lily