Wenn ich an die Wand schaue, die mir gegenüber angebracht ist (und die die Leute im Treppenhaus daran hindert, mich freundlich zu grüßen, wenn sie in ihre Wohnung gehen) fällt mein Blick unvermeidbar auf den Kalender, der da hängt.
Kalender finde ich in dieser Wohnung mindestens drei, zusätzlich schleppe ich ein dickes Kalender-Tagebuch und einen von Kate geschenkten Wunschkalender in der Tasche mit mir herum. Außerdem ist da noch mein PDA, der nicht nur eine Kalenderfunktion hat, sondern der auch noch piept, wenn ein Termin anrückt.
Alle diese Kalender haben eins gemein: Sie sind schön, sie sind nützlich, technisch ausgereift, und so gut wie ungenutzt.
An Geburtstage lass ich mich von meinem Provider erinnern, weil ich ohnehin mindestens acht Stunden am Tag online bin. Bis auf die Geburtstage, von denen ich annehme, dass ich da schon von selbst dran denke (und die ich dann vergesse- sorry, Kate.)
Ansonsten enthält der Wunschkalender Arzttermine.
Die ich trotzdem vergesse, weil ich nicht rein schaue.
Meinen Schreibtischkalender nutze ich, weil ich mir mit viel Mühe antrainiert habe, da was rein zu schreiben.
Ganz grässlich ist die elektronische Variante, die mit dem Büro-Kommunikations-Programm meines Arbeitgebers verbunden ist. Ich warte auf den Tag, an dem mich wer zwingt, die zu nutzen. Grässlich, weil die einen mit aufpoppenden Botschaften belästigt, die, einmal weg geklickt, weg sind. Man kann sie ausdrucken, aber es widerstrebt mir, für einen Satz eine Seite Papier zu verschwenden, die doch nur als Schmierpapier missbraucht und weggeworfen wird. Versehentlich weggeworfen, und dann ist auch der Termin weg.
Also hab ich weiter etwas auf dem Schreibtisch liegen, das sich „Schreibtischquerkalender, 1 Woche je Seite“ nennt. Kritzel da drin rum, schreib rein, streich raus.
Weshalb mir besonders auffällt, wie leer meine private Kalenderlandschaft so aussieht.
Es ist keinesfalls so, dass ich hier sitze und mich gräme, weil so wenig drin steht. Nein, denn dafür hab ich selbst gesorgt. Nichts erheitert mein Gemüt mehr als KEINE TERMINE.
Ist das nicht furchtbar öde? Ein Altenheimbewohner hat mehr soziale Verpflichtungen, zum Beispiel einen schönen Stuhlkreis, und ab und zu kommt der Physiotherapeut. Oder die Kinder aus der Tageseinrichtung nebenan, und die bringen ihre Meerschweinchen mit.
Meine Mutter hat mich als Einsiedlerin bezeichnet, und ich weiß, sie findet mich seltsam. Auch ist sie erheblich seltener zu Hause als ich und telefoniert in einem fort mit tausend Leuten.
Sobald ich hingegen einen Termin habe, und mag er noch so potenziell erfreulich sein, überlege ich schon, wie ich aus der Nummer wieder rauskomme. Bloß keine Verpflichtungen.
Dieses Wochenende hingegen sieht mich an vier verschiedenen Stellen, wenn mir nichts kreatives mehr einfällt, um das abzuwenden.
Wow.
Da die senile Bettflucht heute schon um vier Uhr zugeschlagen hat, kann der geneigte Leser, und ihr, liebe Freunde draußen an den Monitoren und Monitorinnen bereits ahnen, dass mich etwas umtreibt. Diesmal:
Die ewige Diskrepanz zwischen Vorsatz und Tat.
Abgesehen von dem, was jeder vor sich herschiebt (Schlechte Gewohnheiten ab- und gute angewöhnen) und den Dingen, die kaum einer gern tut (Fensterputzen, Steuererklärungen, Autowaschen) schieb ich auch gern das Leben vor mir her.
Dabei ist das hier keine Generalprobe. Nöö, das ist bereits die Uraufführung.
Mit Mitte vierzig weiß ich inzwischen, was gut für mich ist, es fehlt nur erheblich an der Umsetzung.
Und so wie ich letztens eine Erleuchtung auf dem Klo hatte (und die bezog sich nicht auf die Notwendigkeit, eine neue Toilettenbrille zu kaufen) hatte ich heut morgen einen hellen Moment, der mich dann auch geweckt hat. Wenn etwas lang genug in den Tiefen meines Hirns gebrodelt hat, ergibt sich manchmal ein Wort als Essenz dessen, was bisher unbenennbar blieb.
Was mir fehlt, ist das, was man altmodisch Selbstdisziplin nennt.
Hat einer ein bisschen was davon in der Ecke liegen?
Kann ich da mal nach googeln, ohne auf irgendjemandes Liste mit komischen Suchwörtern zu landen?
Help, anyone?
Lily
Die eigentlich ein Luxusgeschöpf ist. Wenn sie richtig drüber nachdenkt, ist es unfair, dass sie nicht auf seidenen Kissen liegen kann, und den ganzen Tag von hübschen Sklaven umgeben sich dem Müßiggang widmen kann. Unfair, echt.
:-)
Ach, und die Telekom hat mir geschrieben.
Sie teilten mir mit, dass sie meine Kontonummer nicht wüssten- sonst hätten sie mir die 24,20 €, für die sie (hochachtungsvoll) einen Verrechnungsscheck beilegten, selbstverständlich auf das Konto überwiesen.
Ich finde diese selektive Zugriffsmöglichkeit auf das Firmengedächtnis bewundernswert- denn von dem Konto, welches sie nicht kennen, haben sie letzten Monat noch die 24,20 abgebucht.
Da sag einer, nur richtige Menschen können neurotisch begründete Gedächtnislücken haben.
8 Kommentare:
Da bist Du nicht allein. Auch ich habe einen Arsch voll Termine die ich alle in meinem PDA speicher. Zum Glück handelt es sich meistens um dienstlich beranlasste. Das zwingt mich dann schon aus dem Haus denn es wäre verdammte teuer diese zu verpassen. Bei den privaten bin ich immer froh, wenn sie ausfallen. Wenn ich einen wahrgenommen habe, dann bin ich allerdings meistens sehr zufrieden.
4 Uhr morgens?
Da bin ich gerade ins Bett gekrochen - würden da nicht geschätzte 600 Km zwischen liegen, hätten wir uns auf dem Weg Hallo sagen können.
Abgesehen davon - Selbstdisziplin?
Gnihihi.
Ich nutze ja nicht mal den Kalender auf meinem Schreibtisch. Aber da der Arbeitgeber meiner Frau immer so unglaublich geizig ist, freut sie sich wenigstens darüber, wenn ich ihr meinen mitbringe.
Ohne den Kalender auf dem Schreibtisch krieg ich meine Wiedervorlage nicht hin- und bei ca. 600 laufenden Fällen ist das tödlich... Und sooo schön sind die Kalender auch nicht, die mein Arbeitgeber verteilt. Aber immerhin, er verteilt sie noch.
Vier Uhr war auch für mich ein bisschen früh. Die Watte will nicht aus der Birne weichen, trotzdem ich mich gegen sieben nochmal hingelegt habe.
Aber dafür ist -total diszipliniert- mein Auto jetzt nciht mehr in Gefahr, von den Wächtern der öffentlichen Gesundheit stillgelegt zu werden. Ha.
:-))
Lily
Selbst wenn ich Selbstdisziplin in der Ecke herumliegen hätte, würde ich sie Dir bestimmt nicht übereignen. Selbstdisziplin ist die effektivste Spaßbremse, die man sich denken kann und nervtötend für alle Mitmenschen, die keine haben (also auch für mich). Das tu ich mir nicht an :-)
Time
Falls Du Dich wunderst, warum ich unter "anonym" auftauche: Ich habe diverse Differenzen mit Google hinsichtlich meines Passwords. Google behauptet mit konstanter Boshaftigkeit, dass es falsch ist, aber ich weiß, dass es richtig ist.
hm. offenbar scheint die S. ein ungeliebtes Kind zu sein- keiner will sie. Und wenn man sie hat, vergräbt man sie lieber im Keller, als sie Bedürftigen zu vermachen.
Da muss ich nochmal drüber nachdenken.
Aber nicht mehr jetzt. Ich bin soeben zurück von Vorhaben 2 von 4. Und, sozusagen, immer noch wach. Naja, ist Mittsommernacht, der längste Tag...
Lily
Zur ewigen Diskrepanz zwischen Vorsatz und Tat:
Die hat viel mit dem Rhythmus des Körpers zu tun bei mir, wenn ich den nämllich nicht zu stark durcheinander bringe, brauche ich die verdammte Selbstdisziplin gar nicht, weil dann die Verbindung vom Vorhaben im Gehirn zum ausführenden Körper nicht blockiert ist, und es fast wie von selbst funktioniert.
Sonst kommen da ja laufend Botschaften wie "oh nee jetzt nicht, viel zu müde, oder keine Energie, nicht das Richtige gegessen, noch gar nicht bewegt" usw..
Deshalb gelingen mir immer die Wochenenden am besten, an denen ich möglichst zu gleichen Zeit schlafen gehe wie in der Woche und auch aufstehe und frühstücke.
Dieses blöde Programm "heute ist Sonntag, heute darf ich gammeln" stammt noch aus der Zeit wo die Leute schwer körperlich arbeiten mussten und es echt nötig hatten.
Heute ist es eher umgekehrt, in der Woche wird sich viel zu wenig bewegt und da Gehirn auch nich genug mit Fantasie angeregt, und am Wochenende wäre mal etwas mehr davon angesagt.
Prima, dass Du Dich von der Couch hochgeschwungen hast!
Huhu Time,
manchmal sagt google das auch bei mir. Dann hab ich normalerweise nicht das Passwort vergeigt, sondern mich beim Nutzernamen vertippt :-) Aber wie du siehst, wirst du auch so erkannt...
Und hi Paula,
irgendwie werd ich das irgendwann schon hinkriegen... Vermutlich sollte ich aufhören, ab Freitag spät ins Bett zu gehen. Ich schlepp den Schlafmangel langsam wie einen Dispo hinter mir her. Oder schieb ich ihn vor mir her?
Hm.
Auf jeden Fall addiert er sich.
:-)
Lily
Ich hatte heute Morgen keine Lust, früh zur Arbeit zu gehen, und habe stattdessen eine Aufgabe übernommen (ideal zum Aufschieben des eigentlich Wichtigen), die eigentlich ein Kurier hätte machen können: Ich habe die Monatsabrechnung von P. per S-Bahn und zu Fuß zum Hauptkunden gebracht, d.h. 1,5 Std Fahrt und reichlich Zeit zu lesen, und so habe mir eine ZEIT gekauft. Und was lese ich da im ZEIT MAGAZIN LEBEN auf Seite 17...einen Artikel über Selbstdisziplin. Ein toller Artikel, die 3,40 € für die Zeitung lohnen sich!
Gruß P.
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