Freitag, 14. November 2008

da capo al coda

Holla, war das eine ernste Woche. Jedenfalls wenn man die Beiträge zu diesem Blog zugrunde legt. Ich selbst hab mich nicht besonders ernst gefühlt, sondern im Gegenteil eigentlich so leicht und befreit wie schon lange nicht mehr.

Erst hab ich mich noch gefragt, wie ein intelligenter Mensch so lang brauchen kann, um hinter ein paar elementare und offensichtliche Dinge zu kommen. Wie blöd man eigentlich sein kann. Das lässt recht schnell nach.

Statt dessen wird mir wieder was in Bezug auf Verarbeitungsmechanismen klar:
Um bestimmte Kapitel abschließen zu können, muss man offenbar wirklich durch alle beteiligten Gefühlsbereiche durch sein- und sie zum krönenden Abschluss noch einmal als Ganzes würdigen. Erst dann konnte ich dem „Kind“ einen Namen geben und es an die ihm zustehende Stelle im Regal räumen.
Wenn es sich dabei um eine lang andauernde Beziehung gehandelt hat, sind natürlich viele Bereiche betroffen gewesen.
Eine kluge Frau hat mir einmal gesagt, dass, je länger eine Beziehung andauerte, um so mehr Verbindungen zwischen den zwei Menschen bestehen bleiben. Man kappt sie, nach und nach, und die gekappten Stellen heilen- vielleicht auch nur sehr langsam.
Manche Verbindungen sind elastisch, und reißen nicht ohne Weiteres, nur weil man sich weit voneinander entfernt hat. Manche sind verborgen unter dicken Schichten und sind erstmal nicht sichtbar und demnach auch nicht adressierbar.
Ich weiß noch, dass ich zu Beginn dieses Prozesses gleichzeitig so zornig und so traurig war, dass es kaum auszuhalten war. Der Suizid lag damals nahe, ganz einfach weil so viele Dinge entwertet schienen. Gleichzeitig gewann das Leben sehr, sehr schnell wieder Facetten hinzu, die jahrelang nicht gelebt worden waren, auch weil ich mich hab eintüten lassen von einem- sagen wir- zweifelhaften Charakter.
Weil ich merkte, dass Kontakt, gleich welcher Art, mit diesem Mann mich immer noch total verwirrte und aggressiv und unglücklich zugleich machte, habe ich eine Weile jeden Kontakt abgelehnt.
Damit hatte ich mir dann wenigstens ein kleines Stückchen festen Bodens erkämpft.
Nach und nach geriet das alles in Vergessenheit, und andere Baustellen taten sich auf, die wichtiger zu sein schienen.
Während einiger Jahre ruhte die ganze unselige Geschichte in einem Hinterstübchen, um ab und zu hervorgeholt, mit scheelen Augen betrachtet und ganz schnell wieder verstaut zu werden.
Gleichzeitig erweiterte sich das Leben, und schloss wieder mehr Gebiete mit ein- es gab aber auch Gegenden, die merkwürdig vertraut schienen, und in denen ich nicht in der Lage zu sein schien, mal andere Wege einzuschlagen- ich fand mich in jeder neuen Beziehung binnen kurzer Zeit vor der selben Wand.
Wie ich auf die teilweise sehr schmalen Bretter kam, auf denen ich mich dann ungeschickt bewegte, war mir nie klar. Ich hab es als meine eigene persönliche Macke betrachtet, die ich mit viel Mühe vielleicht irgendwann überwinden könnte… hochgradige Suggestibilität, kompletter Intelligenzverlust sobald Partner in Reichweite, keinerlei kritisches Denkvermögen mehr präsent- wenn ich einen Mann an meiner Seite hatte, ging der nach allerkürzester Zeit allein vorneweg, und ich hab, die Augen auf seinen Rücken geheftet, meinen Weg komplett verlassen.

Alles das schien irgendwie unveränderlich. Trotz aller Therapie, in der das im übrigen nicht mal ein Thema war, weil ich in der gesamten Zeit solo war und somit keinen Anlass hatte, dass mir das Gebiet als sonderlich bearbeitungspflichtig aufgefallen wäre.
So, und dann kam vor einigen Wochen ein Telefongespräch zustande, mit meinem Exmann. Es ging um eine Sache, die er mit meinem Sohn zu klären gehabt hätte, in der er mich aber hineingezogen hat. Mein Sohn ist 27 Jahre alt, Exmann und ich seit 10 Jahren getrennt. Was also hatte ich damit zu tun?
Worum ging es hier?
Es ist nicht so, dass wir in den letzten Jahren keinen Kontakt gehabt hätten. Von Zeit zu Zeit haben wir Emails gewechselt, auch ab und zu telefoniert, nachdem die ersten Monate vorüber waren.
Was mir auffiel, ist, dass erstens der Anlass für dieses Gespräch an den Haaren herbeigezogen war.
Kernpunkt war, dass er sich über meinen Sohn bei mir beschwerte. Wofür es keinen Anlass gab. Noch weniger dazu, mich da überhaupt zu beteiligen, s. oben.
Und- er hat mich mit einer Mischung aus Herablassung und Bevormundung behandelt, die mir den Magen umgedreht hat.

Warum das?
Er sollte mir doch schnurzegal sein.
Wieso bringt der mich nach 10 verdammten Jahren noch so auf die Palme?

Einfache Antwort: Da wird auf ein Knöpfchen gedrückt.
Da wird versucht, mir eine Verantwortung ans Knie zu nageln, die ich nicht habe.
Da hat jemand abgeladen, seinen Müll in meinen Vorgarten.
Oha, machte mich das sauer.

Und nachdem ich das ganze nicht wieder ins Regal zurück gestellt habe, sondern einfach mal auf dem Tisch habe liegen lassen, fiel dieser ganze, unordentliche, von Panik, Wut, Trauer und Schmerz zusammengehaltene und überwucherte Haufen Geschichte in seine Einzelteile auseinander, nachdem ich den Post von Denise gelesen hatte.
Und auf einmal waren sie alle gleichzeitig präsent… Die verschiedenen Schichten, aus denen diese Beziehung bestanden hatte, die mal von Partnerschaft geprägt gewesen war. Und die irgendwann (wann?) abdriftete, und bei der ich nie verstanden habe, warum ein Mensch, der mit dem einen Satz beteuert, dass er mich so sehr liebt, mich mit dem nächsten Satz zerstört, und das immer wieder tut, auch wenn ich ihm sage, dass sein Verhalten mich kränkt und fertig macht.
Dieses Gefühl, als hielte einem einer einen Mixstab ins Gehirn, und drücke in willkürlichen Abständen auf den Knopf.

Mindfuck, sozusagen. Gehirnwäsche.

Ich hab den Artikel gelesen und nur genickt, ihn kopiert, ausgedruckt, Worte unterstrichen, Sätze mit Randbemerkungen versehen…

Es ergibt sich ein Bild, ein Etikett, endlich, nach Jahren, und ich hab ihn nach draußen gestellt, wo er hin gehört.
Zu den Dingen, die am Straßenrand stehen und auf die Sondermüll-Abfuhr warten.

Ich schau jetzt nicht nach, ob ich das alles gestern oder vorgestern schon mal beschrieben habe, sondern poste es einfach.


Und dann geh ich los, und hol meinen neuen alten Namen ab.

Demnächst kommt auch mal wieder was lustiges.

Versprochen.



Lily

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Beim nächsten Anruf am besten gar nicht erst Höflichkeiten austauschen, sondern am besten sofort antworten: "Hallo Mr. X, was willst Du von mir?"

Ungereimtheiten und Verletzungen aus solchen "Opfer-Täter"-Beziehungen arbeiten ein Leben lang weiter, irgendwo versteckt in den Beziehungshirnkammern. Ich habe heute noch Erkenntnisse und Geistesblitze, was ich einem Mann, mit dem ich vor 35 Jahren mal zusammen war, heute entgegnen würde, und habe sogar einmal dem Impuls nachgegeben, ihm einen "Abrechnungs"-Brief zu schreiben, der ihn über Umwege schließlich erreicht hat.

Die Rückrufe in meinem Büro danach habe ich abgeschmettert und bis heute keinen Kontakt mehr aufgenommen, obwohl es mich manchmal schon reizen würde auszuprobieren, wie ich mich weiterentwickelt habe und spontan auf mindfucking-Versuche reagieren würde.

Anonym hat gesagt…

Das alles klingt ein bisschen, als dürfte man gratulieren (tu ich hiermit!). Es gehört ein klares Stop in solchen Beziehungen und Gesprächen ausgerufen, sobald man sich dabei auch nur ansatzweise unbehaglich fühlt (und sich dessen bewusst wird!). Stop - interessiert mich nicht. Tschüss.

Ich wünsche weiterhin viel Erfolg!

Lily hat gesagt…

@Paula: Ich werd erstmal nicht drangehen, wenn in den nächsten Tagen ein Anruf kommt- schließlich gibts nichts zu klären. Dafür muss sich das erstmal setzen.
@Etosha: Danke:-)