Frausprech?
Ich bin Mitglied einer Mailingliste aus den USA, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, ihren Teilnehmern dabei zu helfen, ihren Haushalt zu planen und die anfallende Arbeit zu sortieren. Das System besteht aus einem E-Mail-Gerüst, und einer schematischen Aufstellung der notwendig werdenden Arbeiten, sowie einer ziemlich ausgeklügelten Zusammenfassung in Form verschiedener Journale. Die Mails kommen täglich, bunt gemischt mit Erinnerungen an diverse Haushaltspflichten, sowie viel Alltagsphilosophie und Erfahrungsberichten der Mitglieder.
Leider gibt es das Programm nicht auf deutsch- ich habe es als sehr hilfreich empfunden, um endlich zu wissen, wie ich mit der täglichen Routine am besten anfange, wie ich mir die Arbeit einteile und angesichts des manchmal unglaublich langweiligen Einerleis der immer wieder gleichen Arbeiten nicht in einen halb komatösen Zustand zu verfallen oder zu verzweifeln.
Dabei habe ich nicht mal einen großen Haushalt- aber auch kleine können aus dem Ruder laufen und auch Singles neigen manchmal dazu, Berge an Dingen anzusammeln, die das Leben belasten (und das Aufräumen zu einer Staatsaktion zu machen). Eine der Kernaussagen ist, dass wir, indem wir dafür sorgen, dass unsere nähere Umgebung ansprechend aussieht und der Erhaltungsaufwand klein bleibt, UNS SELBST etwas gutes tun- Finally Loving Yourself.
Wie gesagt, Alltagsphilosophie ist auch dabei.
Das Leben spielt uns manchmal sonderbar in die Hände. In den letzten Tagen habe ich unter anderem darüber nachgedacht, wie damit umzugehen ist, wenn man mit anderen Leuten zusammen lebt, und das Zusammenleben kommt ins Knirschen. Wenn da nicht mehr eins ins andere greift, sondern die Räder verhaken, die Stimmung schlecht wird und die Konversation ins Gereizte schwappt.
Wenn sich also die Eigenschaften in den Vordergrund schieben, die dem Partner das Leben zur Hölle machen.
Dann ist Kritik angesagt- oder schweigendes Erdulden bis zum Platzen.
Wie äußere ich Kritik?
Respektvoll, ruhig, unaggressiv, nicht wahr?
Schön wärs.
Genau so schön wäre es, wenn das, was gesagt wird, entsprechend aufgenommen würde: Ruhig, unaggressiv, nachdenklich und positiv motiviert, das eigene Verhalten unter die Lupe zu nehmen.
Sitzt, passt, wackelt und hat Luft. Theoretisch.
Praktisch läuft es nicht so, und wenn man den meist recht emotionalen Hintergrund berücksichtigt, bestehen eigentlich nur geringe Chancen, dass es jemals entsprechend läuft.
Vermutlich bestehen größere Chancen, dass eine Beziehung einen Seitensprung überlebt als dass 20 Jahre voller nicht verschlossener Zahnpastatuben ungerächt bleiben.
(Wobei ich an dieser Stelle den Tubenherstellern meinen verbindlichsten Dank für die Klappverschluss-Tube zum Aufstellen schulde. Die hat bestimmt einige Ehen gerettet)
Aber die Zahnpastatuben sind nur eine von vielen Möglichkeiten. Einzelsocken. Auf dem Boden abgelegte Wäsche, im ganzen Haus verstreut. Hochgeklappte Klobrillen, nicht gereinigte Katzenklos, Schmatzen, Schlürfen und Co, Schnarchen, Popeln, Schuppen- der Möglichkeiten sind unendliche.
Die Reaktionen sehen oft erstmal so aus, dass sie schlicht entfallen. Schließlich ist man frisch verliebt. Dann aber.
Dann wird es ätzend, nervig, und man hat einmal zuviel beim nächtlichen Toilettengang auf der nackten Schüssel Platz genommen. Man entschließt sich, was zu sagen- und scheitert.
Erstmal sagt man freundlich, dass derdiedas Gegenüber doch bitte die Klobrille schließen möge. Das schaukelt sich auf. Irgendwann geht man direkt nach dem Verursacher ins Bad, um ihn dann beinahe an den Haaren wieder hineinzuzerren, damit er verdammt noch mal die Brille selbst runtermacht.
Solange man noch im Rede-Stadium ist, vor dem Ausbruch körperlicher Gewalt, findet dann oft das statt, was die Flylady „Womanspeak“, also in etwa Frausprech, nennt. Dazu kamen in den letzten Tagen mehrere Mails, in denen sie unter anderem ihren Ehemann etwas dazu sagen lässt, und sich selbst zu den Gründen und den Erscheinungsformen dieser Form der Kommunikation äußert. Wie gesagt, zeitlich merkwürdig passend...
Sie meint mit dieser Bezeichung, dass Frauen Schwierigkeiten damit haben, direkt zu sagen, wenn sie etwas wollen- und daher oft drumherum reden, oder sogar Dinge äußern, die auf den ersten Blick nichts mit dem zu tun haben, was sie eigentlich wollen. Dies soll ein gelerntes Verhalten sein, von Mutter auf die Tochter tradiert, und ganz besonders ärgerlich für den auf der anderen Seite der Kommunikation.
Eigentlich soll es sich um so etwas wie einen Befehl oder eine Bestellung (sie spricht von „order“) handeln, für deren Ausführung jedoch die Befehlende den Preis nicht zahlen will.
In den Verhältnissen, in denen Befehle oder Bestellungen üblich sind, zahlt der Bestimmer - meist. Entweder das Gehalt dessen, dem er befiehlt, oder aber einen Kaufpreis, oder er trägt für das Wohlergehen des Anderen in irgendeiner anderen Weise die Verantwortung. Weil dies Verhalten aus Zeiten stammte, in denen Frauen nicht zu erwarten brauchten, dass irgendjemand ihnen die Befehlsgewalt gibt, oder dass sie ein legitimes Recht bekommen hätten, etwas zu verlangen, entwickelten sie diese Form der indirekten Befehle, und nannten das dann „diplomatisch“.Als Beispiel nennt sie die folgende, durchaus typische Unterhaltung:
Frau: „Mir ist kalt“ Gemeint ist was anderes, nämlich „Machst du bitte mal die Heizung an?“
Mann, bereits leicht angesäuert: „…“ und steht brummelnd auf, um das Ventil aufzudrehen.
Mit zunehmender Etablierung dieses Kommunikations-Dummies (im Sinne von Ersatz) wird man immer öfter entweder auf einen ermüdeten „Befehls“-Empfänger oder auf eine immer mehr aufdrehende Indirekt-Rednerin treffen. Ich bleibe mal bei den geschlechtsspezifischen Enden, wenn ich auch nicht glaube, dass tatsächlich nur Frauen die Befehlenden in diesen Kontexten sind.
Mir fällt auf, dass diese Form der Äußerung uns in Windeseile in ein Machtgefälle bringen kann, auch wenn ursprünglich keines bestanden hat.
Eine Bemerkung, die indirekt darauf zielt, dass jemand anderes etwas für uns tut, wird aus einer gewissen Erwartungshaltung heraus getan. Und das gefährliche dieser Art der Äußerungen, also „Mir ist kalt“ anstelle von „Dreh doch mal die Heizung auf“ ist, dass das Gegenüber nicht zu reagieren braucht. Es wurde um nichts gebeten, oder?
Eine Bemerkung wie: Meinst du nicht, du solltest einen Schal mitnehmen?“, die eigentlich bedeutet, Kind, es ist kalt, zieh dich bitte wärmer an, fragt scheinheilig nach der Meinung des Gegenübers- und erzeugt schnell Zorn, wenn darauf geantwortet wird: „Nein, das meine ich nicht“.
Hört man: „Meinst du wirklich, du solltest so vor die Tür gehen?“ schmeckt das schwer nach Beleidigung.
In Fall eins kann derjenige sich einfach taub stellen. Jemand, der die Freiheit hat, einen Befehl entweder zu hören oder nicht, hat Macht. Wenn derjenige, an den diese Mitteilung gerichtet ist, gehorcht, hat er keine Macht, dafür der Befehlshabende um so mehr.
In Fall zwei stehen die Chancen gut, dass der oder die solchermaßen Adressierte entweder sauer ist, weil sich da jemand einmischt, der pro forma behauptet, dass man selbst das Recht auf eine Meinung hat- oder eben der Bestimmer ist zornig, weil er sich verspottet und nicht ernst genommen fühlt.
Es gibt auch keine Möglichkeit, klärend und deeskalierend auf Bemerkung Nummer drei zu reagieren. Einer von beiden ist immer „im Unrecht“ und fühlt sich entsprechend beschissen.
Auf jeden Fall trägt diese Art, sich Luft zu verschaffen (denn etwas zu verlangen oder etwas zu kritisieren dient oft dem innerlichen Druckabbau) dazu bei, dass sich die Fronten verhärten, und es niemandem mehr um den Inhalt der Mitteilung geht. Eine klassische Kommunikationsfalle, sorgsam konstruiert aus Verschleierung und Machtkämpfen.
Ich hab mich darin weitgehend wieder erkannt, denn Zorn, der sich in ätzenden Sarkasmen äußert, als Bitten getarnte Anklagen und Befehle und manipulative Gesten, ob verbal oder nonverbal, sind tatsächlich Spezialitäten von Frauen- vorzugsweise von denen, die schlichtes Gemecker ihrer selbst unwürdig finden. Die mit dem, was sich an Druck in ihnen anstaut, nicht gut umgehen können- sie finden, dass der Partner oder das Kind schon wissen sollte, was seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit ist.
Wissen sie das tatsächlich? Oder sind die Bedürfnisse und Befugnisse innerhalb der Beziehung nicht klar? Dann muss darüber geredet werden. Zunächst mal jede/r mit sich selbst. Dann miteinander. Und dann muss ab sofort direkt agiert werden.
Also bitte, Leute: Bittet euer Gegenüber, die Heizung einzuschalten, wenn euch kalt ist, aber schaut vorher aufs Thermometer. Vielleicht ist es wirklich warm, und ihr friert innerlich- dann trinkt einen Tee oder lasst euch umarmen. Das hilft.
Wenn alle Beteiligten aber darüber informiert sind, was man sich gegenseitig an Rücksicht und Kooperation schuldet, auch an Hilfe und Loyalität, und darüber grundsätzlich Konsens herrscht, kann eigentlich kaum mehr was schief gehen, wenn man ein bisschen selbstkritisch seine Kommunikationsstrukturen überwacht.
Außer in dem Sonderfall, dass das Gegenüber es drauf anlegt, die Beziehung zu beenden, aber diesen Wunsch nicht aussprechen will. Dann sind alle am Arsch. Und zwar gründlich.
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Wenn jemand die Flylady-Texte zu Womanspeak lesen möchte: Bitte einen Kommentar hinterlassen.
Donnerstag, 27. Dezember 2007
Frausprech.
Labels:
Filoso fishes,
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