Sonntag, 22. Juni 2008

Sturmfreie Bude

Gestern hab ich mich überwiegend auf 23° 26' 20" (Nördliche Breite?) aufgehalten.

Schuld daran war das. Beinahe wäre ich nicht mitgefahren, und das kam so:


Wenn man, so wie ich, von Zeit zu Zeit mal was im Auto transportiert, oder was im Auto isst, oder sich sonstwie drin aufhält, kann es sein (Es kann. Es muss nicht, aber es kann.) dass ein klitzekleines Bisschen von dem, was man in seinem Auto hinterlässt, einfach drin liegen bleibt. Sporttaschen etwa. Motorradhelme. Flaschen mit nützlichen Flüssigkeiten (nicht das was ihr denkt, sondern Kühlwasser- und Kühlmittelbehälter), leere Brötchentüten. Sand. Asche. Tabakskrümel.

You name it.

Wenn man dann andere Leute mitnehmen will, wird das zunehmend peinlich.

Und da heute Teil 3 und 4 der Wochenendbeschäftigung unter Mitnahme meiner Eltern stattfindet, noch dazu im gebrezelten Outfit, wurde es wieder mal Zeit, die fahrbare Altmaterialsammlung aka. Lilys Auto, in einen für den Erzeugertransport zuträglichen Zustand zu versetzen. Vor allem, nach dem das freitägliche Getränkeholen für die Beiden meinen Vater schon dazu gebracht hat, sozusagen mit spitzen Fingern Platz zu nehmen.

Egal, jedenfalls musste etwas Ordnung her.

Also hab ich einen Müllsack und eine Klappkiste zur Hand genommen, habe das Gute ins Kröpfchen (Kofferraum und Kiste) und das schlechte ins (Müll)töpfchen sortiert, und habe alsdann ein kleines Vermögen an der Tankstelle gelassen, und zwar in 50-Cent-Stücken für den Staubsauger.

Hui, hab ich anschließend gedacht, und noch mal Hui. Ist DAS anstrengend bei dem Wetter. Vor allem im Auto.

Dann bin ich nach Hause gefahren, und habe Leder und Fensterputztuch und heißes Wasser und einen Eimer (okay, andere Reihenfolge) zur Hand genommen und bin wieder raus, Scheiben sauber machen und den Nikotin-Schleier von den Kunststoffflächen entfernen.

Doppel-Hui.

Es ist ein Golf mit nur zwei Türen und einer Heckklappe, und es ist äußerst erstaunlich, wo überall Kunststoffflächen sind, und wie verdammt schlecht man da dran kommt. (Merkt ihr was? Ich mach das nicht so oft).

Dann habe ich das entfernt, was ein böswilliger und schlecht erzogener Vogel am Dienstag auf meinem Fahrertürgriff hinterlassen hat (die paar Tage um-die Kacke-rum-die-Tür-öffnen haben echt gereicht. Täusch ich mich, oder funktioniert die Vogel-Verdauung dieses Jahr besonders gut?)


Für die Waschstraße? War ich innerlich nicht bereit zu feige. Autowaschen als solches mach ich gern, von außen, wenns warm ist, mit viel Wasser und so. Aber in Waschstraßen hab ich Angst, das ist mir zu klaustrophobisch dadrin. Und die Sorte, bei der man von draußen zuschaut, wie einem Die Walzen Des Übels Spiegel und Antennen abbrechen, die war überall besetzt.

Und ich hatte eines nicht: Zeit. Denn egal, wann ich aufstehe, der bereits kolportierte Mangel an Selbstdisziplin verhindert ein Duschen vor 11 Uhr morgens. Demzufolge auch das stadtfein-machen, und das rausgehen. Mal zu schweigen von Autosaubermachaktionen.

Also musste das reichen. Es reicht auch, mein Auto ist dunkelgrau. Und Dreck? Den sieht man kaum auf dem Lack der Farbe.

Kaum war ich mit der Aktion fertig, musste ich auch schon duschen (schon wieder) und los, meinen Sohn besuchen. Darauf hatte ich mich gefreut, und es war, wie immer, recht lustig. Leider war nicht allzuviel Zeit, denn um vier hatte er den nächsten Termin, zu dem ich ihn fahren wollte, und um fünf war ich verabredet zu Event Nummer 2.

Also bin ich gegen halb fünf hier vorgefahren, hab die Ein

käufe verstaut, geduscht (ja, schon wieder) und mich zu meiner ersten Extraschicht aufgemacht.

Die Kollegin, mit der ich bereits die Ausbildung gemacht habe und die immer noch in der Nebenzelle sitzt, hatte mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte mitzukommen- und ich hatte beschlossen, dem beginnenden Eremitentum entgegenzusteuern und tatsächlich an einem Samstag das Haus zu verlassen.

Wirkliche Lust? Hatte ich nicht. Aber dennoch.

Also, frisch geduscht einmal quer durchs Städtchen, und die Kollegin abgeholt, die ich öfter sehe als ich jeden Lebenspartner gesehen habe. Dieses Jahr haben wir silberne Bürogemeinschaft.

Wir hatten gerade das Haus verlassen, bei strahlendem Sonnenschein, als sie die Frage stellte: Die Karte hast du dabei, oder?

Was ich verneinen musste, und was zu einer Änderung des Programms führte. Denn das hieß, ins Auto steigen, einmal quer durchs Städtchen, und an einem anderen Ort ins Geschehen einsteigen. Anstelle des Busbahnhofs im Städtchen wählten wir das Bottroper Alpincenter als Einstiegsort, da das insgesamt etwas verkehrsgünstiger lag, von meiner Wohnung aus gesehen.

Einschub:

Die Extraschicht. Eine Nacht mit jeder Menge Kulturevents, an allen möglichen Stellen (40 waren es letzte Nacht, glaub ich). Man kauft eine Karte, kann damit ab Samstag morgens null Uhr im ganzen Verkehrsraum Ruhrgebiet mit den öffentlichen Verkehrsmitteln schon mal Position beziehen, und gleichzeitig fahren bis Sonntag nachts um 2 Shuttlebusse auf vielen Sonderrouten, die die Spielorte miteinander verbinden. Gestern mittag hieß es, 150.000 Leute seien unterwegs.

Anden Spielorten finden verschiedenste Sachen statt. Performance. Akrobatik. Licht- oder Klang-Geschichten. Alles mögliche.

Und mitten drin kann man sich die ganzen Orte der Industriekultur anschauen, nicht nur Zechen wie Zollverein, Alter Fritz und Waltrop, sondern auch Museen, Ausstellungen, und die Orte, an denen sich die Natur ihr Reich zurückerobert, wie den Landschaftspark Duisburg Nord, oder die umfangreichen Freiflächen von Zollverein, und dem Nordsternpark in Gelsenkirchen. Es sind wirklich hunderttausende von Menschen in mehr als überfüllten Bussen unterwegs, mit dem Fahrrad und zu Fuß, alle erkennbar an ihren bunten Armbändchen, den Fotoapparaten und dem suchenden Blick.

Und währenddessen spielt Holland gegen Russland.


Jedenfalls habe ich mich fast schon gefreut, dass wir jetzt mit dem Auto bis an den Bus ran fahren konnten- denn der ursprüngliche Einstiegsort hätte einen Fußmarsch bedeutet, und ich war doch recht müde von dem Schlafmangel der Nacht zuvor.

Naja.

Parken konnte man auf dem Riesengelände dieses Centers dann auch nicht. Da gegenüber liegt ein großes Werk, eine Kokerei (?) und deren Parkplätze haben wir dann ansteuern dürfen. Sicherheitshalber hab ich noch mal den Blutzucker gemessen. Der war hoch. Ungewöhnlich hoch... und ein Griff zur Pumpe zwecks Korrektur erbrachte...

dass ich die Pumpe zu Hause vergessen hatte.

Mein erster Satz war: Kollegin, das wird heute nix...

Freud hätte seinen Spaß gehabt, ich bin mir sicher.

Ich hab mich also wieder ins Auto gesetzt (keine Klimaanlage drin- nur ein Schiebedach), und hab erneut die Katzen aufgestört, die ihre sturmfreie Bude feiern wollten.

Gut 20 Minuten später war ich dann wieder auf dem Parkplatz, und hab dann tatsächlich den Shuttlebus nach Zollverein bekommen. Mitsamt der Kollegin.

Der Bus war zwar voll, aber man brauchte (nur so gerade eben) keine Menschenstopfer wie in der Tokioter U-Bahn.

Nur weiß ich jetzt wieder, warum ich ein Auto habe. Abgesehen von dem durchdringenden Schweißgeruch, dem an den Scheiben herunterlaufenden Kondenswasser und den passagierzermatschenden Rucksäcken(Hallo? Die kann man abnehmen!) gab es da noch ein Phänomen, dass man hoffentlich nur in solchen Extrabussen antrifft: Die kopulierenden Pärchen. Naja, ob sie „es“ wirklich getan haben, weiß ich nicht. Dafür hätte ich ausreichend Abstand gebraucht, um den Kopf senken und hinschauen zu können Aber verzückte Knutscherei-mit-auf-dem-Körper-klebenden-Händen ließ den Verdacht doch recht naheliegend erscheinen. Echt, es hat was bizarres, auf diese Weise in einen virtuellen Dreier gezwungen zu werden. Es ist nicht nur eure Intimsphäre, Leute! In zehn Zentimeter Abstand steht da noch ein Mensch, der vielleicht in einem überhitzten und überfüllten Bus KEINE Stöhnerei und KEINE Liebesschwüre hören möchte. Und kein schmatzendes Knutschen. Bäh. Vielleicht fehlt mir dazu der nötige Romantik-Sensor... aber ich glaube es fast nicht.


Nach diesem Einblick in das Verhalten geschlechtsreifer Ruhrgebietler zur Mittsommerszeit haben wir dann die kühle und elegante Atmosphäre des Red-Dot-Design-Museums um so mehr genossen. Und ich glaube, ich habe alles angefasst, wo nicht dran stand „Nicht anfassen“. Und meine Oberfräse hab ich da bewundert:-)

Beinahe hätte ich im Museumsshop auch was gekauft, aber bei solchen Anlässen lass ich, außer etwas Bargeld, alles wichtige zu Hause. Wenn man mal meine Leiche finden sollte nach so einem Ereignis, dann muss man mich anderweitig identifizieren- ich hab keinen Ausweis, keinen Führerschein und keine anderen Papiere mit. Und auch nicht die Scheckkarte. Mir reicht es schon, immer drauf aufzupassen, dass keiner die Pumpe für ein besonders kleines Handy hält und mitnehmen will.

Also werd ich demnächst mal wieder da hin fahren. Vielleicht mal mit Bruder Georg, wenn der Lust hat, oder mit meinen Eltern, die von den ganzen IBA-Projekten nicht so viel mitbekommen haben. (Ich war schon mal öfter auf Zollverein. Und auch im Erfahrungsfeld der Sinne, oder Phänomania, wie es jetzt heißt. Da waren wir nämlich anschließend.)

Nach der abschließenden Feuerveranstaltung und einer Bratwurst haben wir dann mit ungefähr zweihundert anderen Leuten den Shuttlebus geentert. Die Kollegin ist in Nordstern ausgestiegen, ich bin, angesichts der Uhrzeit (Mitternacht...) durchgefahren bis zum Alpincenter. Und in mein Auto gefallen, nicht ohne schwer zu bedauern, dass ich die Kamera natürlich auch zu Hause gelassen hatte- denn die Kokerei, nächtlich erhellt, vor einem nachtblauen Himmel, hätte ein wirklich schönes Foto abgegeben.

Um halb eins war ich zu Hause, und dann konnte ich nicht schlafen. Grrr.

Gegen halb drei hab ich zuletzt auf die Uhr geschaut. Und um fünf war ich wieder wach. Aber trotz Rückenschmerzen (vom vielen Stehen) und der aufgehenden Sonne hab ich mich wieder hingelegt.

Und um halb acht haben mich meine Katzen wirklich freudig begrüßt. Sturmfreie Bude ist nicht so doll, wenn man mangels Daumen die Bierflaschen nicht öffnen kann.





Lily

die seit acht Uhr am Koffein-Tropf hängt.







5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Glückwunsch zur Autowäsche! P. hat neulich unser Auto in eine Waschanlage gestellt und musste tatsächlich zugucken, wie der rechte Außenspiegel und das Fensterdreieck zu Bruch gingen! Da er ein bisschen auf sein geschäftliches Image achten muss und das Reparateur-Gen sowieso im Blut hat, hat er es selbst wieder repariert mit Teilen von irgendwo her aus Deutschland über Ebay inklusive Spezial-Kitt und dem Außenspiegel in der richtigen Autofarbe, die es wegen des fortgeschrittenen Alters unseres Modells kaum noch gibt. Er hat das doch tatsächlich an zwei Samstagen wieder hingekriegt. Ich bin voller Bewunderung für sowas und rauche deshalb auch nicht im Auto, das würde er als persönliche Missachtung empfinden.
@ rauchende Lily: versuch doch mal nicht im Auto und zuhause nur auf dem Balkon zu rauchen, der erste Schritt zum Reduzieren, das geht!

Zur Kulturschicht im Ruhrgebiet: ist ja beeindruckend, was da so auf die Beine gestellt wird, das steht den Kulturveranstaltungen hier bei uns in nichts nach.

Schönen Sonntag!

Lily hat gesagt…

Also, von "gewaschen" kann man ja eigentlich nicht reden, aber danke für den Glückwunsch:-)
Mit dem Rauchen im Auto ist das so eine Sache. Seit wir im Büro nicht mehr rauchen dürfen, ist die Zigarette im Auto auf dem Weg zur Arbeit irgendwie Gewohnheit geworden. Immer noch nicht rauche ich, sobald wer an Bord ist, sofern die Strecken eine gewisse Länge nicht überschreiten.
Die Extraschicht werd ich nächstes Jahr wieder mitmachen, allerdings etwas besser vorbereitet von meinereiner, so dass ich auch weiß, was ich machen will und nicht immer der Kollegin mit "Ich häng mich einfach an dich dran" auf den Nerv falle. Und ich werd versuchen, an die Kamera zu denken. Es gibt zwar schon die ersten Bilder hier im Internetz, aber es sind halt nicht meine.
In diesem Sinne.

Lily :-D

Anonym hat gesagt…

Jetzt weiss ich wieder, warum ich den nicht-existenten oeffentlichen Verkehr hier auch gar nicht vermisse....Habe jahrelang in Hamburg gelebt, ohne Auto.!
Fuer mein Auto gilt jetzt: entweder Benzin oder Autowaesche. Alles kann man halt nicht haben..

Falcon hat gesagt…

Es ist doch praktisch, wenn so ziemlich alles auf einmal schief geht - da weiß man im nächsten Jahr wenigstens, wie man es besser hinkriegt und wird nicht durch häppchenweisen Schaden klüger.

Lily hat gesagt…

Oh, ich kann auch noch mehr schief gehen lassen:-)