Es war Sonntag, und so heiß, dass ihr Hirn beinahe im Schädel Blasen schlug. Emma saß auf den Stufen der Hintertür. Bei diesen Temperaturen konnte sie es riskieren dort zu sitzen, ohne dass ihre Mutter sie warnte, dass sie sich auf den kalten Treppenstufen eine Blasenentzündung holen würde.
Kalte Treppenstufen wären jetzt toll, fand Emma.
Auch hier, im Schatten des Hofes, war es fast unerträglich, und sie dachte ein bisschen traurig daran, dass sie sonst um diese Jahreszeit irgendwo im Urlaub gewesen war. Zwar immer in langweiligen Gegenden, mit langweiligen Erwachsenen, aber alles war besser als sich zu Hause zu langweilen. Johanna hatte Glück. Ihre große Schwester war mit einer Freundin, mit Marleen aus dem dritten Stock, nach Mallorca geflogen und hatte bestimmt jede Menge Spaß.
Im Rücken spürte sie die Kante der nächsten Stufe, und die kleinen Steine im Beton. Zwischen ihren Sandalen krabbelte eine aufgeregte Ameise herum, und Emma scheuchte sie mit dem Finger mal nach rechts und mal nach links, bevor sie sie tot machte.
Den Finger wischte sie an ihrem Shorts ab.
Langweilig.
Sie überlegte, was sie tun könnte, und kam wieder zu keinem Ergebnis. Mist, so ein Mist, Mist, Mist. Öder Mist. Scheiß Mist. Doofer Mist. Arsch Mist.
Ferien zu haben und sich so zu langweilen, dass sie sich schon fast wieder auf die Schule freute, war absoluter scheiß Obermist.
Ihre Mutter würde wieder nur sagen, dass sie schwimmen gehen solle, oder in die Bücherei, oder in den Club. Oder bei Verena anrufen solle, die wäre ja vielleicht schon wieder aus Madeira zurück.
Die blöde Kuh. Die würde ja bloß angeben, weil sie so braun geworden wäre, und mit den ganzen neuen Klamotten, die ihre Eltern ihr für den Urlaub gekauft hatten.
Ihr Hintern wurde taub vom Sitzen, und sie stand auf und ging ins Haus.
Drinnen war es kühler, aber es stank, nach den Katzen der Alten im ersten Stock, und nach Babypisse. In der zweiten Etage stand wie immer ein Müllsack mit Windeln auf dem Treppenabsatz. Ihre Mutter würde eine Attacke kriegen.
Obwohl- vielleicht auch nicht. Sie war gerade echt mies drauf, ihre Mutter. Johanna hatte sich schon drei Tage nicht gemeldet, und das konnte Mama überhaupt nicht leiden.
Emma seufzte theatralisch, und ging die letzten Stufen zu ihrer Wohnung hinauf.
Die Tür stand einen Spalt breit offen, die Matte klemmte zwischen Tür und Rahmen.
Oh. Gut. Dann brauchte sie nicht zu klingeln.
Drinnen dudelte ein Radio. Ansonsten war es still.
In der Küche stand noch das Frühstücksgeschirr auf dem Tisch, und mittendrin eine Untertasse mit zwei ausgedrückten Zigarettenkippen. Eklig.
Emma nahm sich eine Scheibe Schinken, und rollte sie zusammen, bevor sie sie in den Mund schob. Hmm. Schinken.
In ihrem Orangensaft von morgens schwamm eine dicke Fliege. Emma schaute interessiert zu, wie sie im Saft strampelte und immer wieder erschöpft innehielt, dann nahm sie das Glas und leerte es in den Ausguß. Sie drehte das heiße Wasser auf und spülte gründlich nach, stellte das Glas wieder ab und ging in ihr Zimmer.
Dort zog sie die Shorts und das Top aus, und baute sich vor dem großen Spiegel in der Schranktür auf.
Vielleicht würde sie bald einen BH brauchen, überlegte sie, und wand sich ein bisschen hin und her. Wie das wohl sein würde? Sie stemmte die Hände in die Hüften und winkelte ein Knie an. Irgendwie doof, so ohne Busen... Sie schaute sich um.
Aus der Schublade der Kommode kramte sie ein Bikini-Oberteil, ein altes von Johanna, und zog es an. Jetzt nur noch- ja, da lagen zwei Paar Sneakersocken. Genau das Richtige.
Sie stopfte die Socken in das Oberteil, und drehte sich vor dem Spiegel.
Nicht übel, aber man sah die Socken.
Sie zog das Top wieder an -schon besser!-, und ging ins Bad.
Dort stand das Makeup ihrer Mutter.
Sie hatte oft genug zugesehen, wenn die sich zurecht machte.
Ein paar Minuten später hatte sie, gekonnt, wie sie fand, Lidschatten und Rouge aufgetragen und begann, sich die Wimpern zu tuschen.
Das Wimpernbürstchen landete in ihrem Auge, als sie die Stimme ihrer Mutter hörte.
„Emma? Wo steckst du?“
Autsch, das brannte.
Bevor sie antworten konnte, stand ihre Mutter hinter ihr.
Sie sah sie im Spiegel, mit entsetztem Blick und leichenblass.
Emma drehte sich um.
„Was ist denn...?“
Schneller, als sie ausweichen konnte, holte ihre Mutter aus und schlug zu.
„Zieh das sofort aus, und wasch dir das Gesicht- aber zügig!“
Noch während Emma sich schluchzend das Gesicht abwusch, stand ihre Mutter schon wieder hinter ihr, und unwillkürlich duckte sie sich tiefer über das Waschbecken.
„Ach Kind...“ auch die Mutter weinte, sackte auf dem Klodeckel zusammen und vergrub das Gesicht in den Händen.
Emma legte ihr zögernd eine Hand auf die Schulter.
„Was ist denn los, Mama?“
Blind tastend griff ihre Mutter nach ihr und zog sie in eine Umarmung, zu eng und zu heiß, sie roch nach kaltem Rauch und zuerst wollte Emma sich wehren, aber dann gab sie nach und ließ zu, dass ihre Mutter ihr das Top voll heulte.
„Mama? Mama, was ist denn?“
„Johanna...“
„Was ist mit Johanna? Hat sie sich gemeldet? Ist sie krank, oder was ist los?“
Statt einer Antwort nur lauteres Weinen.
Im Spiegel sah Emma, dass sich auf ihrer Wange ein roter Handabdruck abmalte, und dass die Wimperntusche verlaufen war und schwarze Spuren hinterlassen hatte.
Sie rüttelte versuchsweise an ihrer Mutter.
„Mama?“
6 Kommentare:
Ui! Bin gespannt wie's weitergeht!
UAAAARRRRGGGGRRRRR
Cliffhanger....
Spannend...
WEITERRRRRRRRR
Wo bleibt die Fortsetzung?
trappp trappp trappp klopfmitfingerauftischplatte
;-)
Foooortsetzung, bitte!
Meine Reload-Taste ist schon ganz abgewetzt. Bitte weiterschreiben!!!
@ Steffen: Dann ist deine Reload-Taste kaputt-die Fortsetzung war schon eine ganze Weile vor deinem Kommentar da :-)
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