Donnerstag, 10. Juli 2008

The wheels of the bus go round and round...

Meine liebe Freundin Kate fragte mich in einer E-Mail, was Frau Lily gegen einen Teufelskreis tun würde.

Und die Spontanantwort von Frau Lily war: Engels-Ecken machen*.

Spontane Antworten sind die besten. Wenn sie auch nicht unbedingt sofort verständlich sind.
Deshalb musste ich darüber mal genauer nachdenken.

Teufelskreise:
Die Sorte geometrischer Figuren, deren Logik so bestechend ist, dass man, ganz geblendet von ihrer vorgeblichen Ausweglosigkeit und dem augenscheinlich unendlichen Rundlauf, am Besten gleich aufhört, nach Rettung zu schauen oder selbst Schritte zu unternehmen, um den T. zu verlassen.

Statt dessen nehme man den Teufelskreis, befestige ihn an einem Haken und hänge sich daran auf.
Obwohl.
Irgendwie hört sich das nicht nach einer guten Lösung an.
Außerdem ist das nichts, was man GEGEN den Teufelskreis tun kann.

Ich stelle mir einen T.-Kreis so vor wie eine Joggingstrecke rings um eine Wiese.
Jede Runde vertieft die Laufspur, und der Boden, der zusehends dichter und lebensfeindlicher wird, verliert erst die höher wachsenden Pflanzen, dann Gras und Moose, bis er irgendwann eine nackte Erdspur ist, die deutlich unter dem Niveau der umgebenden Flächen liegt.
Man gibt sich beim Laufen alle Mühe, immer genau die Spur zu treffen, damit man nicht umknickt und sich verletzt, mit dem Erfolg, dass ein Ausstieg aus diesem Kreis wirklich nur mit Mühe vorstellbar ist. Und mit jeder Runde wird der Abstand zum Normalniveau größer.

Und genau da liegt normalerweise die Crux: Bei dem kleinen Wörtchen „vorstellbar“.

Viele Teufelskreise sind im Grunde nichts anderes als Endloslieder in Moll-Tonarten.
Irgendwann verschwimmen erste und letzte Strophe miteinander, und man singt munter weiter, vom Hund, der in die Küche kam. **


Wie beendet man solche garstigen Lieder?

Eigentlich braucht man dazu nicht so viel.
Dazu braucht man ENTWEDER:

a) Eine/n gute/n Freund/in
oder
b) ein Blatt Papier, einen Bleistift und zweimal eine viertel Stunde Zeit.

Richtig gute Freunde, die läd man sich mal ein zu einer Runde im Teufelskreis.
Vorzugsweise dahin, wo es nicht stört, wenn man mal weint, oder es etwas lauter wird. Und dann kotzt man sich aus. Gründlich.
Richtig gute Freunde, die hören dann zu. Die hören bis zum Ende zu, und die sind auch gefeit gegen den Bemitleidungsvirus oder das Bazillus „Jaja, wird schon werden“.

Die bemühen sich statt dessen, logische Risse in der Teufelskreis-Argumentation zu finden.
Die bemerken, wenn Ursache und Wirkung vertauscht werden. Die kriegen den Fuß auf Hinternhöhe, und verschonen letzteren nicht aus falsch verstandener Zuneigung.
Überall da können Engelsecken verborgen sein.
Und Freunde trösten da, wo der Teufelskreis rings um eine offene Wunde verläuft. Manchmal muss da der T. durchbrochen werden, damit Luft an die Wunde kann, und Heilung eintreten.

Sollte es sich jedoch um einen besonders peinlichen T. handeln, oder die richtige Sorte Freund/in der Variante a) nicht auffindbar sein, so setze man sich mit Papier und Bleistift hin, schreibe sich alles von der Seele, unzensiert und ohne Schere im Kopf.

Dann falte man das Papier ordentlich.

Lege es in eine Schublade.

Warte eine Woche, in der man sich bemüht, NICHT an den T. zu denken.

Und dann lese man es noch einmal.

In der Regel ist man dann in der Lage, das Problem ein wenig distanzierter zu betrachten.

Oft erkennt man dann selbst die logischen Brüche, die faulen Ausreden oder die Dinge, die man gar nicht ändern will- auch wenn man sie stets bejammert.


So, und dann braucht man ein bisschen Kreativität und Fantasie.

Nämlich, um die Engels-Ecken in den Teufelskreis zu bekommen.

In Gestalt von Auswegen, oder Ausstiegen, getarnt als Unterbrüche und verborgene Hintertüren.

Manchmal auch versteckt hinter schmerzhaften Entscheidungen.

Einer meiner Lieblingsteufelskreise dreht sich um Vertreter des männlichen Geschlechts. Ich suche mir immer die gleiche Art aus, und bekomme immer das gleiche Problem, mit dem ich nicht umgehen kann. Das Problem ist mein Problem, und hat nur begrenzt mit dem Gegenüber zu tun.
Suche ich gezielt nach einer anderen Art Partner, geb ich nicht eher Ruhe, bis ich auch den soweit gebracht habe, dass er die gleichen Auffälligkeiten zeigt wie alle anderen zuvor.

Ich habe Jahre gebraucht, bis ich überhaupt bemerkt habe, dass sich da ein T. auftut.

Und dann, auch mit Kates Hilfe, und mit Hilfe derBraut und der Besten Therapeutin Von Allen, mich erst mal zu einer Auszeit entschieden.
Eine schmerzhafte Entscheidung insofern, als es jahrelang mein persönlicher Alptraum war, allein zu sein.
Ich versuche, die Zeit zu nutzen, in dem ich versuche, mich weiter zu entwickeln, und zu lernen, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist. Für sich selbst, und für sein eigenes Glück.

Das gleiche spielt sich zum Beispiel bei vielen Menschen (so auch bei mir) auf finanziellem Gebiet ab.
Man hat nie Geld. Nie.
Die Frage nach dem Warum ist schnell beantwortet:
Man hat deshalb nie Geld, weil man es immer nur haben will, um es ausgeben zu können. Und das tut man dann auch, woraufhin man wieder keines mehr hat.

Hat man es auf diese Weise geschafft, keine Rücklagen zu bilden, kommt der Tag, an dem irgendwas passiert- Waschmaschinen gehen kaputt, Autos brechen zusammen, Nebenkostenrechnungen flattern ins Haus.
Und dann?
Weil man nie Geld gespart hat, um es zu behalten, muss man auch da schmerzhafte Entscheidungen treffen.
Und die beinhalten das Folgende: Einsparungen vornehmen- so lange, bis die Waschmaschine oder das Auto wieder gesund sind bzw. die Rechnung bezahlt ist.

Und dann: Aus dem Erlebten lernen. Weitersparen. Und nicht wieder in den alten Schlendrian verfallen.

An dieser Stelle ist eine Hintertür im Teufelskreis, eine Engelsecke, sozusagen.

Lässt man sie vorbeirauschen, muss wieder eine Runde mitgelaufen werden. Und das will doch keiner. Oder?

Ich verrate euch jetzt nicht, wie oft ich die Runde schon gedreht habe.
Genug jedenfalls, um dieses Lied in sehr schrägem Moll rückwärts singen zu können.



Herzlichst
Frau Lily.
45, Single, pleite.



* Liebe Kate, falls du dich wunderst: Ich hab die Engels-Ecken aus der Antwort-Mail gelöscht. Und mich nur für den Themenvorschlag herzlich bedankt.
Ach, und ich hab dich befördert- zur Freundin. Ich hoffe, du nimmst die Ernennungsurkunde an :-)






** Ein Hund kam in die Küche
Und stahl dem Koch ein Ei
Da nahm der Koch den Löffel
Und schlug den Hund zu Brei.
Da kamen viele Hunde
Und gruben ihm ein Grab
Und setzten ihm nen Grabstein
Auf dem geschrieben stand:

Ein Hund kam in die Küche…

(Da capo ad infinitum)

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das nehme ich sehr gerne an und fühle mich geehrt! :-) Wer nicht wenn du darf sich so nennen?? Es gibt glaub ich kaum einen Menschen, der mich so gut kennt wie du und das find ich schön und beruhigt mich! Ich bin sehr dankbar für die vielen Mails, die "Seelenstripteases", die Kochrunden und die Kommentare nicht á la "jaja, das wird schon" :-)
Ach ja: und natürlich für dieses Posting und die Erläuterung der Engelsecken! Dann bau ich die mal ein, in die Runde(n).
Daaaaanke!
Freu mich auf morgen! :-)

Lily hat gesagt…

Also, wir sehen uns morgen zum Ecken-Basteln und Lasagne-Zusammenwerfen:-)
Ansonsten gebe ich den Dank gern zurück.
Es gibt hier viele Leser, bei denen ich sehr froh bin, sie zu kennen- ob wirklich oder "nur" virtuell.
Das muss mal gesagt werden.

Lily

Anonym hat gesagt…

Teufelskreise - wer kennt sie nicht -.
Guter Tipp mit dem Aufschreiben, Weglegen und später noch einmal lesen.
Bin immer erstaunt, wie sich Listen mit zu Erledigendem tatsächlich im Laufe der Zeit leeren, obwohl ich selten wieder draufschaue, irgendwie speichert die Erinnerung die Absichten und ich setzte sie früher oder später in die Tat um.
Die Energie für die Kreise beziehen die Teufel aus Angst (die eine Art Starre auslöst) und schlechtem Gewissen (was den Mut nimmt etwas zu ändern).
Also ist das Geheimnis, ein bisschen mehr Mut als Angst zu haben und anzufangen etwas zu verändern. JETZT GLEICH.

Teufelskreise kann man nämlich sofort unterbrechen.

Paula

Die auch den Drehschwindel von vielen Teufelskreisen kennt und jetzt in fortgeschrittenem Alter noch mal so richtig das Ruder rumreißt und nach vorne losgeht.

Falcon hat gesagt…

Engelsecken ist aber ein schönes Wort.
Und die Empfehlung an sich ist ja ganz schlicht, aber manchmal unheimlich schwer umzusetzen.

Lily hat gesagt…

@ Falcon: Wenns leicht wäre, hieße das Karrussell, und nicht Teufelskreis:-)
Aber ich weiß, was du meinst.

@ Paula: Du hast ja so recht. Am besten sucht man sich im Teufelskreis den Punkt aus, an dem einem die Angst am wenigsten zusetzt. Dann ist vielleicht der Mut ausreichend, um den Schritt zur Engels-Ecke zu machen.


Lily