Sonntag, 4. November 2007

Ruhe, oder: Get me that text book ASAP

Hier herrscht Schweigen, abgesehen von den tobenden Vierbeinern. Die sind schon gestern Abend auf irgendwelchen bewegungsfördenden Drogen gewesen, haben mir aber nichts abgegeben.
Nicht, dass ich sie gefragt hätte.
Vor mir liegt eine halbe Arbeitswoche, hinter mir auch, und ansonsten gibt es Tage zu Hause.
Das spannendste daran ist die Frage, ob die Sonne morgens aufgeht oder ob sie so drauf ist wie ich, und es der Einfachheit halber sein lässt.
Soeben hab ich den Titel von "Schweigen" in "Ruhe" geändert, aus stilistischen Gründen.
Aber Ruhe ist hier nicht.
Grabesstille kann man es auch nicht nennen, denn dafür ist das Viehzeug zu laut.
Aus unerfindlichen Gründen scheinen sie erheblich aggressiver zu sein als sonst, und ich bin so gedämpft wie schon seit Monaten nicht mehr.
Schweigen ist schon der richtige Ausdruck. Denn es redet hier niemand, und der obligatorische Winamp-Soundtrack, der dazu vor sich hin dudelt, ändert nichts an dem etwas stumpfen Gesamtbild.
Den gestrigen Tag hab ich im großen und ganzen vor Bildröhren verbracht, der von diesem alten Rechnermöhrchen und der des sogar noch älteren Fernsehers. Es wäre zu einfach, das auf den November zu schieben. Auch die Etikettierung als schlichte Faulheit ist nicht richtig, denn wenn ich faul bin, genieße ich, dass ich nichts tu.
Obendrauf gab es dann noch Schwierigkeiten damit, weniger zu essen- aber es ist wohl nicht zu erwarten, dass die merkwürdigen Gewohnheiten aus Jahren sich in drei Tagen erledigt haben. Im Gegensatz zu sonst bin ich aber nur mit zuckerfreien Müsliriegeln durchgedreht, und mit Vollkornknäcke, und nicht mit Schokolade und vollfettem Käse. Ist das schon mal was?
Vermutlich wollte ich einfach wieder zuviel auf einmal.
Wochenenden sind aber sowieso schwierig für mich, meist warte ich nur, dass sie vorbei gehen. Und wenn ich was vorhabe, bin ich hin und her gerissen zwischen Freude darauf (naja, kommt schon drauf an, was es ist) und vorsorglicher Genervtheit, weil die Freizeit zu kurz kommt.
Wobei die Freizeit, wie gesagt, meist ein grauer Film ist, der dicht vor meinen Augen abläuft.
Ein Leben zu haben wäre eine prima Sache. Wenn man sich dann dazu aufraffen könnte, auch hinzugehen.
Eine frühere Therapeutin hat mich mal davor gewarnt, Drehbücher für mein Leben zu verfassen- die würden mich daran hindern, mitzukriegen, was wirklich passiert. Woran sie nicht gedacht hat, dass nichts passieren könnte. Drehbücher sind aber vielleicht etwas, was Farbe in den grauen Film bringen würde?! Andererseits kenn ich mich gut genug. Sobald mir irgendwer, und sei es ich selbst, sagt, was ich zu tun habe, streike ich. Schlimmer als die Lokführer, weil Güter- und Fernverkehr nicht ausgeschlossen sind, und weil kein Landesarbeitsgericht in Sonstwo mir irgendein Streikverbot erteilt.
Herrgott, wie ich das hasse, wenn ich so drauf bin. Ich wünschte, ich hätte in Physik besser aufgepasst, als es um träge Massen, schiefe Ebenen und die Hebelgesetze ging. An dieser Stelle einen herzlichen Dank an Otto Waalkes. Für "Je länger das sssst, desto lauter das Bumms". Ohne ihn hätte ich die schiefen Ebenen vermutlich nie so lustig gefunden :-)
Aber an der Sache mit der Trägheit der Massen ist bestimmt was dran, wenn ich auch die Schwierigkeiten, mich in Bewegung zu setzen, nicht in eine Gleichung packen kann. Und den Punkt für den Hebel hab ich schon so oft gefunden, dass ich mich selbst ankotze. Das hat immer nur neue Baustellen hinterlassen.
Ich frag mich nur, an welchem Punkt meines Lebens ich die Abzweigung verpasst habe, die Ausfahrt zu einem Ziel. Welches Ziel das gewesen wäre. Und wie mein Leben dann aussähe.
Natürlich hätte ich damals, als mein Ex beschloss, dass er dringend eine beste Freundin brauchte, einfach so weitermachen können und die ganze Geschichte ignorieren, aber eine ernsthafte Alternative war das nie. Ich mag nicht teilen. Und ich mag nicht, wenn mein Partner außerhalb unserer Beziehung mit anderen Frauen über mich spricht, Gespräche über ein Geburtstagsgeschenk oder sowas selbstverständlich ausgenommen :-)
Diese Ehe ist schon lange Geschichte, seit beinahe 10 Jahren, und es hat anschließend noch jede Menge anderer Beziehungen gegeben, darunter sogar eine mit dem Potenzial zu mehr- fand ich. Deshalb hab ich mich angestrengt. Großer Fehler! Ich wusste von Anfang an, dass er anderweitig verheiratet ist, mit einem relativ jungen Kind, und es sollte auch nicht mehr werden als eine Freizeitbeschäftigung. Aber in ziemlich kurzer Zeit war ich hin und weg. Ein wirklich liebenswerter Mensch (Realität, wie seine Doppelexistenz, mal ausgeklammert). Und prompt war ich in Konkurrenz zu einer Frau, die ich zu Anfang gar nicht, und dann nur vom Sehen kannte. Die ich nicht im Geringsten sympathisch fand (das tut aber kaum jemand, der sie kennt. Da stellt sich mir heute die Frage: Warum hat dieser (ach, so liebenswerte) Mann diese Frau geheiratet? War sie mal anders? Und wenn ja, was hat sie so verändert? Ein Schelm, der übles dabei denkt). Dazu kam die Tochter, die inzwischen vier Jahre alt sein müsste, also vor einem knappen Jahr noch wirklich klein war. Ein nettes Kind, und eines, dass sehr an seinem Papa hängt/hing. Was mir im Nu erlaubte, seine Gründe für sein Festhalten an seiner Ehe zu akzeptieren. Die Tochter. Bitte nicht weitersagen: Es ist sogar mir bekannt, dass es alleinerziehende Väter gibt. Dass es Regelungen bezüglich des Umgangs gibt. Dass eine Trennung der Eltern nicht zwangsläufig bedeutet, dass auch die Wege von Vater und Kind sich trennen. Ich habe mir sogar verkniffen, darauf hinzuweisen, dass der Mann, bei dem wir uns kennengelernt haben, erfolgreich um das Sorgerecht für seine Tochter gekämpft hat.
Wiedemauchsei: Ich hab ihm geglaubt, glauben wollen, dass er ja gehen würde, wenn, ja, wenn.
Ich hab akzeptiert, dass es Tage gab, an denen er nur körperlich anwesend war, und deutlich leere Augen auf anderweitige innere Beschäftigung hinwies. An denen er Verabredungen absagte. Ich hab zu Hause gesessen und gewartet, auf Mails, sms, Anrufe. Habe Freunde vernachlässigt, um auf dem Sprung sein zu können, alles stehen und liegen gelassen, um irgendwo aufzutauchen und mit ihm was zu unternehmen. Er ist selbständig, und ich habe ein knappes Jahr lang meine Freizeit und jede Menge Urlaubstage dafür verwendet, ihm bei seiner Arbeit zu helfen (die mir wirklich Spaß gemacht hat, das sei hier mal angemerkt).
Naja, lange Zeit war das in Ordnung, und kein Opfer. Lange Zeit hatte ich ein aufmerksames und liebevolles Gegenüber, wenn auch vielleicht nicht so oft, wie ich es mir gewünscht habe.
Und dann. Und dann... Dann weiß ich eigentlich auch nicht so recht, was passiert ist. Plötzlich war da nur noch der indifferente Gesichtsausdruck von jemandem, der nicht DA ist.
Zu Weihnachten im letzten Jahr, gleichzeitig Jahrestag, kam ein Riesenberg Geschenke, und ich fühlte mich plötzlich - bezahlt. Wofür, darüber wollte ich nicht nachdenken.
Es hatte da ein Versprechen gegeben, dass jeder von uns es dem anderen sagt, wenn es vorbei ist. Von ihm kam jedoch keine Äußerung in dieser Richtung. Und bei mir wuchs ein übles Gefühl, das ich nicht niederkämpfen konnte. Ich hatte den Eindruck, dass er mir aus dem Weg ging. Plötzlich war da keine Zeit mehr, nicht die geringste, und wenn wir uns sahen, waren jede Menge anderer Leute dabei. Plötzlich waren auch die Leute, die von uns wussten, ein Grund, dieses Verhältnis zu verbergen. Ich hatte ganz entschieden das Gefühl, dass da jemand anderes war. Nun ja, wenn jemand seine Frau betrügt, warum nicht auch seine Freundin...
Nach ein paar Tagen ungerechtfertigter und, was mich betrifft, ziemlich zerstörerischer Funkstille gab es dann eine Verabredung- und dazu ist er einfach nicht erschienen. Ohne Absage, ohne auch nur die kleinste Entschuldigung, nicht mal am nächsten Tag oder so. Da reichte es sogar mir, und ich habe das Thema angesprochen und eine ziemlich saure sms abgeschickt. Daraufhin kam dann von ihm eine E-Mail, des Inhalts, ich hätte ja soo recht, und was besseres als ihn verdient. Was mich richtig wütend gemacht hat, war seine Versicherung, er würde mich lieben bis ans Ende seines Lebens *hüstel* ich mag ja in mancher Hinsicht naiv sein- aber ich lass mich ungern verarschen.

An guten Tagen kann ich drüber lachen. So unbeabsichtigt kann man eine Beziehung beenden, per sms- die eigentlich nur als Diskussionsgrundlage gedacht war.
Die Alternative, Augen zu und durch, stellt sich mir nicht einmal mehr im Nachhinein.
Es folgte kein Jahr der Depressionen, wie nach dem Ende meiner Ehe. Dafür war das ganze zu belanglos in der Rückschau. Aber drei Tage lang hab ich dann doch im Dunkeln gesessen und geheult.
Was ich draus gelernt habe? Dass ich lange die Zähne zusammenbeiße. Wenns mir dann aber reicht, dann reichts.
Was ich daraus hätte lernen können? Dass es nichts bringt, die Zähne zusammenzubeißen, das sorgt nur für Zahnschmerzen. Sondern dass Probleme zügig angesprochen werden sollten, sonst verliert man das Recht dazu- der andere weiß eventuell nicht mal mehr, worum es eigentlich geht und über welchen Anlass man sich aufregt. Auf der anderen Seite muss man schon darauf achten, dass man nicht aus Mücken die sprichwörtlichen Elefanten macht, denn manchmal ist man ja einfach selbst schlecht drauf.
Ist ja auch egal, was ich draus hätte lernen sollen. Ich habs nicht gelernt, da bin ich mir sicher.
Dazu passt, was Gary Moore gerade singt: And I still got the blues.
Schönen Sonntag noch.

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