Freitag, 14. Dezember 2007

Nix Barbie, oder: Es ist noch nicht aller Tage Abend.


Die geneigte Leserschaft wird registriert haben, dass das letzte Post mit einer harsch nach Selbstkritik klingenden Formulierung schloss.

Diejenigen Leser, die mich persönlich kennen, kennen auch diese Art, mich selbst zu beschimpfen, teilweise auch, weil sie sie dauernd selbst anwenden.
Ein dreifach kräftiges Huhu an alle, die sich jetzt angesprochen fühlen. Ihr seid gemeint. Jawoll.
Dabei hatte diese Bemerkung endlich einen Sinn, der über die üblichen damit verbundenen negativen Emotionen hinausgeht.

Ich habe tatsächlich in den Spiegel gesehen, und mal hingeschaut.

Und was habe ich gesehen?

Eine Frau, Mitte 40, mit Übergewicht, ziemlich müden Augen, viel zu blass, mit zu dunkel getönten Haaren ohne Schnitt, unvorteilhaft (aber wenigstens warm) angezogen.
So ziemlich das, was ich jeden Tag sehe.

Aber irgendwie doch nicht.

Ich habe eine nicht schöne Frau gesehen (der Spiegel hat mir noch nie was anderes gesagt...)- und ich habe eine Frau gesehen, die auch nie schön sein wird. Nicht mal hübsch.

Soweit nichts wirklich Neues.

Aber außerdem stand da noch, dass das tatsächlich nicht schlimm ist. Das war tatsächlich eine Erleichterung, aber keinesfalls weiter ein Grund, irgendwen zu bestrafen, auch nicht sich selbst.

Der Möglichkeiten, sich zu bestrafen, sind viele, und ich bin da ein kreativer Mensch.

Eine Fratze, die man seinem Spiegelbild zeigt, eben schnell im Vorbeigehen.

Böse Bemerkungen über sich selbst, wenn irgendwas zwickt, weil es nicht richtig passt.

Gnadenloses Hungern, gefolgt von gnadenlosen Fressorgien, wenn das Hungern nicht so schnell zum Ergebnis geführt hat, wie man das gern gehabt hätte.

Einladungen, denen man mit schwachen Entschuldigungen und faulen Ausreden fernbleibt- weil man sich unter anderen Menschen ebenso kritisch betrachtet fühlt, wie man sich das selbst antut.

Die wachsende Einsamkeit, wenn man sich für niemanden mehr für zumutbar hält.

Einsamkeit bringt schlechte Angewohnheiten mit sich. Die Wochenenden zum Beispiel, an denen man sich nicht einmal mehr richtig anzieht- es sieht einen ja ohnehin niemand, weil man das Haus nicht verläßt.

Das schlaffe Abhängen auf der Couch, die schlechte Haltung, wenn man dann doch noch einkaufen muss.

Die Auswirkungen davon nagen noch mehr an dem kleinen Rest Selbstbewusstsein, der den Blick in den Spiegel überlebt hat.

Anstatt anwesend zu sein in seinem Leben trauert und wütet man um das, was nicht ist.

Die Unzufriedenheit trägt man mit sich wie einen grauen Mantel. Darunter verliert man – sein Gesicht. Oder das, was es eigentlich sein sollte.

Machen wir uns doch mal klar, dass niemand uns einlädt, ein Bier zu trinken, weil wir dekorativ sind. Auf keiner Feier sind wir als Schaustück gebucht. Sondern weil wir, im besten Fall, gute Unterhaltung sind, interessante Gesprächspartner, gute Zuhörer, kluge Ratgeber. Oder liebe Freunde.

(Leute, die ihre Gäste einladen, weil sie zu den Polstermöbeln passen, will ich nicht besuchen.)


Dass mein Körper nicht aussieht wie der von Heidi Klum ist nicht sein Fehler. Es gibt keine Berechtigung, ihn nicht trotzdem zu mögen, und jeden Grund, zu versuchen, sich in ihm wohlzufühlen. Ja, genau, vielleicht auch wie in einem bequemen Paar Schuhe. Wenn ich die bequemen Schuhe lange tragen will, sollte ich sie sorgsam behandeln und nicht einfach runtertreten und in die Ecke werfen.


Das, was man seinem Körper alles so antut, mit zuwenig Schlaf und den falschen Nahrungsmitteln in unangemessener Menge, mit zuviel Zigaretten, Alkohol oder anderen Drogen, wird man ihm ansehen, und es ist etwas, was man ihm tatsächlich selbst angetan hat. Haben wir da jetzt endlich einen Grund, wieder loszutreten?

Nö. Denn da kommt das ins Spiel, was auch im Spiegel zu sehen ist, wenn man sich mal die Mühe macht, nicht sofort angewidert den Blick abzuwenden.
Das, was man sonst noch so von sich weiß, was sich auch zeigen kann, hinter den müden Augen. Das Innere, die Seele meinetwegen, die es auch verdient hat, dass man sie zeigt. Die auch eine gute Pflege braucht, und die genau wie der Körper Narben davon trägt, wenn wir sie schlecht behandeln. Die lässt man vereinsamen, weil man sich in seinem Körper nicht wohl genug fühlt, um ihn mal nach draußen zu lassen. Die soll doch bitteschön sich zurückhalten mit ihren lästigen Emotionen, denn die passen gerade mal nicht.


Der alte Witz von der Frau mit der inneren Schönheit, der jemand sarkastisch rät, sich doch bitte wenden zu lassen, ist einerseits eine Gemeinheit, andererseits ist nichts Falsches daran, seinen Körper ganz zu bewohnen, anwesend zu sein... und das Licht mal wieder einzuschalten.

So, dass sichtbar ist, dass da kein Zombie unterwegs ist, sondern ein lebendiger Mensch, neugierig oder stur, liebevoll oder traurig, voller Angst oder Zuversicht oder Zorn.

Wenn ich mich so zurück erinnere an Zeiten, in denen ich gar nicht in der Lage war, mich zu verstecken, weil mir das Leben gerade sehr übel mitspielte, dann fällt mir auf, dass die intensivsten Kontakte mit anderen Menschen sich zu diesen Zeiten abgespielt haben.
Ich war vor lauter Trauer im wörtlichen Sinne außer mir, sichtbarer als je zuvor und auch als später jemals wieder- und die Zuneigung und Zuwendung der Menschen um mich herum hat mir mehr geholfen als jedes Selbsthilfebuch oder als 50 Stunden Psychotherapie.

Dieses Offen-Sein hat mich nicht umgebracht. Es hat mir nicht geschadet, mit offenem Visier durch die Welt zu gehen. Im Gegenteil.

Heute bin ich mir nicht sicher, ob es noch viele Menschen gäbe, die mir ihre Zuneigung und Zuwendung geben würden, denn sich aus dem Leben zurückzuziehen und sich unerreichbar zu machen, hat Konsequenzen. Aber ich arbeite daran.

Und damit ich das möglichst nicht wieder vergesse, damit ich das nicht wieder schlampig gekritzelt in irgendeiner Kladde verschwinden lasse, steht das jetzt hier.


Es ist halt noch nicht aller Tage Abend.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Nicht, dass du meinst, du hättest schon alle vertrieben! Ich häng dir immer noch im Nacken und wenn es auch nur ist, dass ich dich zum Glühweinstand trete! ;-) Barbie zu sein ist doch gar nicht so reizvoll... dann würd man sich ständig drüber beschweren, dass die Leute nur wegen des tollen Aussehens mit einem zusammen sein wollen und das ist doch ehrlich gesagt auch nix! Dann lieber nur ne Baby Born (mit Verlaub gesagt die häßlichste Puppe die ich seit langem mal wieder gesehen habe) aber dafür ein wahnsinnig netter Typ! Und das biste! (ja, nicht nur Bruder Georg schleimt hier rum) ;-)
Und ehrlich gesagt: das Licht im Waschraum war auch für alle nicht vorteilhaft! Ich denke, das liegt an den Spiegeln da! :-)

Lily hat gesagt…

Mist, dann hab ich mich doch nicht verständlich genug ausgedrückt- das schöne, angenehme, entspannende an der Erkenntnis war eben das, dass ich eine unglaubliche Erleichterung darin gefunden habe, nicht Barbie zu sein, und es auch nicht mehr sein zu müssen. Ich bin ich, und gut ist.
Die Latte ist sozusagen wieder auf Bodenhöhe angebracht, und statt mir ständig blaue Flecken zu holen, bei dem Versuch, drüber zu springen, kann ich jetzt vielleicht mal weiter kommen.
Wenn ich hier gerade Unsinn rede, liegt das an meinem Traum-Blutzucker von 35. Öh ja.
Deshalb mach ich jetzt auch Feierabend, sonst krieg ich Probleme.
Have a great weekend,
Lily

Anonym hat gesagt…

Doch doch, das kam schon rüber! Ich wollte dich nur noch mal bestärken! ;-)

Lily hat gesagt…

Ich kenne gleube ich keine Frau, so schön sie auch sein mag, die ernsthaft annehmen würde, dass man sie nur wegen ihres Aussehens mag. Das würde ja voraussetzen, dass sie sich selbst toll findet- kannst du dir DAS vorstellen?